Bei der Familieninitative geht es nicht um Fairness, sondern um die Verteidigung überholter Rollenmodelle.
«Das Private ist politisch!» Der Slogan der 1968er-Revoluzzer ist aktueller denn je. Allerdings nicht im Sinne der Erfinder, die vor bald 50 Jahren gegen die rückwärtsgewandten Moralvorstellungen ihrer Eltern rebellierten.
Nach der Abstimmung über den Familienartikel im März geht es am 24. November bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr um die Familie. Mit ihrer Familieninitiative fordert die SVP, dass alle Eltern Steuerabzüge machen können – also nicht nur erwerbstätige Mütter und Väter, die ihre Kinder in einer Krippe fremdbetreuen lassen müssen.
Das tönt fair. Doch um Fairness geht es den Initianten nicht. Ihre Vorlage ist vielmehr eine Reaktion auf Neuerungen in der Familienbesteuerung, die das Parlament kürzlich beschlossen hat und die es Eltern erlaubt, die Kosten für die Fremdbetreuung von der direkten Bundessteuer abzuziehen.
Es geht nicht um Fairness
Das passt den Gegnern moderner Familienformen nicht. Wie schon im Kampf gegen den Familienartikel, der eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie zum Ziel hatte und am Stadt-Land-Graben scheiterte, dreht sich die Debatte erneut nicht um die Verbesserung der Situation der Eltern, sondern um das «richtige» Familienmodell. Und ausgerechnet die SVP, die im Zusammenhang mit Krippen und Tagesschulen gerne über «Staatskinder» spöttelt, will nun mit «Staatsmüttern» zum Rechten schauen.
Jüngsten Umfragen zufolge spricht sich eine Mehrheit der Stimmberechtigten für die SVP-Initiative aus.
Das überrascht nicht – wer möchte nicht gerne Steuern sparen? Doch die Vorlage ist eine Mogelpackung. Von den in Aussicht gestellten Ersparnissen würden vor allem gutsituierte Einverdiener-Paare profitieren. Alleinerziehende und Paare, die auf Doppelverdienst und Krippenplätze angewiesen sind, könnten bei einer Annahme der Initiative gar als Verlierer dastehen.
Dann nämlich, wenn die neuen Kinderabzüge kostenneutral durchgesetzt würden – wenn also alles aus demselben Topf bezahlt würde und es weniger Geld für alle gäbe.
Das wäre ein familienpolitischer Rückschritt und alles andere als fair.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 01.11.13