«Tränenreicher Abschied» von Michi Kessler – ein persönlicher Nachruf

Vergangenen Freitag ist Michi Kessler, Direktor des Pharmaziemuseums der Universität Basel, gestorben. Ein paar Gedanken eines Freundes.

Michi Kessler (14.6.1958 – 10.8.2018).

«Tränenreicher Abschied» im Titel eines Nachrufs mag schwülstig wirken. Die Worte stehen in Anführungsstrichen, sind also ein Zitat. Es waren Michi Kesslers Worte, mit denen er sich schalkhaft lächelnd nach einem Treffen, einem Beisammensein verabschieden konnte.

Jetzt ist Michi Kessler tot. Gestorben am Freitag, 10. August, fast genau zwei Monate nach seinem 60. Geburtstag. Ein Anlass, den er wegen einer schmerzhaften Krankheit nicht mehr zusammen mit seinen vielen Freunden feiern konnte, wie er es gerne getan hätte. Es sind diese Freunde, die nun ihrerseits den «tränenreichen Abschied» vollziehen müssen. Aber leider frei von aller Ironie und von jeglichem Schalk.

Unbestrittene, unaufdringliche Autorität

Ich habe Michi Kessler 1975 als jungen Fasnächtler in der Jungen Garde einer traditionellen Stammclique kennengelernt. Ein Jahr darauf spalteten wir uns zusammen mit vielen weiteren Fasnachtsfreunden in einem Akt der Rebellion von der Clique ab und gründeten die Tambouren- und Pfeifergruppe Kerzedrepf. In dieser Clique nahm Michi bis zu seinem Tod eine wichtige Rolle ein. Er war zu Anfangszeiten Obmann, später Ehrenpräsident und eine unbestrittene, aber nicht aufdringliche Autorität, wenn es um Sujets oder andere Belange des Vereins ging.

Eine Autorität war Michi auch in anderen Gremien, in denen er engagiert war: Als langjähriger Statthalter der E. E. Zunft zu Safran zum Beispiel oder in derselben Funktion als Vize in der Kommission des Vereins für das Historische Museum Basel. Dass er in diesen beiden Gremien über viele Jahre hinweg Statthalter blieb, war sein eigener Entscheid. Michi fühlte sich wohler auf der Stufe unter dem Meister, der Präsidentin, auch wenn er Auftritte in der Öffentlichkeit nicht scheute.

In einem Fall aber legte er diese leise Zurückhaltung ein Stück weit ab. Michi liess sich bereits mit 27 Jahren zum Direktor des Pharmaziemuseums der Universität Basel berufen. Er weckte nicht zuletzt auch mit Hilfe seiner Ehefrau Catherine Oeri das kleine, aber feine Museum am Totengässlein aus dem Dornröschenschlaf, ohne es seines einzigartigen Charakters der geheimnisvollen und faszinierenden Wunderkammer der pharmazeutischen Wissenschaft zu berauben – ein Prinzip, das ihm stets am Herzen lag.

Ein Genussmensch

Das Museum war seine Berufung. Viele hatten Michi nach seinem Pharmaziestudium eine akademische Karriere vorausgesagt, er aber zog die Aufgabe eines Vermittlers von Wissenschaftsgeschichte vor. Gegenüber Laien, aber auch Studienanfängern an der Uni, die seine Vorlesungen zur «Einführung in die Pharmazeutischen Wissenschaften» liebten, wie oft zu vernehmen war. 

Der Verzicht, auf der akademischen Karriereleiter ganz nach ober zu steigen, hing wohl auch damit zusammen, dass Michi ein Genussmensch war. Das liess sich mit seiner geliebten Arbeit im Museum besser verbinden. Seine Doktorarbeit widmete er der Forschung nach berauschenden Stoffen im Weihrauch – auch das wohl ein Zeichen für das genussvolle Arbeiten. 

Die Doktorarbeit ermöglichte ihm Ende der 1980er-Jahre eine Reise in den Wüstenstaat Oman, der damals für Touristen noch schwer zugänglich war. Und sie bot ihm die spannende Gelegenheit, die vermutete psychotrope Wirkung von Weihrauch auch mal rauchend in einem Selbstversuch zu testen – allerdings ohne nachweisbare Wirkung, wie er damals lachend zugab.

Ohne Magen, mit Humor

Ein Schicksalsschlag für ihn als Genussmensch und Mensch als solcher war, als er vor rund 15 Jahren die Diagnose einer Magenkrebserkrankung entgegennehmen musste. Im Claraspital wurde ihm operativ der gesamte Magen entfernt – ein Eingriff, der ihn lange Zeit nicht aus der Bahn zu werfen vermochte.

Michi lebte – so zumindest der Eindruck, den er gegen aussen machte – weiter, fast so, als hätte es sich um einen marginalen Routineeingriff gehandelt. Er ging seiner Arbeit nach, behielt sein Schauspiel-Premierenabonnement, machte weiter aktiv Fasnacht, traf seine Freunde zum Essen, war sehr präsent im kulturellen und gesellschaftlichen Leben Basels.

Und er verlor seinen Humor nicht. Zehn Jahre nach der folgenschweren Operation lud er seine Freunde zu einem «Magenfest» ein, wie er es nannte. Mit einer Einladungskarte, auf der als augenzwinkernder Hinweis Zeichnungen verschiedener Tiermägen abgebildet waren. Er hatte eingeladen, um zu feiern, dass er zehn Jahre ohne Magen überlebt hat.

Weg von der Bildfläche

Aber offensichtlich zehrten diese Umstände doch an seinem Körper und an seinem Wesen. In den letzten Monaten verschlechterte sich sein physischer und psychischer Zustand rapide. Ich führte im Januar, bei einem Ausflug mit Fasnachtsfreunden ins Berner Oberland, das letzte Mal ein langes Gespräch mit ihm. Damals schien er noch guter Dinge, die Krisen überwinden, sie meistern zu können. 

Danach aber verschwand er von der Bildfläche. An der Fasnacht 2018 nahm er nicht mehr Teil. Das Fest zu seinem 60. Geburtstag sagte er kurzfristig ab. Den institutionellen Anlässen blieb er fern.

Nun der Schock, von seinem Tod zu erfahren. Und von den Umständen seines Todes, auf die wir hier nicht eingehen wollen. Mit dem Weggang von Michi Kessler hat sich im kulturellen und gesellschaftlichen Leben Basels eine Lücke aufgetan. Seine Ehefrau Catherine und die vielen Freunde werden ihn vermissen.

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