Früher brauchte es Kohle, heute Geld: Das Läufelfingerli hat sich vom nützlichen Verkehrsmittel zum Sorgenkind entwickelt. Trotzdem ist das «Bähnli» wichtig für die Bevölkerung.
Dampf als Quelle von Wärme und Antriebskraft hat auf den Menschen seit jeher eine faszinierende Wirkung ausgeübt und den Erfindergeist von Generationen angestachelt. Auch im Sprachgebrauch spielt der Begriff Dampf eine wichtige Rolle. Wer richtig «Dampf macht», dem wird ein zielstrebiges Verhalten attestiert. «Dampf ablassen» dagegen bedeutet sich Luft zu machen, nicht alles widerspruchslos zu schlucken.
Das mag zwar hin und wieder das landesübliche Mass an ziviler Zurückhaltung verfehlen, immerhin zeugt es von Temperament und – rein technisch gesehen – von einem tadellos funktionierenden Überdrucksystem.
Zurück jedoch zu jenen Dampfmaschinen, die allenfalls dem Zahn der Zeit, nicht aber einem überhöhten Blutdruck zum Opfer fielen. Noch heute bestaunen wir in Depots und Museen die gewaltigen, auf Hochglanz polierten Güterlokomotiven, die ihre tonnenschwere Last mit unglaublicher Kraft jahrzehntelang zuverlässig über steile Rampen und durch enge Kehren schleppten. Daneben begeistern uns aber auch die kleineren, eleganten Zugfahrzeuge für den Personenverkehr sowie die sorgfältig restaurierten Wagen. Holzklasse zumeist, aber längst nicht nur. Der legendäre Orient-Express versprach Luxus in Vollendung.
Der Nutzen stand im Vordergrund
Im Lokalverkehr war «service soigné» weniger gefragt. Hier stand der Nutzen im Vordergrund, nicht das Vergnügen. Das kam erst später. Und mit ihm eine liebevolle Beziehung zum eigenen «Bähnli» – zum Waldenburgerli beispielsweise, dem Baselbieter Schmalspur-Bijou. Eröffnet 1880 zwischen Liestal und Waldenburg. Noch heute mit regelmässigen Dampf-Sonderzügen, zuverlässig geschleppt von der soeben ins 111. Betriebsjahr eingefahrenen Lokomotive, benannt nach Gédéon Thommen, dem Gründer der Bahn.
Nicht zu vergessen auch das von Kurt Wyss in den Sechzigerjahren verewigte Läufelfingerli (Bild oben), das damals mit einer geradezu weltmeisterlich anmutenden Dampffahne durchs Homburgertal gen Sissach «preschte», zur Freude einer Hochzeitsgesellschaft im einzigen Wagen dahinter. Ein Dampf-Läufelfingerli auf der alten, 1858 eröffneten Hauensteinstrecke mit dem 2495 m langen Scheiteltunnel zwischen Sissach und Olten, auf den die SBB als Ausweichroute zum später gebauten Basistunnel nach wie vor angewiesen sind.
Ein ewiger Kampf
Ein rentabler Betrieb ist auf einer solchen Linie fast unmöglich. Immerhin sorgt seit Anfang August ein moderner, auf den Namen Läufelfingerli getaufter Gelenktriebwagen für akzeptable Transportverhältnisse. Und auch das Projekt, mit regelmässigen Dampffahrten den Gesamtbetrieb durch den Zustrom von Touristen rentabler zu gestalten, ist nicht ohne Hoffnung. Ein geeignetes Depot für das Rollmaterial steht in Sissach bereits zur Verfügung, ebenso eine auf das moderne Zugsicherungssystem der SBB umgerüstete Dampflokomotive.
Darüber hinaus hat ein im August 2010 durchgeführter fahrplanmässiger Versuchsbetrieb nach Auskunft der Betreiber eine insgesamt befriedigende Auslastung ergeben. Seither jedoch herrscht weitgehend Funkstille.
Was ist daraus zu lernen? Bei aller Sympathie für die Dampf-Enthusiasten aus dem oberen Baselbiet leider noch nicht sehr viel. Und wenn schon, dann allenfalls dies: Wer erfolgreich Dampf ablassen will, sollte früh genug mit dem Einheizen beginnen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 31.08.12