In Zukunft werden serienreife Sexroboter auf den Markt kommen. Die Maschinen sollen Prostitution überflüssig machen. Ihr Einsatz ist allerdings ethisch umstritten.
Ein Sex-Festival an der Uni? Klingt wie ein Revival von 1968. Konservative Briten waren nicht «amused», als vor wenigen Wochen der Kongress «Love and Sex with Robots» ausgetragen wurde, eine der ersten wissenschaftlichen Konferenzen über Sexroboter. Ursprünglich sollte die Veranstaltung bereits im November 2015 in Malaysia stattfinden, wo sie allerdings von den Behörden mit Rücksicht auf die islamische Tradition des Landes verboten wurde.
Nun also diskutierten Soziologen und Programmierer in den Hörsälen in einem armseligen Hinterhof der Weltstadt über die Zukunft des Sexuallebens. Der KI-Forscher Daniel Levy, einstiger Schachgrossmeister und Autor des Buchs «Love and Sex with Robots», prophezeite, dass bis 2050 der erste Mensch einen Sexroboter ehelicht. Man könnte es für einen Witz halten, doch die Roboterisierung hat längst auch das Liebesleben erreicht.
Personalisierte Schamhaare
Die Pornoindustrie investiert Millionen in vernetzte Sexspielzeuge und Virtual-Reality-Filmchen, der nächste Schritt sind humanoide Roboterfrauen, sogenannte Fembots. Die US-Firma True Companion hat einen Sexbot namens Roxxxy entwickelt, der jeden Wunsch des Besitzers erfüllt. Sie kann zuhören, reden, Berührungen spüren, «in Stimmung kommen» und Lust auf Sex haben. Der mit Gummi umhüllte Computer ist mit Berührungssensoren und einer vibrierenden Vagina ausgestattet.
«Sie saugt zwar nicht und kocht nicht, aber sie macht fast alles andere», sagte Entwickler Douglas Hines von der Herstellerfirma True Companion. Roxxxy sieht auf den ersten Blick aus wie eine aufwendig geformte Gummipuppe, mit vollen Lippen, laszivem Blick und Reizwäsche. Ihr Aussehen lässt sich personalisieren, von der Augen- und Haarfarbe bis zu Schamhaaren, ihre Persönlichkeit programmieren: abenteuerlustig («Wild Wendy»), zurückhaltend («Frigid Farrah») oder lernwillig («Young Yoko»). Frei wählbar, wie das Menü in einem Restaurant.
Roxxxy kann sogar Konversationen über Fussball führen. Für 6695 Dollar ist Roxxxy auf dem britischen Markt erhältlich, es soll mehrere Tausend Vorbestellungen gegeben haben. Die kalifornische Firma RealDolls will demnächst eine mit künstlicher Intelligenz erweiterte Liebespuppe auf den Markt bringen. Sexroboter haben das Versprechen, Prostitution überflüssig und das Zusammenleben humaner zu machen. Die Maschinen stehen rund um die Uhr zur Verfügung. In Sextourismus-Destinationen wie Thailand oder den Philippinen müssten sich junge Mädchen, die nur noch Nummern und keine Menschen mehr sind, Freiern nicht mehr als Sexsklaven hingeben.
Spielzeug für Pädophile
Doch der Einsatz von Sexrobotern ist ethisch umstritten. Mehrere Wissenschaftler haben die «Kampagne gegen Sexroboter» initiiert und fordern ähnlich wie bei Kampfrobotern ein Entwicklungsverbot, weil es Frauen zum Objekt der Verfügbarkeit degradiere und ein Bild von Prostituierten als Roboter evoziere. Die Ethikerin Eleanor Hancock schreibt: «Wenn wir annehmen, dass wir Menschen in der Prostitution mit Robotern ersetzen können, ist es mitnichten unlogisch, dass Frauen in der Prostitution in mancher Hinsicht wie Roboter sind.»
Verstärken Sexroboter Stereotype oder helfen sie der Emanzipation? Der Maschinenethiker Oliver Bendel, der an der Fachhochschule Nordwestschweiz lehrt, sagt: «Sexroboter können für manche Menschen eine Bereicherung sein, einen Teil ihres guten Lebens ausmachen, nach dem die Ethik fragt. Die meisten Menschen werden sie abstossend finden. Und das dürfen sie auch.» Die Gesellschaft müsse einen Weg finden, diejenigen Menschen, die sich mit einem Sexroboter vergnügen, in Frieden leben zu lassen.
Es liege in der Natur von Sexspielzeugen, dass Personen oder Körperteile reduziert und zum Objekt gemacht würden. «Dildos reduzieren den Mann auf sein bestes Stück. Darüber regt sich niemand auf. Vielleicht ist aber die Reduktion bei Sexrobotern und Liebespuppen gerade deshalb eine besondere, weil die ganze Person abgebildet wird», konstatiert Bendel.
Ein heikles Thema sind Sexroboter und Liebespuppen, die Kindern gleichen. Darf es die Gesellschaft zulassen, dass nach Kindern und Tieren modellierte Roboter in Verkehr gebracht werden, an denen Pädophile respektive Zoophile ihre Fantasie ausleben? Das japanische Unternehmen Trottla hat bereits mit der Produktion solcher Kinder-Sexroboter («Pädobots») begonnen. Der US-Robotik-Forscher Ronald C. Arkin will Pädophile gar mit Sexrobotern therapieren, was als ethisch hoch umstritten gilt.
Simulierte Gefühle
Maschinenethiker Bendel sagt: «Mediziner und Psychologen müssen entscheiden, ob solche Roboter in Therapien eingesetzt werden oder auch einfach nur der Triebabfuhr dienen können – und so Kinder geschützt werden können. Ich bin dagegen, Kindroboter und Kindpuppen zu ‹normalisieren›, sie in Einrichtungen aller Art zum Gebrauchsgegenstand werden zu lassen.» Man müsse auch bedenken, dass ein Einüben an solchen Robotern und Puppen eine Gewöhnung verursachen könne. «Es ist nicht nur ein passives Konsumieren, es ist ein aktives Penetrieren. Das könnte Gefahren mit sich bringen.» Unter Aufsicht könne ein Einsatz aber durchaus Sinn ergeben, ist Bendel überzeugt.
Der Maschinenethiker denkt, dass Sexroboter eine Nische bleiben werden. «Vibratoren und Dildos kann man verbergen, und wenn man offen ist, kann man auch unter Freundinnen und Freunden darüber sprechen. Aber dass man seinen Sexroboter den Freunden vorstellt, wenn diese zu Besuch sind? Und sagt, das ist Joyce, wir sind seit sechs Monaten zusammen? Das ist schwer vorstellbar.» Und wie sieht es mit der Eheschliessung aus? «Wir werden sicherlich Beziehungen mit Sexrobotern eingehen, die aber einseitig sind», so Bendel. «Eine Eheschliessung ist noch eine spezielle Sache. Damit werden ja auch Rechte und Pflichten festgelegt. Solche sehe ich auf der Seite des Roboters im Moment nicht.»
Können Maschinen «zurücklieben»? «Maschinen haben keine Gefühle, übrigens auch keine Empfindungs- und Leidensfähigkeit», sagt Bendel. Menschliche Gefühle können sie schon gar nicht entwickeln. Liebe und Hass seien ihnen fremd. Maschinen könnten Gefühle nur simulieren. «Wir können sie lieben, aber sie uns nicht.» Diese Einseitigkeit gibt es übrigens auch unter Menschen.