Scherereien auf Top-Niveau

In der Haute Coiffure zählen die Schweizer Haarkünstler seit Generationen zur absoluten Weltklasse.

Schon vor Jahrzehnten, wie hier im Oktober 1960 in der Mustermesse, zeigten die Schweizer Figaros wie Henri Eckert aus Bern (auf dem Podium zweiter von links), ihr Talent. (Bild: Kurt Wyss)

In der Haute Coiffure zählen die Schweizer Haarkünstler seit Generationen zur absoluten Weltklasse.

Haute Coiffure was Haute Couture: Gemessen an Aufwand, Haltbarkeit und Tragkomfort mögen ihre Kreationen nicht über ein paar mehr oder minder süffisante Anfechtungen hoffnungsloser, vorwiegend männlicher Banausen erhaben sein. Unbestritten aber bleibt der hohe künstlerische Anspruch der «Werke», mit denen qualifizierte Hair-Stylisten in futuristischem Wettstreit vor einem erlesenen Fachpublikum um Titel und Meisterehren buhlen.

Wo blonde Wellen wogen und schwarze Locken locken, sind regelmässig auch unsere helvetischen Figaros an vorderster Front dabei. Gerade eben hat ein Schweizer Coiffeur-Team an den Hairdressing-Weltmeisterschaften in Mailand zwei Goldmedaillen nach Hause gebracht. Mit dabei der 21-jährige Martin Dürrenmatt aus Muttenz, der in der Kategorie «Trend Cut» den Einzelwettbewerb gewann und zusammen mit dem Nationalteam in der Sparte «Evening Fashion und Trend Cut kombiniert» triumphierte.

Der Mann mit dem Goldhändchen

In der zur «Nordwestschweiz» mutierten «bz Basel» lüftete der junge Mann mit dem Goldhändchen das lapidare Geheimnis seiner rasanten Berufskarriere: Um auf Spitzenniveau mitzuschneiden, brauche es vor allem hartes Training. Als Vorbereitung auf die WM habe er zwischen 50 und 60 Puppenköpfe geschnitten und frisiert, damit er die geforderten Zeitlimiten problemlos erfüllen konnte. Er habe diese Herausforderung jedoch nie als Last, sondern als guten Ausgleich zu seiner Alltagsarbeit empfunden.

Schweizer Berufsleute, die ihr Handwerk meisterlich beherrschen und dies in sportlichem Wettkampf auf höchster Ebene immer wieder beweisen, gibt es erstaunlich viele. Mit Talent, positiver Einstellung und einer gesunden Portion Ehrgeiz haben sie wie Martin Dürrenmatt bewundernswerte Leistungen vollbracht. Ohne sich dabei voll und ganz auf ihr berufliches Zusatz-Hobby konzentrieren zu können. Ohne Traumgagen und ohne Vorankündigung imaginärer Medaillengewinne. Einfach so.

Hairdressing als olympische Disziplin?

Jene Schweizer Sportverbände, die im Nachhinein verzweifelt nach Ausreden suchen müssen, um das Versagen vermeintlich sicherer Sieger schönzureden, könnten daraus etwas ganz Wesentliches lernen. Falls nicht, was leider zu befürchten ist, bliebe allenfalls noch die Möglichkeit, die Einführung von Hairdressing als olympische Disziplin zu fordern, um unser Land im Medaillenspiegel ein paar Ränge vorrücken zu lassen.

Eine kompetente Kommentatorin für die neue Olympia-Sportart liesse sich beim Schweizer Fernsehen bestimmt finden. Wenn sich Steffi Buchli auch noch als Modell zur Verfügung stellen würde, wäre sie mit Sicherheit hautnah dabei, statt haarscharf daneben.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 26.10.12

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