Der Verein Frauenstadtrundgang feiert sein 25-jähriges Bestehen. Die Wissenschaftlerinnen und Studentinnen denken aber noch lange nicht ans Aufhören. Und vor Tabuthemen haben sie keine Angst: Nach Sex und Hexen nehmen sie sich bald den Tod vor.
Von der alten Universität am Rheinsprung, oberhalb der Mittleren Brücke, hat man einige geschichtsträchtige Orte der Stadt Basel im Blickfeld. Nadja Müller, Koordinatorin des Vereins Frauenstadtrundgang, hat diesen Ort bewusst ausgewählt für das Gespräch. Hier liessen sich die Anfänge des Vereins besonders gut aufzeigen.
«Sarasin, von Thun, Erasmus…» Nadja Müller zählt Namen berühmter Männer auf und zeigt um sich; auf Bauwerke, die mit diesen Namen verknüpft sind. «All diese Orte kann man aber auch mit Frauen in Verbindung bringen. Man muss einfach den Blick dahinwenden.» 25 Jahre ist es her, seit Wissenschaftlerinnen und Studentinnen erstmals einem grösseren Publikum die Augen für Basels Frauen öffneten.
Mit Wissen, Charme und Schauspiel führten sie durch die Strassen und zeigten auf, was in den Hörsälen lange Zeit verschwiegen wurde: der Beitrag der Frauen zur Basler Geschichte. 1990 lancierten die spätere Professorin Regina Wecker und Studentinnen den ersten Frauenstadtrundgang der Schweiz.
Das Geschichtsstudium hat sich seither modernisiert. Die Nachfrage nach den Stadtrundgängen war damit aber nicht gestillt.
Hundert Jahre, nachdem Emilie Frey als erste Frau ihr Studium an der Universität Basel abschlossen hatte, fand der erste Basler Frauenstadtrundgang statt. (Bild: Nadja Müller)
Ein Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte
Anregung für den ersten Frauenstadtrundgang war das Hundert-Jahr-Jubiläum des Frauenstudiums an der Universität Basel. Emilie Frey schloss hier 1895 als erste Frau ab.
Ein Anliegen, das mit der Stadtrundgang-Premiere 1990 einherging, war die Einführung eines Lehrstuhls für Frauen- und Geschlechtergeschichte. Regina Wecker war später die erste – und auch letzte – Professorin, die den Lehrstuhl innehatte. Heute ist auch das Kapitel Frauengeschichte in den Lehrplan des Geschichtsstudiums integriert.
Hat das Thema also ausgedient? Nein, ist sich Nadja Müller sicher und führt aus: «Die SRF-Sendung ‹Die Schweizer› dreht sich beispielsweise nur um Männer – daran erkennt man, dass das Thema eben doch nicht selbstverständlich ist.»
Und nebenbei: «Für die Studentinnen ist es eine gute Möglichkeit zu lernen, wie man universitäres Wissen so wiedergeben kann, dass es allgemeinverständlich ist», sagt Müller. In Teams werden die Rundgänge ausgearbeitet, mit szenischen Einlagen wird das Wissen unter die Leute gebracht.
Sex, Crime und Royalty
«Um das Publikum anzuziehen, eignen sich eher Themen wie Sex, Crime und Royalty», sagt Müller. Die zwei Bestseller des Vereins unterstreichen diese Aussage. Die Rundgänge über Sex und Sitte im historischen Basel sowie jener zur Hexenverfolgung sind die erfolgreichsten. Vor Tabuthemen schreckte der Verein nie zurück, sondern hegte dafür ein grosses Interesse.
Im späten 19. Jahrhundert, als Teile der Mittleren Brücke noch aus Holz waren, führte ein kleiner Balkon rund um das Käppelijoch. Von dort stiess man die zum Tode verurteilten Frauen in den Rhein. (Bild: Nadja Müller)
Mit dem Rundgang «Hexenwerk und Teufelspakt» durchleuchteten die Frauen ein besonders düsteres Kapitel der Basler Geschichte. Den Rundgang gibt es mittlerweile auch auf Englisch. «Das Thema fasziniert. Frauen verbinden Hexen auch mit unangepasst und rebellisch sein. Gleichzeitig ziehen Feste wie Halloween und Walpurgisnacht sehr», sagt Müller.
Sie zeigt hinunter zur Mittleren Brücke. Vom Käppelijoch aus wurden Hexen, Ehebrecherinnen oder Kindsmörderinnen im Mittelalter mit Gewichten in den Rhein gestossen.
Von Frauen – aber nicht nur für Frauen
Männer gehörten immer schon zum interessierten Publikum – wenn auch in der Minderheit. «Das feministische Anliegen war in den ersten 15 Jahren sehr stark, was gewisse Männer abschreckt hat», erklärt Müller. Heute sei die Perspektive eine andere und gehe mehr Richtung Geschlechterforschung. Das habe auch damit zu tun, dass sich viele Frauen vom Feminismus abgrenzen wollen.
«Wenn man von Frauen spricht, spricht man auch von Männern. Und umgekehrt.»
Beim Stadtrundgang durch das «wilde Viertel» im Kleinbasel wurde darüber gesprochen, wie Männer in der Kaserne sozialisiert wurden. Früher seien Soldaten degradiert worden, indem man sie weibliche Tätigkeiten ausführen liess. Und so lande man von den Männern wieder bei den Frauen: «Wenn man von Frauen spricht, spricht man auch von Männern. Und umgekehrt.»
Es scheint, die Themen für einen Stadtrundgang sind noch lange nicht ausgeschöpft. Zurzeit entsteht ein Spaziergang auf dem Basler Zentralfriedhof Hörnli. Mit dem Rundgang «Madame la mort im Garten der Ewigkeit» greift der Verein erneut ein Tabuthema auf: Sterben und Tod. Ab April können Interessierte mit dem neusten Stadtrundgang die weiblichen Seiten des Todes näher kennenlernen.
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Der Verein Frauenstadtrundgang lädt zum Jubiläumsfest ein: am Sonntag, 1. Februar, 13 Uhr, im Nachthafen des Warteck-Areals. Dann wird die neue Homepage eingeweiht, und die Gäste können den Frauenstadtrundgang auf einem Parcours kennenlernen. Interessierte können in Zukunft Tickets für die Rundgänge auf der Homepage in einem E-Shop kaufen.