Kopf voran von der Brücke in den Rhein: Spektakulär, jedoch mit erheblichem Risiko verbunden.
Immer dann, wenn aus einem klitzekleinen Sömmerchen auch bei uns ein veritabler Sommer zu werden droht, erinnern uns die Ordnungshüter in beeindruckender Pflichterfüllung daran, dass hierzulande vieles, das ein paar wenigen Spass macht, mit einigem Risiko verbunden und deshalb verboten sei.
Zur Kategorie dieser in der Praxis kaum wirklich durchsetzbaren Verordnungen mit Bussenfolge gehört seit Menschengedenken auch das Brückenspringen, eine kopfüber oder auch als «Ärschler» praktizierte freie Sprungtechnik aus luftiger Höhe zum Zwecke der finalen Abkühlung im träge fliessenden Rhein.
Auf das (übers Brückengeländer) geneigte Publikum scheint die verbotene Sportart eine faszinierende Wirkung auszuüben. Kaum hat ein potenzieller Springer die Brücke seiner Wahl betreten, die er vorher aufmerksam auf uniformierte Freifall-Verhinderer abgesucht hat, reserviert sich das Publikum die besten Stehplätze, um das Spektakel von A bis Z zu geniessen – nur um später im Freundeskreis zu berichten, von der «Mittlere Brugg sind heute wieder ein paar Wahnsinnige in den Bach gegumpt», ohne dass sich auch nur ein einziger «Schugger» um die klare Übertretung am flüssigen Objekt gekümmert habe.
Auf der Brücke selbst wird derweil eifrig über Sinn und Unsinn, über Unbedenklichkeit oder ernsthafte Gefahr der waghalsigen Freizeitbeschäftigung diskutiert. Eine wesentliche Rolle beim Brückenspringen spielen – da sind sich auch die unbedarften Gartenbad-Jumper absolut einig – der richtige Eintauchwinkel und die hohe Aufprallgeschwindigkeit, die bei einem Zehnmetersprung ab der Mittleren Rheinbrücke rund 50 km/h beträgt. Nicht auszudenken, was da passieren kann, wenn der Springer auch noch mit einem im Wasser schwimmenden Gegenstand zusammenprallt oder ein talwärts fahrendes Schiff übersehen hat. Ein erhebliches Risiko stellt auch die Wassertiefe dar, die oft nicht ausreicht, einen Aufprall auf Grund zu verhindern.
Erstaunlich, dass bei all diesen unbestreitbaren Gefahren relativ selten über ernsthafte Verletzungen oder gar Todesfälle beim Brückenspringen berichtet werden muss. Statistisch belegt fordert der Strassenverkehr sehr viel mehr Opfer. Zugegeben, der Vergleich ist gewagt.
Immerhin sei der Schluss erlaubt, dass beide «Sportarten» gute Überlebenschancen bieten, falls sich die «Betreiber» an die geltenden Vorschriften halten und die physikalischen Grundgesetze beachten. Wo die Vernunft fehlt, können bekanntlich auch Verbote und Bussen wenig ausrichten. Womit auch diese Geschichte ihre Lehre hätte.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 09.08.13