Die Sekte lädt die islamische Gemeinschaft Ahmadiyya nach Basel ein. Diese ungewöhnliche Zusammenarbeit führte zu einem Schlagabtausch zwischen einem CVP-Mitglied und Scientology. Für Aufsehen sorgte auch ein Artikel im jüdischen Magazin «Tachles».
Ein Flyer, der kürzlich in manchen Basler Briefkästen landete, sorgt für Aufregung: Scientology lädt zu einer «interreligiösen Sonntagsandacht» ein. Dabei wird der Imam der Mahmud-Moschee in Zürich angekündigt. Eine Ausstellung über den Islam sowie eine Diskussion über die Menschenrechte stehen in der «Ideal Org» an der Burgfelderstrasse auf dem Programm.
Scientology-Pressesprecherin Annette Löffler bestätigt das Vorhaben. Dabei hält sie fest, dass solche Events keine Neuigkeit seien: «Die Scientology-Kirche Basel ist bereits seit Jahren in Kontakt mit verschiedenen Religionsgemeinschaften.» Die Organisation habe daher schon regelmässig interreligiöse Dialogveranstaltungen organisiert.
In der Tat ist der Kontakt mit muslimischen Vertretern keine Premiere: Schon vor einem Jahr, bei der Eröffnung des Zentrums war dies der Fall. Ayhan Seker, Vizepräsident der Basler Muslim Kommission, trat dort – ganz zur Verwunderung des «Runden Tischs der Religionen» – als Redner auf.
Diesmal geht es jedoch um eine andere Gruppierung, die Ahmadiyya. Diese missionierende Glaubensgemeinschaft eröffnete in Zürich 1963 die erste Schweizer Moschee. Die Anzahl Mitglieder der «Ahmadiyya Muslim Jamaat Schweiz» wird vom Portal Inforel mit 850 Personen angegeben. In vielen Ländern hat sie keinen einfachen Stand. Besonders in Pakistan wird sie als Minderheit erbittert verfolgt.
Ahmadiyya sieht den Anlass als Missionsmöglichkeit
Walid Tarnutzer, Präsident der Ahmadiyya in der Schweiz, ist der Anlass in Basel bekannt, er selbst hat aber damit nichts zu tun. Er beschreibt seine Glaubensgemeinschaft generell als «sehr offen» für interreligiöse Dialoge. Was Scientology anbelangt, vertritt er eine neutrale Haltung: «Ich sehe es nicht als problematisch, solange bloss Meinungen ausgetauscht werden», sagt Tarnutzer.
Dabei ist nicht er, sondern eine Unterorganisation auf die Einladung von Scientology eingegangen: Philip Gent aus Schaffhausen, der bei den Ahmadiyya für Aktivitäten der Ü40-Altersgruppe zuständig ist, hat das Angebot aus Basel angenommen. Er sieht darin die Möglichkeit, den Leuten seine Religion näherzubringen: «Wir möchten das wahre Gesicht des Islams, das Frieden, Toleranz und Respekt bedeutet, aufzeigen», sagt Gent. Dabei möchte er Anlässe dieser Art nutzen, um Ängste vor dieser Religion abzubauen.
Der eingeladene Imam nimmt Stellung
Dass Scientology dazu die Plattform gegeben hat, sieht er eher gelassen und pragmatisch: «Wir sprechen dort, wo wir eingeladen werden und nehmen da keine Diskriminierungen vor», sagt Philip Gent. Ihm gehe es dabei weniger um Scientology als um die Botschaft des Islam: «Wir schauen auf die Menschen, egal welcher Organisation sie angehören.»
Imam Tariq von der Mahmud-Moschee, der ebenfalls an diesem Anlass teilnehmen wird, ist hingegen erstaunt über die Einladung. Er hat erst vor einem Monat die Stelle als leitender Imam in der Mahmud-Moschee angetreten, vorher lebte er während über dreissig Jahren in Deutschland, wo er oft mit dem zweifelhaften Ruf von Scientology konfrontiert wurde. «Wir arbeiten eigentlich nicht mit Scientology zusammen», betont Tariq. Wie Philip Gent möchte er aber trotzdem die Chance nutzen, um Missverständnisse über den Islam zu beseitigen.
«Scientology will damit Akzeptanz erarbeiten»
Der Flyer für den Anlass sorgte schon vor ein paar Tagen für Wirbel: Andreas Aste, Physik-Dozent an der Uni Basel und Präsident der CVP Grossbasel-West, hat der Ahmadiyya-Gemeinde eine Mail geschrieben. Diese wurde auch auf der Seite einer Facebook-Gruppe von Scientology-Gegnern veröffentlich. «Es ging mir darum, dem Imam zu sagen, dass meiner Meinung nach Scientology keine gute Anlaufstelle für die Muslime ist», erklärt Aste, der schon lange als Sektenkritiker aktiv ist und mit Aussteigern in Kontakt steht.
Der Annäherung der Sekte an die Religionsgemeinschaften wie etwa Ahmadiyya sieht er mit Sorge entgegen. Seiner Meinung nach ist dabei die Suche nach potenziellen Mitgliedern eher sekundär: «Es geht den Scientologen darum, sich gesellschaftliche Akzeptanz zu erarbeiten und ihren angeblichen Status als Religion zu zementieren», sagt Aste.
Somit sieht er die Offenheit gegenüber den Muslimen eher als Werbetrick: «Das ist eine vordergründige Toleranz, die strategischer Natur ist.» Dabei weist er darauf hin, dass nach den Lehren von L. Ron Hubbard andere Religionen eigentlich keine Berechtigung hätten.
Bizarrer Schlagabtausch zwischen CVP-Vorstandsmitglied und Scientology
Sein Statement führte prompt zu einem merkwürdigen Hickhack mit Annette Löffler: Die Scientology-Öffentlichkeitsbeauftragte wandte sich sogleich via Mail nicht nur an Aste, sondern auch an die Basler CVP-Präsidentin Andrea Strahm sowie an Lilo Roost Vischer, Koordinatorin für Religionsfragen bei der Kantons- und Stadtentwicklung. Dabei wurde auf beiden Seiten mit schweren Geschützen aufgefahren:
Aste schrieb etwa an die Ahmadiyya, sich «nicht für eine Sache Satans missbrauchen» zu lassen. Um seiner Absicht Nachdruck zu verleihen, bediente sich der Wissenschaftler bewusst einer religiösen Terminologie. Löffler erwiderte daraufhin, dass Aste «seine rassistische Meinung gegen Scientology» kundtue, jedoch ausser Acht lasse, dass «Scientology in zahlreichen Ländern als Religion anerkannt» sei. An die Adresse der CVP-Präsidentin forderte sie, «Herrn Aste in seine Schranken weisen» und drohte mit einem Bericht an die «Eidgenössische Kommission gegen Rassismus».
In diesen Reaktionen und im Miteinbeziehen anderer Personen sieht Andreas Aste eine typische Methode der Organisation: «Mit Androhungen und Versuchen, Menschen als unmoralisch zu diskreditieren möchte man Kritiker zum Einknicken bringen», sagt er. Insbesondere den Rassismusvorwurf betrachtet er im Zusammenhang mit einer Organisation wie Scientology als haltlos. «Tatsächlich hat der Kanton Basel-Stadt niemals eine Anerkennung von Scientology als Religion oder religiöse Gemeinschaft gemäss Artikel 126 bis 133 der Kantonsverfassung ausgesprochen», hält er fest.
Liebedienerische Berichterstattung bei «Tachles»?
Die Sekte möchte anscheinend nicht nur bei Muslimen, sondern auch bei anderen Glaubensgemeinschaften mehr Sympathien erhalten. Kürzlich wurde etwa im jüdischen Wochenmagazin «Tachles» ein Artikel veröffentlicht, der in den Kommentarspalten für Stirnrunzeln sorgte. Zwar wird am Schluss auch eine Kritikerin zitiert, doch weite Passagen des Beitrags lesen sich fast wie ein PR-Text.
Dies kommt manchen Stimmen aus der Leserschaft bei einem seriösen Magazin wie «Tachles» merkwürdig vor. Dabei kam laut Scientology die Anfrage von der Zeitschrift aus: «Der Artikel entstand auf Initiative der Journalistin, die uns kontaktierte, um eine Führung durchs Haus zu erhalten», bestätigt Annette Löffler.
Die «Tachles»-Redaktion verteidigt jedoch ihre Entscheidung: «Der Beitrag gehört sozusagen zum Programm in der Auseinandersetzung mit anderen Religions- oder Sektengemeinschaften», heisst es in einer Stellungnahme. Nach Ansicht der Redaktoren setzt sich der Artikel kritisch mit der Sekte auseinander: «Wenn reine Thematisierung schon mit Werbung gleichgesetzt wird, dann liegt das in den Augen der Betrachter.»