Als am Mittwoch plötzlich der frühere Basler Stadtentwickler Thomas Kessler in der Redaktion der «bz Basel» auftauchte, dachte die Redaktion: Da hat wohl einer ein Interview abgemacht. Das Missverständnis klärte sich rasch. Kessler wird künftig regelmässig aufkreuzen – aber nicht um kritische Fragen zu beantworten, sondern um Ratschläge zu erteilen.
Peter Wanner, Verleger der Aargauer AZ Medien und damit auch der «bz Basel», hat seinem Basler Ableger einen «publizistischen Beirat» zur Seite gestellt und Kessler zu dessen Leiter bestimmt. Wanner lobt Kessler in einer Verlagsmitteilung als «unabhängige und anerkannte Persönlichkeit», was Kessler nach gängigem Verständnis nicht ist: Der vor gut einem Jahr abservierte Stadtentwickler will für die Basler FDP in den Nationalrat einziehen und versucht derzeit, die Partei von sich zu überzeugen.
Neben Kessler zählen zum Beirat die Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, die Basler SP-Grossrätin Dominique König, der designierte Präsident des Universitätsrats Beat Oberlin sowie Wanner selbst. Aufgabe des Beirats ist es insbesondere, die politische Publizistik einem kritischen Blick zu unterziehen und regelmässig Feedback zu geben. Sechs Mal im Jahr will sich der Beirat treffen, doch der sendungsbewusste Kessler soll dem Vernehmen nach planen, deutlich häufiger seine Beobachtungen und Ratschläge in der Redaktion zu platzieren.
Auffällig am Beirat ist dessen politische Prägung. Drei von fünf Beiräten sind aktive Politiker mit handfesten Eigeninteressen. Sowohl Kessler wie auch Schneider-Schneiter stehen zudem vor Wahlkämpfen. Kessler will FDP-Nationalratskandidat werden, Handelskammer-Präsidentin Schneider-Schneiter Doris Leuthard im Bundesrat beerben.
Oberlin bringt als Hintergrund die grosse Finanzierungskontroverse der Uni zwischen Baselland und Basel-Stadt mit, wobei der frühere Banker als Baselbieter Vertreter die Liestaler Sparlinie verfolgen muss.
Das klingt nach reichlich Interessenkonflikten, mit denen man eine Redaktion eigentlich nicht belasten sollte. Chefredaktor David Sieber nimmt dazu Stellung.
David Sieber, ist die Gründung dieses Beirats mit Ihnen abgesprochen?
Ich wurde vorinformiert, war aber nicht eigentlich überrascht, weil der Verleger mit dieser Idee schon vor meiner Zeit schwanger ging und sie immer wieder Thema war.
Was erhoffen Sie sich von diesem Beirat?
Einerseits eine bessere Verankerung der bz, insbesondere in unserem Wachstumsmarkt Stadt und Agglo. Und andererseits ein offenes Ohr für unsere Anliegen in Richtung Mutterhaus. Zudem hoffe ich sehr auf einen Austausch über publizistische Fragen mit Menschen, die die Region gut kennen. Ich war bis anhin diesbezüglich etwas im luftleeren Raum.
«Es gibt keinen direkten Zugriff: Innerhalb der Redaktion bin ich der Ansprechpartner des Beirats.»
Welchen Einfluss soll und wird dieser «publizistische Beirat» auf die Publizistik der «bzbasel» haben?
Dazu kann ich keine abschliessende Aussage machen, weil ich erst mit Kessler länger gesprochen habe. Er soll uns Hinweise geben, Ratschläge, Inputs. Ob und wie und was wir journalistisch verwerten, ist alleine Sache der Redaktion. Es gibt keinen direkten Zugriff: Innerhalb der Redaktion bin ich der Ansprechpartner des Beirats.
Drei Personen im Beirat sind aktive Politiker, eine Person ist Uniratspräsident – über alle drei berichtet die bz regelmässig. Wie wollen Sie verhindern, dass die Berichterstattung künftig durch den Umstand beeinflusst wird, dass diese Personen im Beirat sind?
Indem wir das in einem solchen Fall ignorieren. Das darf und wird keine Rolle spielen. Die Person ist übrigens noch nicht Unipräsident.
Gemäss unseren Informationen hat der Beirat von Wanner den Auftrag erhalten, auf Änderungen in der Polit-Berichterstattung hinzuwirken. Sein Vorbild ist die NZZ, sowohl was die Qualität der Berichterstattung als auch die politische Ausrichtung betrifft. «Liberaler», bürgerlicher soll die «bz Basel» werden.
Ich glaube, das ist ein Missverständnis. Die NZZ ist tatsächlich genannt worden, aber nicht wegen ihrer politischen Ausrichtung (die sich in letzter Zeit stark nach rechts verschoben hat), sondern wegen der Tiefe ihres Journalismus. Wir sind per Statut eine Zeitung mit liberaler Ausrichtung. Ich denke, das setzen wir ganz gut um.