Eine Hommage an den Lachs, Zoff im Steinenbachgässlein, Hinterhöfe im Gotthelf und tierische Geheimpfade in Riehen: Der Spaziergang durch Basels wenig beachtete Gassen und Wege geht in die dritte Runde.
Mal abseits der ausgetretenen Pfade spazieren? Kein Problem. Ein paar verborgene Juwelen in der Altstadt haben wir bereits präsentiert. Anschliessend haben wir Sie auf Schleichwegen durch Quartiere wie Kleinhüningen und Bruderholz geführt. Dabei gibts noch weitere wenig bekannte Gassen. Also nichts wie los zu einem dritten Stadtspaziergang durch seltsame Gefilde.
Das Salmgässli
Sehenswerte Graffitiwände mit Gnomen sowie ein Lachs bereichern hier den etwas düsteren Durchgang. Der Servitutsweg zwischen Lehenmatt- und Birsstrasse gewährt Einblick in die versteckten Gärten. Lange blieb er ohne Namen. Das änderte sich vor rund zehn Jahren dank Hans-Martin Dunkel (1928–2014), der sich auch als Gründer des Kleiderbügelmuseums einen Namen gemacht hat. Er ergriff die Initiative für die Taufe zum Salmgässli und stiftete auch das schöne Strassenschild mit dem Fisch. 2007 wurde die Gasse mit Piccolos der Zunft zu Fischern eingepfiffen.
Ein Graffiti-Tunnel, dessen Namen an das einst reichhaltige Fischvorkommen in Basel erinnert. Das Salmgässli ist aber nicht zu verwechseln mit dem Salmenweg. (Bild: Michel Schultheiss)
Die Namenswahl war naheliegend – schliesslich sind die meisten Strassen in nächster Umgebung ebenfalls fischig: Hecht, Karpfen, Nase und Forelle sind im Breite-Quartier ebenfalls verewigt. Einst gab es sogar ein Nasenbächlein, eine Ableitung des St. Albanteichs zur Birs, das bis etwa 1920 bestand. Die Anwohner wollten hier einen weiteren Wasserbewohner zu Ehren kommen lassen, der in der Basler Küche einst eine wichtige Rolle spielte. Der Lachs, der sich die Flüsse hinauf zu seinen Laichgebieten begab, war (in diesem Stadium hier besser bekannt als Salm) einst ein verbreiteter Speisefisch.
Nicht zu verwechseln ist die Passage in der Breite mit dem seit 1896 benannten Salmenweg in Kleinhüningen. An beiden Orten spielte jedenfalls der Fischfang eine wichtige Rolle. Wer weiss: Vielleicht schickte der Gassenname schon mal die allmähliche Rückkehr des Lachses in die hiesigen Gewässer voraus.
Das Steinenbachgässlein
Eigentlich gehört es nicht wirklich in diese Aufzählung. Das Gässlein gleich neben der Ausgehmeile ist schliesslich in Basel alles andere als unbekannt. Einst verlief es entlang des Steinen- oder Rümelinbachs, einem Kanal, der im Mittelalter vom Birsig abgeleitet wurde. Heute ist die Bezeichnung «Bronx» für die etwas zwielichtige Gasse geläufig. Sie hat sich sowohl für das Nachtschwärmerlokal an der Ecke (die ehemalige Bronx-Bar) wie manchmal auch für die berüchtigte Gasse als Parallelname durchgesetzt.
Einst eine Graffiti-Hochburg, doch im Jahr 2012 von der Stadtreinigung geschrubbt: Das Steinenbachgässlein glänzt heute mit Wandmalereien. Früher kam es hier manchmal zu einem Verkehrschaos. (Bild: Michel Schultheiss)
Was heute aber weniger gut vorstellbar ist: Einst zwängten sich Autos und sogar Lastwagen durch das Nadelöhr – und sorgten dabei immer wieder für Chaos. Ein Gang ins Archiv gibt Aufschluss: 1936 beschwerte sich etwa ein Taxichauffeur bei der Polizei. Eine Frau Huber soll mit ihrem Fahrzeug beim Kohlenberg für rote Köpfe gesorgt haben: «Da es verboten ist, von dieser Seite in diese Strasse zu fahren und ich von einer diesbezüglichen Ausnahmebewilligung nicht wusste, ferner die Fahrerin undeutliche Zeichen gab (mit dem Arm statt mit der Hand), konnte ich nicht wissen, dass die Huber nach dem Steinenbachgässlein fahren wollte.»
Anscheinend hatte die Lenkerin damit für Verwirrung in der Einbahnstrasse gesorgt. Nicht nur das gab Ärger. Im gleichen Jahr gabs auch Nachtpatrouillen des Lohnhofs mit speziellen Kontrollen. Grund dafür waren Fussballspiele im Steinenbachgässlein.
Auch abgestellte Velos sorgten bereits vor über 70 Jahren für Zündstoff. 1945 beschwerte sich ein Lastwagenfahrer, dass er jedes Mal bis zu acht Fahrräder wegstellen müsse, wenn er ins Steinenbachgässlein einfahren wolle. Als dann ein paar Jahre später viele Arbeiter aus benachbarten Firmen mit bis zu 20 Velos die Gasse versperrten, wurde es den Behörden zu bunt: 1951 erliess die Polizei ein Stationierungsverbot für Velos. Zudem verbarrikadierten immer wieder Handkarren von Markthändlern ohne Allmendbewilligung den Durchgang. Auch 1968 kam es zu Reklamationen aus der Gasse: Eine Anwohnerin klagte über Autos, die ihre Haustür blockierten und über zugeschlagene Autotüren in den Wochenendnächten.
Die Zeiten haben sich geändert. Einst muss es mit Fussball, Velos und Autos hier hitzig zu- und hergegangen sein. Heute verschlägt es – trotz zentraler Lage – oft nur ein paar wenige Seelen in die berüchtigte Basler «Bronx».
Im Zimmerhof
Grüne Fensterläden und Hinterhofgärten: Die etwas versteckte Sackgasse im Gotthelf-Quartier mag heute idyllisch aussehen. Als die Überbauung 1925 bei der Thannerstrasse geplant wurde, stiess das aber nicht nur auf Begeisterung. Der Kantonsingenieur hatte damals Bedenken und äusserte sich ziemlich pointiert: «Denn wenn man denkt, dass ringsum eingeschlossen 22 Häuser auf dem engen Raum entstehen sollten, d.h. eine entsprechend grosse Anzahl von Menschen in dieses Loch eingepfercht würden, wo sie ihr Leben fristen müssen, so ist das vom volksgesundheitlichen Standpunkt aus gewiss nicht von Gutem.» Er fügte aber an, dass es leider keine gesetzlichen Vorschriften gebe, um «eine solche Bauerei zu verhüten».
Eine malerische Sackgasse im Gotthelf-Quartier: Im Zimmerhof stand einst eine Bauschreinerei. (Bild: Michel Schultheiss)
Ein Jahr später wurden die Bau- und Strassenlinien genehmigt. Der Vorsteher des Baudepartements schlug für die neue Stichstrasse den bis heute geltenden Namen vor, da sie im «ehemaligen Plattner’schen Zimmerhof» liegt. Was damit gemeint ist: Laut Basler Namenbuch wird auf einem sogenannten Zimmerplatz das Bauholz zugeschnitten. Ein eingezäuntes Areal dieser Art wird Zimmerhof genannt. Bei der Bauschreinerei von Baumeister Plattner gab es im 19. Jahrhundert so einen Ort – woran der heutige Name noch erinnert.
Bärenwegli und Hufeisengässchen
Auch Riehen hat etwas zu bieten. Wie der dörfliche Charakter vermuten lässt, gibt es zwar nicht so viele Gassen, wohl aber so manche Schleichwege durchs Grüne.
Zu den schönsten gehören etwa das Gstäder- und Mooswegli oder der Niederholzrainweg – alles Trampelpfade, die sich an Abhängen zwischen den Gärten hindurchschlängeln. Einer, der sich bis zuletzt darum bemühte, dass auch jedes noch so winzige Weglein einen originellen Namen bekommt, war der Historiker Michael Raith (1944–2005). Posthum wurden viele Ideen des einstigen Präsidenten der Nomenklaturkommission umgesetzt. Ein improvisierter Pfad beim Ausserberg verwandelte sich etwa (zu Ehren eines Bettinger Autonomie-Verfechters) in ein Eliaswegli.
Meister Petz trollte hier wohl nie durch. Wohl aber ist der Weg in Riehen nach einer einstigen Firma Bär benannt. (Bild: Michel Schultheiss)
In Riehen fallen besonders die tierischen Namen auf. In der Nähe zur Lörracher Grenze führt etwa eine Glastür zu einem Gässlein, das sich durch einen Innenhof zieht. Es ist als Bärenwegli beschildert. Auf dem Areal war nämlich einst die Metallbaufirma Vohland & Bär präsent. Bei der Bosenhalde gibts offiziell einen Fuchsweg. Dieser blieb jedoch eine Planungsleiche. Auch ein Hasenweg gleich nebenan kam bis jetzt offiziell nicht zustande.
Lange Zeit ein unbenannter Schleichweg, doch seit wenigen Jahren nach einem Bettinger Politiker benannt: das Eliaswegli am Riehener Ausserberg. (Bild: Michel Schultheiss)
Ein kleiner Durchgang zwischen der Rössli- und Wendelinsgasse wurde zudem einmal beinahe Silbergässchen getauft. Die edle Bezeichnung für das unscheinbare Gässlein wäre ironisch gemeint gewesen. Dieser Witz kam bei der Nomenklaturkommission dann doch nicht so gut an. Schliesslich setzte sich der Name Hufeisengässchen durch. Er erinnert noch heute daran, dass dort bei der Schmiede Lemmenmeier noch bis vor ein paar Jahren Pferde beschlagen wurden.
Noch ein paar Namenlose
Das ist längst nicht alles. Ein paar Trampelpfade haben keine Namen. Das wird voraussichtlich so bleiben, da es sich grösstenteils um Privatwege und Verbindungen auf Industriearealen handelt. Man denke etwa an den «Geheimgang» in Kleinhüningen, der von einer Unterführung aus zum Hafenbecken 2 führt.
Auch im Bachletten- und Gotthelf-Quartier gibt es jede Menge versteckte Weglein. Fündig wird man etwa entlang der Elsässerbahn. Ein ganzes Labyrinth lässt sich bei der Pilatusstrasse ausmachen. In den Zwanzigerjahren schossen dort mehrere Wohngenossenschaften aus dem Boden. Die Gärten zwischen den Gebäuden sind dort sehr grosszügig gestaltet, was eine Vielzahl von Pfaden durch das Areal ermöglichte.
Hinterhof-Idylle zwischen Göschenen- und General Guisan-Strasse. (Bild: Michel Schultheiss)
Einer der schönsten dieser «Dschungelpfade» liegt im Neubad. Der Servitutsweg führt von der General Guisan- zur Göschenenstrasse. Vorbei an Baumhütten und allerlei anderen improvisierten Gartenbauten wähnt man sich hier fast auf einem Robi-Spielplatz.