Simon Lutz: «Die Kuppel ist nicht mehr meine persönliche Spielwiese»

Die neue Kuppel soll kommen, die Garage bleiben, und das Acqua zieht temporär aufs Schiff. Mittelpunkt im ganzen Rummel: Simon Lutz, der Nightlife- und Gastrounternehmer, der einen Teil seiner Unabhängigkeit im Nachtigallenwäldeli aufgeben muss. Was ihm nicht ganz einfach gefallen ist, wie er im Interview zugibt.

Umgeben von einer Baustelle, überwindet Simon Lutz derzeit die letzten Hindernisse, die dem Kuppelneubau im Weg stehen.

(Bild: Marc Krebs/Hans-Jörg Walter)

Die neue Kuppel soll kommen, die Garage bleiben, und das Acqua zieht temporär aufs Schiff. Mittelpunkt im ganzen Rummel: Simon Lutz, der Nightlife- und Gastrounternehmer, der einen Teil seiner Unabhängigkeit im Nachtigallenwäldeli aufgeben muss. Was ihm nicht ganz einfach gefallen ist, wie er im Interview zugibt.

Simon Lutz hat sich lange zurückgehalten mit Infos zu seinem Engagement auf dem Schiff und mit Details zur Kuppel-Stiftung, die den Neubau seines längsten Projekts garantieren soll. Noch immer ist nicht alles unter Dach und Fach. Dennoch sah sich Lutz am Dienstag zu einer Medienmitteilung gezwungen (siehe Rückseite), um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, was die Zukunft der Kuppel angeht. Welche Freiheit er behält, welche er aufgeben muss, warum er sich schwer damit tat und was ihm mit dem Schiff vorschwebt: Antworten gibt er in einem Gespräch im Acqua, umgeben von Baustellen.   

Simon Lutz, warum haben Sie so lange zugewartet, bis Sie Informationen zum Schiff und zur Kuppel preisgaben?

Weil lange Zeit noch nicht alles spruchreif war – und weil bei diesen Projekten auf verschiedene Umstände Rücksicht genommen werden muss.

Sie haben durch Ihre Zurückhaltung Gerüchte begünstigt, die neue Kuppel würde nicht mehr zustande kommen.

Damit muss ich leben. Aber sie ist auf gutem Wege, die neue Kuppel, das kann ich jetzt definitiv sagen. In den letzten Monaten mussten noch formelle, bauliche und inhaltliche Fragen geklärt werden. Das Projekt wurde überarbeitet – und wird es noch immer.

Möglich wird der Bau durch eine Spende von fünf Millionen Franken. Wer steckt dahinter?

Ein guter Engel – der nicht namentlich genannt werden möchte.

Die neue Kuppel planen Sie seit mehr als 15 Jahren. Warum dauert alles so lange?

Die bauliche Planung war nicht einfach, ebenso die Finanzierungsfrage – und damit verbunden der Ablöseprozess, mit dem ich gerungen habe.  

Was genau fiel Ihnen denn so schwer?

Zu akzeptieren, dass die Kuppel nicht meine persönliche Spielwiese ist. Sie müssen verstehen: 25 Jahre lang konnte ich als Kulturpirat schalten und walten, wie ich wollte. Die Kuppel ist also fast schon mein Lebensprojekt. Als seitens der Geldgeber eine nachhaltige, zweckgebundene Verwendung der Spende gefordert wurde, tat ich mich schwer damit, ich war anfänglich auch nicht der Kooperativste. Es dauerte, bis ich mir selber sicher war, dass diese Form nun die richtige Lösung ist, sodass das ganze Projekt zum Fliegen kam. Heute stehe ich hundertprozentig hinter dem Entscheid.

«Ohne die Stiftungsvorgaben könnte ich ja auch ein Striplokal oder ein Discountgeschäft eröffnen.»

Die Kuppel als Stiftung zur Förderung der Jugend- und Alternativkultur.

Genau. Dass man das sicherstellen wollte, dafür habe ich grosses Verständnis. Ohne solche Vorgaben könnte ich ja auch ein Striplokal oder ein Discountgeschäft eröffnen.

Wer nimmt neben Ihnen Einsitz in der Stiftung?

Stephan Werthmüller und ich haben mit Sebastian Kölliker vom JKF und Tobit Schäfer vom RFV zwei Leute in die Stiftung geholt, die Garanten sind für die Erfüllung des Stiftungswzecks.

Die Geldgeber sind nicht weiter involviert?

Nein. Gute Engel fliegen in der Stratosphäre und sitzen nicht in Stiftungen. Die Stiftung ist auf sich selbst gestellt und muss den Betrieb selber meistern.

Wie sieht denn das Betriebskonzept aus?

Welches Betriebskonzept? Wir leben das ja seit 25 Jahren vor: Konzerte, Standup-Comedy, Partys … same same as always.

Müssen Sie inhaltlich keine Rechenschaft ablegen?

Sie meinen die Stiftung? Ja, wir müssen den Stiftungszweck erfüllen, es gibt einen Programmrat, der dem Stiftungsrat zur Seite steht. Und darin bin ich nicht der Einzige. Ich werde also nicht mehr im Alleingang entscheiden.

«Es gibt einen Programmrat. Ich werde nicht mehr im Alleingang entscheiden.» 

Wer ist in diesem Programmrat?

Vertreter aus der Jugend- und Alternativkultur, vom RFV und JKF. Diese konkreten Namen stehen noch nicht fest.

Sie sind ja nicht nur den Mäzenen gegenüber in der Pflicht, sondern auch dem Kanton, zumindest moralisch: Sie haben hier ein Baurecht an bester Lage.

Moralisch fühle ich mich verpflichtet, juristisch wäre ich es aber nicht. Die Kuppel hat die Stadt nie um finanzielle Unterstützung gebeten. Ich habe immer alle Rechnungen und Löhne selber bezahlt und sämtliche Probleme selber gelöst. Andere erhalten jährlich Subventionen für ähnliche Betriebe, haben ein Sicherheitsnetz. Daher finde ich nicht, dass ich besonders dankbar sein müsste, denn ich trug hier das Risiko ganz alleine. Man könnte also genauso gut sagen, dass die Stadt eine moralische Verpflichtung hat, die Kuppel zu unterstützen. Man könnte mir ja netterweise auch ein Denkmal errichten… (lacht)

Naja, Sie führen diese Betriebe doch nicht, weil Sie Pestalozzi sind…

Nein, wenn schon, dann bin ich Pestalutzi! (lacht)

Und Projekte wie die Restaurants Acqua und Baracca werfen ja auch Geld ab.

Hoffentlich. Die Kuppel ist daneben das teure Hobby, das man sich aus Leidenschaft leistet.

«Andere erhalten jährlich Subventionen für ähnliche Betriebe, haben also ein Sicherheitsnetz.»

Kann die Kuppel ohne kommerzielle Veranstaltungen überleben?

Nein, aber kommerziell ist ein schwer definierbarer Begriff. Wir werden eine höhere Zuschauerkapazität haben, bis zu 700, können also in Zukunft auch grössere Konzerte durchführen. Und wir werden mit manchen Veranstaltungen auch Defizite wettmachen, so wie bisher. Zum Beispiel Züri West: Sie spielten hier jeweils dank der Zuneigung zu unserer Konzertverantwortlichen Stefanie Klär und ihrer Liebe zur Kuppel. Aber eigentlich ist die alte Kuppel zu klein und nicht für solche Bands gemacht. Allein die Garderobe hat ja die Grösse einer Besenkammer. Mit dem Neubau und der verbesserten Infrastruktur wird die Kuppel attraktiver für grössere Künstler.

Mit Züri West bin ich selber aufgewachsen, die sind demnach nicht mehr Jugendkultur. Oder doch?

Nein und ja, aber Jugendkultur ist ja auch nur ein Sammelbegriff. Wenn ich jetzt im Alter nur noch Dixieland-Konzerte oder Swingerpartys veranstalten wollte, dann würde das Board intervenieren. Denn für solches ist die Kuppel auch zukünftig nicht gedacht.

Sie haben Stefanie Klär erwähnt, Ihre langjährige Mitarbeiterin im Konzertbooking. Wird Sie für Kontinuität sorgen in der neuen Kuppel?

Ich würde es mir wünschen und mich freuen, wenn Steffi Klär und auch Jennifer Jans weiterhin eine Funktion hätten in der neuen Kuppel. Doch zuerst müssen wir von der alten Kuppel Abschied nehmen und wohl auch die eine oder andere Träne vergiessen.  

Was Sie künftig für sich behalten werden, sind das Ristorante Acqua und der Club Garage.

Das stimmt. Die juristische Entflechtung der Betriebe haben wir bereits vorgenommen.

Was passiert denn mit der Garage?

Der Club wird weiter existieren, aber vielleicht nicht im gleichen Gemäuer. Das schauen wir derzeit bei der Überarbeitung an. Den Club wird es garantiert wieder geben.

«Der Club Garage wird weiter existieren, aber vielleicht nicht im gleichen Gemäuer.»

Und das Acqua lagern Sie auf das Schiff aus. Warum?

Weil hier ab Mai alles Baustelle sein wird und wir den Gästen keinen sicheren Zugang zum Acqua mehr gewähren können. Das hat sich erst in jüngerer Zeit herausgestellt, zum Glück können wir nun ins Exil, mit dem Personal, mit dem Interieur. Nach circa einem Jahr kehren wir dann wieder hierher zurück.

Für die Pacht des Schiffs haben Sie mit Agi Isaku vom Nordstern eine neue AG gegründet. Tanzen Sie dadurch nicht auf zwei Hochzeiten?

Nein, die Aufgabenteilung ist klar: Das Schiff wird zweite Heimat für den Nordstern. Agi macht darin den besten Club der Schweiz, wenn nicht sogar der Welt. Das Programm ist klar elektronisch und unterscheidet sich wie bis anhin von jenem in der Kuppel. Nordstern ist ein Technoclub. Ich kümmere mich auf dem Schiff um die Gastronomie.

Welches Restaurant werden Sie denn auf dem Schiff betreiben?

Ich bleibe meiner Linie treu, das heisst, es wird kein Fastfood-Angebot geben. Konkreter: Es wird mediterraner Art sein. Mehr kann ich derzeit noch nicht sagen.

Im neuen Café Singer sind Sie ebenfalls involviert, beratend, wie in der BaZ betont wurde. Weil Sie mit Ihren vielen Engagements die Geldgeber verwirren könnten?

Nein, weil ich klar priorisieren möchte. Im Singer war ich bei der Konzeption und Umsetzung beratend involviert. Ein Auftrag, der nicht im Ansatz so viel Zeit in Anspruch nimmt wie die Aufgaben hier im Nachtigallenwäldeli.  

Zurück zum Kuppelareal: Noch haben Sie das Baugesuch nicht eingereicht.

Wir sind auf sehr gutem Weg. Funktionalität und Kosten mussten neu berechnet werden. Jetzt stehen wir kurz vor dem Ziel, was die Finanzierung und das Baugesuch angeht. Uns wäre es eben lieber gewesen, die Medien zu informieren, wenn wirklich alle offenen Fragen ausgeräumt sind.

Wie geht es nun weiter?

Wir haben in der Kuppel Programm bis Anfang April, dann wird alles demontiert und ausgeräumt und vieles an einem grossen Flohmarkt verkauft. Nach Pfingsten wird die Kuppel abgerissen. Danach findet auf dem Areal eine Altlastenbereinigung statt.

«Ich glaube, dass wir im Herbst mit dem Bau beginnen können.»

Könnte die Altlastenbereinigung länger dauern?

Ich denke nicht. Ich glaube, dass wir im Herbst mit dem Bau beginnen können.

Und wenn man beim Baggern feststellt, dass hier die Kelten gehaust haben? Fürchten Sie einen solchen Fund?

Nun, wenn es eine Verkeltung gäbe, wenn also Skelette gefunden würden, könnte sich tatsächlich alles verzögern. Aber das wäre dann nicht mehr meine Schuld.

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