Baby Fopp kann schon länger «Gopferdammi» sagen. Und jetzt, endlich, hat sie auch das F-Wort entdeckt – das macht Mama unglaublich stolz.
Vor etwa einem halben Jahr höre ich Baby Fopp einen Stock tiefer singen. Mein Partner ruft mir zu: «Hörst du, was sie singt?» Ich lausche: «Gopferdammi, Gopferdammi, Gopferstüdali», kommt es aus ihrem Mund.
Ein warmes Gefühl breitet sich in mir aus: Stolz. Baby Fopp ist zu diesem Zeitpunkt erst 18 Monate alt – und kann schon fluchen wie Mama.
Dann, letzte Woche, ein neuer Durchbruch in der Küche: Ich will Kaffee machen und drücke den Filter der Maschine zu schnell runter, sodass mir heisser Kaffee ins Gesicht, auf Wand und Boden spritzt. Ich sage, was sich in solchen Momenten geziemt: «Fuck, fuck, fuck.» Und da kommt es, das Echo von Baby Fopp: «Fuck, fuck, fuck.» Es ist das erste Mal, dass sie das F-Wort sagt. Wow! Hätte ich doch nur das Telefon in der Hand gehabt, um diesen erinnerungswürdigen Moment auf Video zu bannen.
Morgestraich und Joggeli sind nix gegen Schlagerparade und Eishalle
Der Kommentar des Kindsvaters: «Das ist dein Werk.» Darauf kann ich nur antworten: «Fuck yeah!» So gehört es sich auch für das Kind einer Bündnerin, gopf. Er kann das natürlich nicht verstehen. Er musste als Kind vielleicht unangenehme Erfahrungen wie den Morgestraich oder FCB-Spiele verdauen, aber das ist nichts im Vergleich zur unwirschen Welt von Schlagerparade und Eishalle, in die ein Churer Kind geworfen wird. Da braucht es schon härteres Vokabular, um die Emotionen, die das auslöst, präzis ausdrücken und verarbeiten zu können.
Ratgeber scheinen da anderer Meinung zu sein. Auf dem Mütterportal «Swissmom» steht: «Schimpfen Ihre Kinder bei jedem Missgeschick, sollten Sie darauf reagieren und Alternativen aufzeigen.»
Man ist schliesslich eloquent
Nur: Welche Alternativen?
Soll ich etwa auf Weichspülwörter wie «Scheibenkleister» für «Scheisse» (das kennt Baby Fopp auch schon) oder auf Englisch «Shoot» für «Shit» ausweichen?
Das würde ich vielleicht sogar, wenn es genug davon gäbe. Man ist ja beredt, um nicht zu sagen: eloquent – da hat man ein reiches Repertoire möglicher Begriffe, um der Komplexität der Realität gerecht zu werden.
So steigere ich die Kraft der Kraftausdrücke exponentiell, entsprechend der Nervigkeit der Situation. Beginnt es etwa gerade zu regnen, wenn ich aus dem Haus will, benutze ich ein sanftes «Saich.» Lese ich einen schlecht recherchierten Artikel, drängt sich «Bullshit» auf. Und Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, etwa das erwähnte Kaffeeverspritzen oder das Gebären, erfordern schlichtweg ein prägnantes «Fuck». Oder mehrere.
Alles eine Frage der Bindung
Heureka, mir fällt grad ein Zwanziger runter! Kein Wunder, entdeckt mein Kind schon im zarten Alter die Schönheit des Fluchens, schliesslich hörte sie mich das F-Wort sagen, noch bevor sie das Licht des Bethesdaspitals erblickte. Gefolgt von einem: «Komm zu mir, ich bin deine Mama und du bist mein Kind.»
Man tut halt, was man kann, um von Geburt an eine Bindung zum Kind aufzubauen. Tenniseltern legen ihrem Kind ein Racket in den Stubenwagen, Eiskunstmütter Schlittschuhe, und ich, eben, gebe meinem Kind ein schönes Fluchwort auf den Weg.
Sie finden Sport besser für ein Neugeborenes?
Ja, ja, heutzutage weiss jeder: Sport bewahrt die Menschen vor allem: vor dem Absturz in die Drogen, vor Depressionen und vor dem Tod.
Der Moral zuliebe
Aber, was Sie vielleicht noch nicht wussten: Fürs Fluchen gibt es gute Argumente, und zwar moralischer Art und erst noch wissenschaftlich fundiert. Wer flucht, lügt weniger. Das zeigt eine neue psychologische Übersichtsstudie. Versuchspersonen, die besonders viele Fluchwörter kannten, schnitten in einem anschliessenden Lügendetektor-Test besonders gut ab.
Baby Fopp kennt erst drei Fluchwörter, sie hat also noch einen weiten Weg vor sich. Richtig zufrieden bin ich erst, wenn es «huara» sagt, und zwar mit breitem a, wie es sich gehört für den Nachwuchs einer Churerin. Dann weiss ich: Das ist wahrlich meine Tochter.
Pädagogen geben mir Schützenhilfe. Die Kinderpsychologin Colette Heinemann sagte in einem Interview mit «Wir Eltern», Fluchen könne gesund sein, beispielsweise, wenn der Legoturm zusammenkracht: «Geht es darum, negative Emotionen über die Sprache zu kanalisieren, ist das nicht nur in Ordnung, sondern verhindert, dass Wut und Ärger körperlich ausgedrückt werden.»
Meine Tochter macht also alles richtig. Ich bin so eine gute Mutter.
Der Alltag bietet manch Ärgernis, aber auch manche Freude. Diese beschreiben wir möglichst lebensnah und manchmal auch mit einem 😉 versehen in unserer Rubrik «Wahnsinn Alltag!» Und machen – wos nötig ist – den Faktencheck.