Das Drummeli 2014 überzeugt durch eine stringente Choreografie, viele originelle Ansätze und den Mut, auch neue Elemente, wie Poetry Slam, einzubauen. Da ist man durchaus bereit, über Durchhänger hinwegzusehen.
Dass man nicht schon viel früher auf die Idee gekommen ist: Poetry Slam und (Vor-)Fasnacht ist eine Liaison, die aufs Beste funktioniert, und von der man nur sehr hoffen kann, dass sie eine Zukunft hat, dass sie sich neben Schnitzelbänken quasi als Spoken Fasnachtszeedel etablieren kann. Natürlich nur, wenn sie in solch einnehmender Art daherhommt, wie sie Laurin Buser dargeboten hat.
Die beiden Auftritte des jungen Basler Poetry-Slammer gehörten – ach was – waren die Höhepunkte am diesjährigen Drummeli (das ganz allgemein bewiesen hat, dass die alte Dame der Vorfasnachtsveranstaltung trotz Überlänge noch immer oder wieder Höhepunkt des Vorfasnachtsreigens ist). Buser mauserte sich mit seinen beiden Nummern, einer Tirade und gleichzeitig Liebesbezeugung an den Vortrab und vor allem der tragikomischen und zwischen den Zeilen bissig politischen Lebensgeschichte einer Waggiswagen-Orange (missbraucht von den besoffenen Männern mit den grossen Nasen) zum Publikumsliebling.
Ein monströses Konzert
Eigentlich ist das Drummeli ja ein Unding und trägt den Zusatz Monstre-Trommelkonzert zurecht – also den Begriff Monstre oder Monster und nicht unbedingt Trommelkonzert, denn ein Trommelsolo wurde in diesem Jahr keines geboten. 19 Stammcliquen, 2 Guggen und 2 Schnitzelbänke müssen ins Programm reingepresst werden, unterbrochen von fast ebenso vielen Raamestiggli. Das hat zur Folge, dass der Abend mit über drei Stunden beinahe schon wagnerianische Ausmasse bekommt.
Nun, die oben beschriebene Aufzählung stimmt dieses Jahr nicht ganz. Denn eine Stammclique, genauer die Olympia, trat nicht mit Trommeln und Piccolos auf, sondern mit Pauken und Trompeten. Die Olymper fetzten ein 1970er-Jahre-Medley auf die Bühne, das manch eine richtige Guggemuusig in Verlegenheit bringen könnte. Selbst mit den beiden traditionellen Guggen, die am diejährigen Drummeli auf dem Programm standen, Mohrekopf, die ihrern 50. Geburtstag feiern konnten, und Ohregribler, konnten die schränzenden Trommler und Pfeifer gut mithalten.
Das Basler Leben – eine Baustelle
Zusammengehalten wird das Ganze durch einen Spiel-Rahmen (früher waren dies einzelne, nicht zusammenhängende Raamestiggli), die nach dem Prinzip von Running Gags den Abend beschwingt und pointenreich in Fluss halten. Da ist zum einen die Baustelle bzw, die Baustellen, die als Gesamtrahmen aufgebaut werden und Platz bieten für eine reichlich gefütterte Gesamtrückschau auf das an ausspielbaren Themen wahrhaft nicht armen Basler bzw. regionale Jahr. Mit Heidi Digelmann, Suzanne Thommen, Susanne Hueber, Marcel Mundschin, Hugo Buser und Kurt Walter hatte Regisseurin Bettina Dieterle ein überaus lustvoll aufspielendes Ensemble zur Verfügung.
Da ist aber auch der tänzelnde Pierrot (der X mal vergeblich zum poetisch-sentimentalen Fasnachtsprolog anzusetzen versucht und dabei immer wieder gestört wird (u.a. durch eine wunderbare Persiflage des unsäglichen Baselbieter Blut- und Boden-Heimatlieds vom Musicaltheater-Urphantom Florian Schneider). Da sind die beiden Baustellen-Machos, die ältere Cliquen-Hopperin, die Velokurierin mit ihrer Revolverschnauze oder die wunderbare Züri-Schnörre, die immer wieder auftauchen und alle dem Rahmen ihre ureigenen Facetten verleihen.
Mann-Frau-Rollenkampf
Was auf originelle Art immer wieder als Thema auftaucht, ist das Mann-Frau-Verhältnis. Etwa im Monolog «Frau sy hüttzedaags», der die Erwartungshaltung an die Vorzeige-Frau von der Multiple-Orgasmus-Garantin bis zum Doktor (nicht als Verhältnis, sondern als Titel) aufs Korn nahm. Oder in der mit vielen überraschenden Pointen bespickten Interpretation von Herbert Grönemeyers Oldie «Männer» (die u.a. alle Honorare für sich selber behalten). Als amüsante Umkehrung der urfasnächtlichen Basel-Zürich-Giftelei präsentierte sich die wiederbelebte traditionelle Balkonszene, die einer Zürcherin die Gelegenheit gibt, über die Basler Läggerli-Chauvinisten herzuziehen.
Ganz schön ihr Fett weg bekam an mehreren Stellen sowohl im Spiel-Rahmen als auch bei den Schnitzelbängg die «Basler Zeitung», so dass man als Vertreter der TagesWoche beinahe ein bisschen neidisch werden konnte – hat man doch auch selber für eine pikante Vorlage gesorgt, die aber unerwähnt blieb.
Schnitzelbängg
Als Schnitzelbängg mit dabei sind dieses Jahr Dr Spitzbueb und d Schlyffstai. Dabei hatte ersterer mit seinen Kürzestversen einen nicht einfachen Stand gegen die zweiten, die mit wunderbar dreistimmig, zu unterschiedlichen Evergreen-Melodien vorgetragenen und mit schönen Zwischenpointen versehenen Vers-Liedern das Publikum begeisterten. Ein Vers bzw. Lied zum Nachhören gibt es hier:
Stammcliquen mit vielen traditionellen Märschen
Und da sind natürlich die Auftritte der Stammcliquen mit geschätzten 600 Mitwirkenden auf der Bühne. Uraufführungen gab es dieses Jahr, sieht man vom James-Bond-Melodien-Medley des Central Club Basel, der Interpretation der Ouverture von Gioacchino Rossinis Oper «Guillaume Tell» in der Schlacht-zu-Morgarten-Geschichtsstunde der Aagfrässene oder von der Star Wars-Suite der Basler Bebbi einmal ab, nur eine: die Naarebaschi mit dem Naareschiff. Alle diese vier Cliquen schmückten ihre Auftritte mit aufwändigen Hintergrundbildern und/oder originellen Textpassagen, wobei diejenige der Basler Bebbi besonders hervorstach. Unter anderem mit der Textpassage: «Ein Bankrat wäscht den andern, und der Regierungsrat wäscht am Freitag …»
Während die Seibi mit dem Fritzli und die Opti-Mischte mit der Brantgass Rag (mit neuem Trommeltext) mit neueren Märschen zeigen konnten, dass sie musikalisch zu den Spitzenformationen an der Basler Fasnacht gehören, hatten viele Cliquen für ihre Auftritte traditionelle Märsche gewählt. Etwa die Trommler und Pfeifer des Dupf-Clubs, die sich mit dem Rossignol in ausladende Schwankungen bringen liessen. Oder die Wiehlmys, die sich mit verschiedenen freien Gruppen, namentlich den Déja Vü, den Muschgetnüssli, Pfyfferling Lieschtel, ein paar AGB-Mitgliedern und der Tambourengruppe Frauenhilfswerk 1833 nach einem fröhlichen fasnachtschaotischen Auftakt zum Arabi zusammenschlossen.