Kopftuch: Arbeitgeber wollen sich nicht die Finger verbrennen

Musliminnen sagen: Mit Kopftuch ist es schwierig, eine Stelle zu finden. Viele Firmen winden sich und wollen keine klare Position beziehen.

Diversity auf dem Papier ist einfacher als am Arbeitsplatz. (Bild: Getty Images)

Reden kann man viel, wenn der Tag lang ist. Das weiss niemand besser als Medienbeauftragte und Marketingfachleute. Und Journalistinnen, die versuchen, besagten Fachpersonen eine Information zu entlocken.

So wie bei der Recherche zu diesem Artikel. Wir wollten von grossen Schweizer Firmen wissen, wie sie es mit dem Kopftuch halten. Der Hintergrund: Frauen mit Kopftuch haben häufig Mühe, eine Stelle zu finden. Die Bank Crédit Suisse etwa verbietet Arbeitnehmenden mit Kundenkontakt religiöse Symbole.

Wir schickten 13 Unternehmen vier simple Fragen per E-Mail. Sie lauten:

  • Hat Ihr Unternehmen eine Regelung punkto religiöser Symbole wie Kopftuch, Kippa, Halskette mit Kreuz etc. am Arbeitsplatz?
  • Wie viele Frauen mit Kopftuch beschäftigt Ihr Unternehmen in Basel und schweizweit?
  • Haben diese Frauen Kundenkontakt?
  • Welche Rolle spielen Sie als Arbeitgeber bei der Integration von Frauen mit Kopftuch?

Zwei Drittel beziehen Position

Offenbar sind diese Fragen verzwickter als gedacht. Die Antworten waren zuweilen schwer verständlich. Zwar betonen alle Firmen, sie würden Wert legen auf einen toleranten Umgang ohne Diskriminierung. Doch nur zwei Drittel bezogen eine klare Position. Zwei Firmen antworteten gar nicht auf die TaWo-Anfrage.

Das Universitätsspital beschäftigt bereits heute mindestens fünf Frauen mit Kopftuch, einige davon in der Pflege. Ausserdem hat das Unispital mindestens zwei Frauen mit Kopftuch in einer Berufslehre ausgebildet. Probleme gab es dabei laut Pressesprecher Martin Jordan nicht: «Bis jetzt gab es keine negativen Reaktionen von Patientinnen und Patienten.»

Aufgeschlossen zeigen sich auch Syngenta und Novartis. Die beiden Pharmaunternehmen beschäftigen Frauen mit Kopftuch. Auch Personalvermittler im Raum Basel bestätigen, dass die Pharmaindustrie sich punkto Kopftuch offen zeigt – das habe mit dem internationalen Umfeld zu tun.

https://tageswoche.ch/allgemein/der-zwang-faengt-erst-mit-der-stellensuche/

Auch die SBB beschäftigen grundsätzlich Mitarbeiterinnen, die ein Kopftuch tragen. Bei Zugbegleiterinnen und anderen Angestellten mit Kundenkontakt sollte das Tuch farblich zur Berufsuniform passen. Allerdings gibt es für gewisse Berufsprofile ein Kopftuchverbot: bei der Transportpolizei und in Positionen, wo ein Tuch den Sicherheitsvorschriften widerspricht, etwa auf Baustellen mit Helmpflicht.

Coop verbietet Angestellten an der Kasse ein Kopftuch, «da dieses nicht zur Verkaufsuniform gehört». Im Lager und in den Verteilzentralen gibt es aber Angestellte mit Koptüchern.

Der Dentalimplantate-Hersteller Straumann Basel hatte auch schon Angestellte mit Kopftuch. Für Diskussionen sorgen manchmal die Kleiderregeln in der Produktion. Hier müssen Mitarbeitende sterile Anzüge tragen, dazu gehören Hosen. Einige Frauen hätten aufgrund ihrer Kultur Mühe damit.

Die Fluggesellschaft Swiss hat klare Regeln fürs Flugpersonal: Kopftücher sind nicht «uniformkonform». Beim Bodenpersonal sind Kopftücher hingegen erlaubt. Ob es tatsächlich Kopftuchträgerinnen gibt, weiss die Medienstelle nicht.

Die Frachtreederei MSC schrieb kurz und bündig: «Bei uns wurde noch niemand mit einem Kopftuch vorstellig. Wir sind offen und haben keine Vorurteile.»

Diese Firmen kommunizieren klar, Vorgesetzte und Angestellte wissen, zumindest in der Theorie, was gilt.

Bei der Post müssen die Chefs vor Ort entscheiden

Komplizierter ist es bei der Post, der nach eigenen Angaben drittgrössten Arbeitgeberin der Schweiz. Das Unternehmen gibt die Verantwortung an die Vorgesetzten in den Regionen ab.

Zwar gibt es schweizweite Kleiderregeln, wie der Sprecher sagt: Angestellte, die ein Postauto fahren, Briefe und Päckli austragen oder hinter dem Schalter sitzen, müssen «für einen einheitlichen Auftritt» Berufskleidung tragen. Ob es dabei aber möglich ist, ein Kopftuch zu tragen, «liegt im Ermessen der Vorgesetzten» vor Ort. Eine Chefin in Basel könnte demnach anders entscheiden als ein Chef in Zürich.

Pöstlerinnen mit Kopftuch – das ist ein ziemlich heikles Thema für einen Chef. Wie kann es sein, dass ein staatsnahes Unternehmen von dieser Grösse bei einem Politikum wie dem Kopftuch keine Richtlinien für den ganzen Betrieb aufstellt? «Wir nehmen Rücksicht auf die lokalen Begebenheiten und die einzelnen Situationen», sagt der Pressesprecher. Das gelte genau so für Tattoos oder Piercings.

Der Pressesprecher weiss nicht, ob die Post Angstellte mit Kopftuch hat und ob das Thema innerhalb der Postfilialen für Konflikte sorgt. «Bei 62’000 Angstellten kommt nicht jedes Thema bis zur Zentrale durch.»

Ein Personalvermittler aus Basel sagt: «Bei 90 Prozent der Firmen ist das Kopftuch ein No-Go.»

Auch die Migros hat keine Regeln punkto KopftuchDort heisst es lediglich: «Wir wägen in jedem Einzelfall die religiösen Überzeugungen gegenüber den betrieblichen Interessen und den Bedürfnissen der Kunden ab.» Auf Nachfrage antwortet die Migros: «Wir kennen die Situation in den einzelnen Migros-Unternehmen nicht.»

Manor verfügt über keine Regelung, die das Tragen von religiösen Symbolen verbietet. «Diese dürfen jedoch nicht das Gesicht der Person verdecken oder die Arbeit und die Hygienestandards beeinträchtigen», heisst es.

Zurückhaltend punkto Kopftuch zeigt sich erstaunlicherweise auch der Kanton Basel-Stadt. Auch dort stösst das Kopftuch auf Skepsis, wie barfi.ch berichtete. «Eine generelle Vorschrift zu Kopfbedeckungen oder zum Tragen von religiösen Symbolen besteht nicht», schreibt Andrea Wiedemann, Leiterin des Personaldienstes. Bei Kundenkontakt solle allerdings die Dienstleistung im Zentrum stehen, ohne Ablenkung. «Deshalb empfehlen wir, auffällige Kleidung jeglicher Art zurückhaltend zu tragen. Darunter fallen auch religiöse Symbole, und zwar unabhängig von der Glaubensrichtung.»

Das überrascht, vom Staat wird in der Regel erwartet, dass er eine Vorbildfunktion in der Personalpolitik einnimmt, wie es offensichtlich das staatsnahe Unispital tut.

Auch ältere Arbeitnehmer werden diskriminiert

Grundsätzlich gibt keine Firma zu, dass sie Frauen aufgrund ihrer Religion diskriminiert. Ein Personalvermittler in Basel allerdings sagt: «Bei 90 Prozent der Firmen ist das Kopftuch ein No-Go.» Seine Erfahrung zeige, dass es Diskriminierungen in der Berufswelt gebe. Viele Firmen würden Über-50-Jährige ebensowenig einstellen wie verheiratete Frauen in den 30ern (die könnte ja schwanger werden). «Und das Kopftuch ist auch ein Faktor, das ist logisch.»

Der Personalvermittler selber nimmt sich da auch nicht aus. Wenn er zwei vergleichbare Bewerbungen habe, empfehle er die Frau ohne Kopftuch. «Das ist mir sympathischer.»

Dossier Jobkiller Kopftuch

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