Zu den Küchengeräten meiner Grossmutter gehörte auch eine Kaffeemühle. Ein klassisch-schlichtes Modell aus Holz mit einer Kurbel zum Drehen und einem kleinen beweglichen Metalldeckel über dem Mahlwerk. Sehr einfach zu bedienen.
Grossmutter schob den Deckel zur Seite, schüttete eine Handvoll Bohnen in die Mühle, schloss den Deckel wieder, dann durfte ich die Kurbel drehen. Knirschen im Innern der Mühle, und gemahlener Kaffee fiel in die Schublade unter dem Mahlwerk. Wie Grossmutter daraus Kaffee braute, weiss ich nicht mehr, es ist zu lange her.
Tante Liesel hatte eine Kaffeemaschine. Keine Kolbenmaschine, sondern eine mit einer Wärmeplatte, einem Glaskrug und einem Filteraufsatz. Man füllte kaltes Wasser in die Maschine, dieses wurde erwärmt und rann dann durch den mit gemahlenem Kaffee gefüllten Filter in den Glaskrug.
Das Getränk, das schliesslich in unseren Tassen dampfte, war nicht eben ein Göttertrank, aber um einiges besser als der Café crème in vielen Beizen, den man nur trinken konnte, wenn man eine Tonne Zucker reingeschüttet hatte oder einen Nussgipfel dazu ass.
Kaffee wie in Italien
Tante Liesel besass keine Kaffeemühle. Jedenfalls keine mit einer Kurbel zum Drehen. Wahrscheinlich benutzte sie die grosse elektrische Mühle im Laden oder kaufte den Kaffee schon gemahlen. In den Augen von Kaffee-Aficionados dürften beide Varianten keine Gnade finden: Damit der Kaffee sein volles Aroma entfaltet, haben die Bohnen frisch gemahlen zu sein. Basta.
Anderseits: Optimal war die Kaffeezubereitung und Warmhaltung in der von Tante Liesel benutzten Maschine sowieso nicht, Spitzenresultate durfte man auch von frisch gemahlenen Bohnen nicht erwarten.
Punkto Kaffeemaschinen hat sich in der Zwischenzeit gar manches verändert. Und das nicht nur in Restaurants und Cafés, wo man heute Kaffee trinken kann, wie es ihn früher nur in Italien gab. Auch in vielen Küchen stehen heute modernste Kaffeemaschinen, mit denen man jederzeit das Getränk seiner Wahl in die Tasse zaubern kann.
Sehnsucht nach Ursprünglichkeit
So weit, so gut – doch das Ganze hat seinen Preis, ich meine jetzt nicht nur in Franken und Rappen. Indem wir das Zubereiten des Kaffees praktisch vollständig an die Maschinen delegiert haben, berauben wir uns weitgehend der Möglichkeit, Teil des Prozesses zu werden. Bestenfalls stellen wir noch den Mahlgrad ein oder schieben eine Kapsel in einen Schlitz und drücken auf einen Knopf. Das mag in den 1960er-Jahren eine glückverheissende Utopie gewesen sein, reibt sich heute aber mit der Sehnsucht nach Ursprünglichem, wie sie etwa in der Philosophie des Urban Gardening zum Ausdruck kommt.
Die kreisförmige Bewegung der Hand zieht Sie gleich einem Ritual empor in höhere Sphären der Freude und des Genusses.
Es liegt mir fern, einem unreflektierten Back to the Roots der Kaffeezubereitung das Wort zu reden. Die Bohnen auf einem Blech über dem Feuer zu rösten und sie dann mit dem Mörser zu zerkleinern mag zwar reizvoll sein. Wie der daraus zubereitete Kaffee dann schmeckt, ist allerdings eine andere Frage.
Daher: Wollen Sie sich mit Gewinn beim Zubereiten des Kaffees einbringen, dann am besten beim Mahlen, hier können Sie Hand anlegen, hier spüren Sie sich wieder.
Ekstatische Erfahrung
Auch aus ökologischer Sicht spricht alles dafür, dass Sie Ihren Kaffee mit einer Handmühle mahlen – es sei denn, sie ist aus Tropenholz, dann haben Sie natürlich ein Problem.
Passend zur handbetriebenen Low-Tech-Mühle empfiehlt sich beim nächsten Schritt der Kaffeezubereitung die Verwendung einer Pressstempelkanne (neudeutsch: French Press). Auch hier kommt wieder die Handarbeit zum Zug: Kaffee rein, heisses (nicht kochendes!) Wasser zugeben, ziehen lassen, den metallenen Stempel durchdrücken.
Und das Beste zum Schluss – auch wenn es Teil der Vorbereitung ist: Die kreisförmige Bewegung der Hand, die Sie beim Drehen der Kurbel vollführen, zieht Sie gleich einem Ritual empor in höhere Sphären der Freude und des Genusses.
In calvinistisch geprägten Landesgegenden ist man sich dessen nicht bewusst. In der katholischen Urschweiz dagegen ist diese Erfahrung tief verwurzelt. Treffend in Worte gefasst hat sie Albert Jütz in der vierten Strophe seines zur inoffiziellen Hymne des Kantons Uri gewordenen Liedes «Zoge am Boge»: «Und wenn’s dr Pfarer nid mag liide» (nämlich dass Alt und Jung es bei Tanz und Musik lustig haben), «gänd em en alti Kafimili z’triiebe.» Sollte sich bei ihm darauf die ekstatische Erfahrung nicht einstellen, so ist er zumindest beschäftigt.