Tanzmacher mit Leib und Seele

Basel verknüpft mit dem Choreo­grafen Heinz Spoerli eine glanzvolle Periode künstlerischen Schaffens, die unweigerlich im Katzenjammer enden musste, als die grosse Theaterwelt – von 1996 bis 2012 gehörte nicht zuletzt dank ihm auch Zürich dazu – ihn rief. Ein Foto aus dem Archiv von Kurt Wyss.

Heinz Spoerli als Chefchoreograf des Basler Balletts bei der Probe zu einer eigenständigen «Giselle»-Inszenierung (Giselle oder die Wilis), die 1976 weltweit Aufsehen erregte. (Bild: Kurt Wyss)

Nach seiner Karriere als Solotänzer fand Heinz Spoerli in der Choreografie seine Berufung fürs Leben. Ein Foto aus dem Archiv von Kurt Wyss.

Basel, wo er am 8. Juli 1940 zur Welt kam, war ihm Kinderzimmer, Schulstube, Lehr­werkstatt, Gesellenbude und – nach weiteren ­Lehr- und Wanderjahren – Produktions- und ­Ent­wicklungszentrum sowie schliesslich auch noch Chefbüro zugleich. An Basel binden ihn unzählige Erfahrungen, die ihn prägten. Basel wiederum verknüpft mit ihm, dem Choreo­grafen Heinz Spoerli, eine glanzvolle Periode künstlerischen Schaffens, die unweigerlich im Katzenjammer enden musste, als die grosse Theaterwelt – von 1996 bis 2012 gehörte nicht zuletzt dank ihm auch Zürich dazu – ihn rief.

Was zeichnet einen Mann aus, der sich am liebsten nur als «Tanzmacher» bezeichnen würde, bei dessen Erwähnung jedoch die Freunde sowohl des klassischen wie auch des innovativen Tanztheaters unisono ins Schwärmen geraten? Die Kenner und Chronisten der Ballettszene werden seine aussergewöhnliche Musikalität hervorheben, sein Talent, Musik in bewegte Bilder und in Geschichten umzusetzen. «Weil Musik», wie Spoerli selbst es nannte, «zum vollendeten Erlebnis wird, wenn man sie auch sehen kann, wenn man das Auge mithören lässt».

Selbst aus «Chäs» machte Heinz Spoerli einen unvergesslichen Ballettabend.

Andere wiederum werden Spoerlis einmaliges Einfühlungsvermögen und den Respekt vor den Leistungen seiner Tänzerinnen und Tänzer ins Feld führen, denen er totale Hingabe und höchstes Qualitätsdenken abverlangt, ohne sie dabei über Gebühr zu schinden. Und nicht wenige werden sein Kommunikations­talent rühmen, die Gabe, seine Vision auf andere zu übertragen, auf in Budget-Zwangsjacken steckende Intendanten genauso wie auf Spitzentänzer, Ballett-Compagnien und Publikum. Nicht zu vergessen auch sein Humor, der ihn befähigt, selbst aus «Chäs» einen unvergesslichen Ballettabend zu machen.

Dazu – und dies aus einer einzigen persönlichen Begegnung mit Heinz Spoerli – sei seine ungekünstelte Bescheidenheit genannt, die ihn als einen auszeichnet, wie du und ich sie alle gerne hätten. Einen, der sich nicht zu schade war, eine Gruppe von Basler Ballettfreunden zu empfangen, die in den frühen Neunzigerjahren nur wegen ihm nach Düsseldorf gefahren war, um «Giselle» zu geniessen. Interessiert, höflich, charmant und sichtlich erfreut stellte er sich nach der Aufführung den Fragen und Komplimenten der Reisegruppe.

Was war an diesem Treffen in Düsseldorf Bleibendes zu lernen? Längst nicht jeder, der andere nach seiner Pfeife tanzen lassen kann, ist ebenso musikalisch, einfühlsam, kommunikativ, humorvoll und erst noch bescheiden. Wirklich schade, dass es so wenige Spoerlis gibt. Auch ausserhalb der Theaterszene.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 30.11.12

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