Man stelle sich folgendes plausibles Szenario vor: Ein junger Mann namens Johannes müsste in die Rekrutenschule, will aber nicht – wie das halt so ist bei «traurigen Weicheiern», um das Wording der SVP zu benutzen. Plötzlich fällt Johannes ein: Er könnte ja sein Geschlecht ändern. Also geht er schnell zum Zivilstandsamt und lässt sich zur Johanna umstempeln. Problem gelöst.
Was für ein Horrorszenario! Es entstammt dem Hirn von Verena Herzog, SVP-Nationalrätin aus dem Thurgau. Das ist die, die bekannt dafür ist, «nichts gegen Homosexuelle zu haben», aber jede Gelegenheit nutzt, ihnen das Recht auf Adoption abzusprechen.
Und jetzt hat sie eine weitere Gefahr für unsere Gesellschaft erkannt: die amtliche Geschlechtsanpassung für Transmenschen.
Es ist kompliziert
Heute läuft es so mit dem Geschlecht: Wenn ein Buschi auf die Welt kommt, schaut die Ärztin, ob es eine Muschi oder ein Pfyyfli hat und entscheidet: Mädchen oder Knabe. Wenn nun aber besagtes Kind zum Beispiel merkt, dass es gar kein Mädchen ist, sondern ein Knabe, ja dann wird es kompliziert.
Will dieser Knabe später, wenn er dann erwachsen ist, nämlich die Identitätskarte seiner Geschlechtsidentität anpassen, muss er zuerst zu einem Richter – und, je nach Kanton, ein paar Tausend Franken blechen.
Das kritisieren Transmenschen seit Jahren. Sie erleben es als bevormundend, dass sie Rechenschaft über ihre Geschlechtsidentität ablegen müssen. So sagt Stefanie Hetjens, Präsidentin des Transgender Network Schweiz: «Jeder Mensch kennt sein Geschlecht von Geburt an selber am besten.» Das falsche Geschlecht im Pass zu behalten sei keine Alternative: «Es ist schrecklich, am Zoll oder beim Alkoholkaufen jedes Mal erklären zu müssen, warum Aussehen, Name und Geschlecht auf der ID nicht übereinstimmen.»
Deshalb möchte der Bundesrat nun die Praxis vereinfachen. Künftig soll man das offizielle Geschlecht auf dem Zivilstandsamt kurz und unbürokratisch anpassen können.
Eigenverantwortung, aber nicht bei den Genitalien
SVP-Frau Verena Herzog ist das dann aber doch zu viel Eigenverantwortung und zu wenig Bürokratie: «Sind die Hürden für eine Geschlechtsänderung in Zukunft derart tief, könnten sich Männer auf diesem Weg beispielsweise der Militärdienstpflicht entziehen», sagte sie gegenüber der «Aargauer Zeitung».
Nun hat sie im Nationalrat einen Vorstoss eingereicht. Sie fordert, dass nur Intersexuelle ihr Geschlecht auf dem Zivilstandsamt anpassen dürfen, also nur Menschen, bei denen das Geschlecht biologisch mehrdeutig ist. Transmenschen dagegen, bei denen die körperlichen Merkmale in der Regel klar sind, sollen weiterhin zum Richter.
Das ist nur liberal. Oder nicht? Der persönliche Slogan von Verena Herzog lautet: «Sicherheit. Freiheit. Sicher mit Verena Herzog.» Sicherheit übertrumpft Freiheit. In diesem Fall sicher richtig: Johannes wäre bestimmt nicht der Einzige, der im Falle einer Liberalisierung seinen Johannes abgeben täte. Man stelle sich all die Männer vor, die ihr Geschlecht anpassen würden, um endlich Teilzeit arbeiten zu dürfen.
Und auch von Johanna geht Gefahr aus. Die TagesWoche hat plausible Szenarien durchgespielt:
Frauen mit krimineller Energie könnten ihr Geschlecht ändern, um
- eine Karriere in der SVP machen zu können;
- endlich mal rumvögeln zu können, ohne als Schlampe zu gelten;
- Chef zu werden und einen Haufen Kohle machen zu können;
- auf ihren Orgasmus als Selbstverständlichkeit zu bestehen, statt ihn höchstens als Supplement zu bekommen;
- trotz Altersfalten und Bierbauch noch eine Jüngere abzubekommen;
- nach der Heirat weiterhin ihr Steuerkonto zu behalten und nicht automatisch in die Steuererklärung ihrer Männer als Zweitverdiener integriert zu werden.
Der letzte Punkt droht in Basel-Stadt übrigens ohnehin bald Realität zu werden, wenn es nach Grossrätin Barbara Heer geht. Die Sozialdemokratin plant, eine schriftliche Anfrage einzureichen. Titel: «Gleichbehandlung der Geschlechter in der Steuererklärung von verheirateten Paaren.»
In Zukunft sollen die Steuerkonti der Frauen nach der Hochzeit nicht automatisch auf Eis gelegt werden. Vielmehr sollen Nachnamen und Alphabet entscheiden, welche Steuernummer das Ehepaar beibehält, so wie das bei lesbischen und schwulen Paaren der Fall ist.
Es ist wirklich gut, dass die SVP solchen Szenarien frühzeitig einen Riegel schiebt.