Somm will nach Graubünden – und keinen kümmerts

Die Politik im Bündnerland nimmt die Expansionspläne von Christoph Blochers «Basler Zeitung» mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Dabei könnte sich Widerstand lohnen.

So sieht unser Karikaturist Tom Künzli den BaZ-Deal im Bündnerland. (Bild: Tom Künzli)

Finanzausgleich, Zweitwohnungsintitiative – es kommen einem spontan ein paar politische Themen in den Sinn, in denen Basler und Bündner eine andere Haltung haben könnten. Aber die Bündner  haben keine Berührungsängste mit Unterländern, erst recht, wenn dieses Unterland Blocher heisst. So wählten sie 2015 die Zürcherin Magdalena Martullo-Blocher in den Nationalrat, Tochter von Christoph und seine Nachfolgerin als Chefin des Industriekonzerns Ems Chemie.

Darfs as bizzali mehr Unterland sein? Es darf offenbar.

Wie die TagesWoche berichtete, ist jetzt die Zeitung dran. Markus Somm, Chefredaktor der «Basler Zeitung», plant, nach Graubünden zu expandieren. Die BaZ gehört je zu einem Drittel SVP-Financier Christoph Blocher, Somm und Verlagsmensch Rolf Bollmann. Wenns klappt, sollen die «Südostschweiz» und die BaZ einen gemeinsamen Mantelteil haben. Eine gemeinsame Redaktion berichtet dann für beide Zeitungen über Inland, Ausland, Wirtschaft und Kultur. Die Lokalberichterstattung bliebe in Bündner Händen. Ein Ziel: Stellen einzusparen.

Gimma schliesst ab mit der Zeitung

Und was sagen die Bündner zur möglichen Unterländer-Invasion?

Werbetexter Gian-Marco Schmid, auch bekannt als Musiker «Gimma», sorgt sich um die Qualität der Zeitung, insbesondere um die Kulturberichterstattung. Er hat früher selber Kolumnen für die Südostschweiz verfasst: «Wenn die Kulturredaktionen und -beiträge wirklich zusammengeführt werden, fehlt mir das Verständnis – als Leser und als ehemaliger Mitarbeiter.» Entlassungen und Rationalisierungen seien finanziell vielleicht erklärbar, würden aber kaum für journalistische Qualität und Stabilität sorgen. «Für die Betroffenen tut mir das leid, aber eine valable Regionalzeitung ist das für mich so nicht mehr.»

Um die Journalisten sorgt sich auch ein anderer Kopf, der in der Hip-Hop-Szene gross wurde: Claudio Candinas, Rapper bei Breitbild und heute Leiter Dialog bei der Somedia, hat getwittert:

Aus der Redaktion selber hört man wenig. Einzelne Journalisten wagten sich ebenfalls auf dem Kurznachrichtendienst Twitter aus der Deckung. So etwa Dennis Bühler, als Bundeshausredaktor wäre er besonders stark betroffen von einer Partnerschaft mit der BaZ.

Die einzige offizielle Reaktion vom «Südostschweiz»-Verlag Somedia ist ein internes Schreiben, in dem CEO Andrea Masüger die Enthüllung der TagesWoche als «kräftige Spekulation» abtut. Masügers Timing war etwas unglücklich: Wenige Stunden nachdem er das Rundmail verschickt hatte, bestätigte «Südostschweiz»-Verleger Hanspeter Lebrument auf Radio SRF die Recherchen.

Kommunikation per Rundmail: Schreiben an die Redaktion von Somedia-CEO Andrea Masüger.

Doch beunruhigt müssen Masüger und Lebrument über die vorzeitige Publikmachung nicht sein. Ein Ruck, wie er durch die NZZ 2014 ging, als Gerüchte bekannt wurden, dass der Verwaltungsrat Markus Somm zum Chefredaktoren werden wolle, ist bei der Belegschaft der «Südostschweiz» nicht auszumachen. Dabei war der Aufstand der NZZ-Redaktoren erfolgreich: Markus Somm ist bei der BaZ geblieben, die NZZ hat nun Eric Gujer als Chefredaktor.

Doch die Stimmung in der «Südostschweiz»-Redaktion ist offenbar schon seit längerem schlecht. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Umstrukturierungen, Stellenabbau, langjährige, erfahrene Redaktoren sind zur Konkurrenz «Tagblatt» gewechselt (das allerdings ebenfalls zum Verlag Somedia gehört). Vielleicht fehlt jenen, die übrig blieben, mittlerweile schlicht der Wille zum Kampf.

«Ich weine nicht, ich juble nicht. Es ist mir gleich.»
CVP-Grossrat Livio Zanetti

In der Politik ist er offenbar auch nicht grösser. Die einen nehmen die Pläne nicht ernst, den anderen sind sie egal. So sagt CVP-Grossrat Livio Zanetti aus Landquart: «Ich weine nicht, ich juble nicht. Es ist mir gleich.» Klar, es sei schade, wenn die «Südostschweiz» nicht mehr eigenständig sei. Als Politiker sei er auf gute Informationen angewiesen. 

Aber man sei sich ja gewohnt, dass sich die Bündner vom Unterland dreinschwatzen liessen. «Seit die Bündner Martullo-Blocher in den Nationalrat gewählt haben, ging bereits ein Teil der Eigenständigkeit verloren.» Für ihn zeige sich aber einmal mehr, wie wichtig es sei, die No-Billag-Initiative abzulehnen. «Die Schweiz braucht die SRG für eine unabhängige Berichterstattung.» Wenn die «Südostschweiz» ihm in Zukunft nicht mehr passe, bestelle er sie einfach ab.

Als nächstes rufen wir bei der BDP an – diese Partei zieht mindestens ihre halbe Daseinsberechtigung aus dem Kampf gegen die Zürcher SVP. Als ihre Vorzeigepolitikerin Eveline Widmer-Schlumpf 2008 in den Bundesrat gewählt wurde, liess sich die Bündner SVP solidarisch mit ihrer Bundesrätin aus der Mutterpartei werfen. Seither gibts in Graubünden die BDP.

Von diesem Kampfgeist scheint nicht mehr viel übrig. Andreas Felix ist Präsident der Partei, Grossrat und wohnt in der Churer Nachbargemeinde Haldenstein. Er sagt: «Ich habe die Medienpläne zur Kenntnis genommen.» Auf mehrmalige Nachfrage sagt er: «Die Zeitung steht wirtschaftlich unter Druck. Da ist verständlich, dass man Kosten optimieren will.»

BDP-Präsident Landolt besorgt

Deutlich kritischer sieht Martin Landolt, Präsident der Schweizer BDP, den wachsenden Einfluss der SVP-Publizistik. Landolt wohnt im Kanton Glarus, wo die «Südostschweiz» Monopol-Zeitung ist. «Ich bin enttäuscht, aber nur bedingt überrascht», sagt der Nationalrat. Er habe diesen Schritt schon länger erwartet. Die «Südostschweiz» habe sich zunehmend der SVP an den Hals geworfen: «Martullo hat ein Dauerabo in dieser Zeitung, sie wird extrem hofiert.»

Landolt räumt ein: «Ich weiss nicht, was man tun kann.» Von der Leserschaft, der Bevölkerung ist jedenfalls kein Widerstand zu erwarten. «Das interessiert keinen an den Stammtischen im Kanton Glarus – das weiss doch kaum einer.» Woher sollten es die Glarner auch wissen: Es gibt keine andere Tageszeitung als die «Südostschweiz».

Die SP grübelt noch

Zurück ins Bündnerland und zu jenen Kreisen, die jetzt eigentlich nicht stillstehen können: zur SP Graubünden. Parteipräsident Philipp Wilhelm aus Davos findet es immerhin «bedenklich», wenn Zeitungen sich von grossen Geldgebern mit politischen Motiven finanzieren lassen. «Wir überlegen uns, welche Schritte wir unternehmen.» Die Partei ist sich aber noch uneinig darüber, welche Mittel geeignet sind, um sich gegen die Pläne mit der BaZ zu wehren: Medienmitteilung, Vorstoss im Grossen Rat…

Wieso das Zaudern?

Viele Linke haben sich in den letzten Jahren von der «Südostschweiz» abgewendet. Das hat auch mit der Berichterstattung über Olympische Winterspiele in Graubünden zu tun. Sie bemängelten, der Verlag habe zu einseitig für die Spiele Position bezogen. Auch hört man von Politikern die Kritik, dass die «Südostschweiz» zu wenig über die lokale Politik berichte.

Von rechts hört man eher das Gegenteil: Die Zeitung sei besser geworden. Seit Chefredaktorin Martina Fehr da sei, berichte das Blatt wieder mehr über politische Inhalte und weniger über die Kleider der Grossräte. Fehr folgte 2015 auf David Sieber, der gekündigt hatte und jetzt die «bzbasel» führt.

Blocher schon einmal gescheitert

Vielleicht herrscht punkto Medien in Graubünden aber auch die Erfahrung: Hochzeit bedeutet noch lange nicht bis in den Tod. Christoph Blocher ist kein Neuling auf dem Bündner Medienmarkt, in den 1980er-Jahren kaufte er das serbelnde «Bündner Tagblatt», gab es später aber wieder an Verleger Hanspeter Lebrument zurück, offenbar mit den Worten: «Ich kriege das nicht hin.» Es untersteht nun, wie die «Südostschweiz» und zahlreiche andere Medien, dem Verlag Somedia.

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