Im Schlingerkurs hoch auf Platz 2

Noch ist beileibe nicht alles gut beim FC Basel – wie auch, ohne Training, sagt der Trainer. Aber dank des 3:2 gegen den FC Sion hat Marcel Koller die Rotblauen ergebnismässig in der gewünschten Spur.

Was nun zu halten sei von dieser FCB-Mannschaft, wurde Marcel Koller nach dem 3:2 gegen Sion gefragt. Bei drei Siegen aus den ersten drei Spielen unter seiner Regie hätte sich Koller in die Brust werfen und ein bisschen schwärmen können von seinem neuen Team. Aber der 57-jährige Trainer ist klug genug, den Ball flach zu halten. Es hatte ja jeder im St.-Jakob-Park sehen können, wie anfällig dieser FCB noch wirkt.

Vor allem den Jüngeren, so Koller, müsse klar gemacht werden, nicht blindlings nach vorne zu rennen, auch mal auf den Ball zu stehen, den Ball zirkulieren zu lassen in den eigenen Reihen. «Das passiert mir noch zu wenig. Wir haben noch zu viel Hektik in unserem Spiel», sagt Koller, «und ich muss es immer wieder erwähnen: Wir haben keine Zeit zu trainieren.»

Die Stoffvermittlung des neuen Trainerstaffs findet derzeit grösstenteils per Videoanalyse statt, es trifft damit zwar auf willige Adressaten, aber bis zu einem gewissen Grad an Souveränität, an Homogenität und neuem Selbstverständnis ist es noch ein Stück.

Ajeti – nur an der Playstation schneller

Dabei entwickelten sich die insgesamt 95 Minuten ganz in Sinne der Basler. Rausgehen, Vollgas geben – das habe man sich vor dem Spiel vorgenommen, erzählt Silvan Widmer: «Wir wollen die Fans auf unsere Seite ziehen.» Zuletzt war ja eher das Gegenteil der Fall gewesen, und nun führte der FCB nach 45 Sekunden und Albian Ajeti. Der mag sich nicht an ein vergleichbar frühes Tor erinnern: «Höchstens auf der Playstation.»

Das schnellste Tor in der Basler Super-League-Historie bleibt jedoch Mile Sterjovskis Treffer nach 13 Sekunden. Erzielt auch in einem Heimspiel gegen den FC Sion im November 2006. Unangefochten ist Moussa Konatés Rekordtreffer für Sion gegen den FC St. Gallen im März 2015 nach zehn Sekunden, aber wirklich unvergessen beim Basler Publikum ist jenes Tor, das Christian Gimenez im November 2002 nach 32 Sekunden gegen Manchester United glückte.

Das Spiel gegen Sion in der SRF-Zusammenfassung

Dass sich knapp 16 Jahre später an einem Augustsonntag der FCB mit einem frühen Vosprung weit zurückzog, mag bei der brütenden Hitze auf dem Joggeli-Rasen keine schlechte Idee gewesen sein, zumal im dichten Takt der Spiele, die eine vernünftige Krafteinteilung erfordern. Bloss sah sich der FCB dadurch einem Dauerstress in der Verteidigung ausgesetzt, der auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann.

Auf Anweisung des neuen Cheftrainers, das sagen einige Spieler unisono, geht die Igeltaktik jedenfalls nicht zurück.

Es bleibt dabei: In Basel kann Sion nicht gewinnen

Vom Diktat des 60-prozentigen Sittener Ballbesitzes vor Seitenwechsel konnte sich der FCB jedenfalls selten befreien. Wenn, dann sah es immerhin nach vielversprechenden Kontern aus. Doch erst spitzelte Raphael Rossi mit den Zehenspitzen dem durchgebrochenen Albian Ajeti den Ball vom Fuss (23.); eine Szene , die sich zehn Minuten fast deckungsgleich wiederholte, weil es Ajeti an der Endschnelligkeit gebrach. Und als er dann weitere drei Minuten durch war, stoppte ihn Maceiras mit einem Gelb-geahndeten Foul.

Dazwischen hatte ein wunderhübscher langer Ball des wundergenesenen Geoffroy Serey Dié in den Lauf von Widmer das 2:0 eingeleitet. Fabian Frei vollendete in der Manier, mit der er einst in der Champions League für Tore und Furore im FCB-Trikot gesorgt hatte.

Die Hoheit über die Partie behielt allerdings Sion, dessen Trainer Maurizio Jacobacci seinen Jammer nicht verbergen wollte: «Wir haben Basel in Bedrängnis gebracht und unverdient verloren.» Seit 1997 läuft der FC Sion in Basel einem Sieg in der Meisterschaft hinterher; die Schreckensbilanz ist nun auf 20 Niederlagen bei zehn Remis angewachsen.

Balantas Aussetzer, Stockers schwache Leistung

Es wäre mehr drin gelegen beim 30. Anlauf. Der FCB liess sich zurückfallen und verteidigte aus einem «tiefen Block» (Widmer). Der Aussenverteidiger war es dann aber auch, der die Flanke vor dem Anschlusstreffer zuliess. «Ich hatte kurz zuvor Gelb gesehen und wollte mit einem Tackling nicht ins Risiko gehen», erklärt Widmer.

Das zweite Problem waren die Spielverlagerungen des FC Sion, die dem FCB vor allem auf der Widmer-Seite Kopfzerbrechen bereiteten. Ricky van Wolfswinkel ging zwar viele Wege mit nach hinten, um Widmer zu unterstützen, ein Einfallstor blieb der rechte Basler Couloir gleichwohl.

Und weil im Zentrum Eder Balanta bei beiden Gegentoren krasse Aussetzer hatte, steht der junge Lette Roberts Uldrikis nun mit seinen beiden ersten Super-League-Tore zu Buche. Das zweite eingeleitet nach einem Ballverlust von Valentin Stocker, der beim Führungstor in der ersten Minute seine beste Szene hatte, danach beklagenswert schlecht spielte und nach einer Stunde Dimitri Oberlin Platz machen musste.

Suchy: Reizung an der Achillessehne und klare Worte

Zu diesem Zeitpunkt hatte Koller schon mächtig umschichten müssen. Marek Suchy war mit einer schmerzhaften Achillessehnenreizung zur Pause in der Kabine geblieben. Dafür rückte der darüber mässig amüsierte Frei wieder auf seine Notnagelposition in der Innenverteidigung zurück, durfte dafür aber die Captainbinde übernehmen. Und Luca Zuffi musste eine Linie weiter zurück, wo er doch gerade beim ersten Treffer wieder unterstrichen hatte, wie wertvoll er als Passgeber auch in der gefährlichen Zone ist. Eine Rolle, die der eingewechselte Samuele Campo nicht im Entferntesten ausfüllen konnte.

https://tageswoche.ch/sport/ein-eigentor-zum-32-beschert-dem-fcb-gegen-sion-den-zweiten-heimsieg/

Suchy führt seine Verletzung auf die Belastung der jüngsten Spiele zurück und hofft, dass mit zwei, drei Tagen Pflege ein Einsatz am Donnerstag im Rückspiel der Europa-League-Qualifikation gegen Vitesse Arnheim möglich sein wird. Die Therapie begann schon während der zweiten Halbzeit in der Garderobe., wo es erstaunlicherweise keine Live-Fernsehbilder vom Spiel draussen gibt, weshalb sich der Tscheche mittels Smartphone auf dem Laufenden hielt.

Ein Urteil erlaubte sich der Captain nichtsdestotrotz: «Mit einer 2:0-Führung sollten wir das Spiel besser kontrollieren.» Man habe den Gegner spielen lassen, was auch eine Frage des strapaziösen Programms sei, «aber das war zu viel, beziehungsweise zu wenig von uns.» Schon während der ersten Halbzeit habe man sich auf dem Platz untereinander verständigt, mehr ins Pressing gehen zu wollen – geklappt hat das nicht. Oder wie der Trainer sagt: «Wir haben das Spiel aus den Händen gegeben. Wir standen in der ersten Halbzeit viel zu weit auseinander.»

Erst der Gipfel in Bern wird Aufschluss geben

Das alles blieb ohne Folgen für die Ernte des Spieltages. Weil André Neitzke eine weitere Hereingabe des offensiv an Einfluss gewinnenden Widmer ins eigene Tor ablenkte. Ergebnistechnisch hat Marcel Koller die Mannschaft in die Spur und in der Tabelle hoch auf Platz 2 gebracht. Spielerisch befindet sich das Team jedoch noch auf Schlingerkurs.

Und wahrscheinlich weiss Koller erst am 23. September, was er von diesem FC Basel zu halten hat. Dann steht das Gipfeltreffen in Bern mit den imposant gestarteten Young Boys an. Bis dahin sollten dann auch in Basel ein paar reguläre Trainingseinheiten absolviert sein.

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