Das Rosental ist eines der Quartiere in Basel, das sich in den letzten 15 Jahren enorm verändert hat. Lässt sich hier der kontroverse Prozess der Gentrifizierung nachzeichnen? Ein Blick zurück und der Versuch, die Veränderungen nachzuvollziehen.
Auf der Erlenmatt säumen heute Unterflurcontainer die Hauseingänge der schnurgerade ausgerichteten Neubauten. Die Zeiten des städtischen Freiraums sind hier passé, das nt-Areal ist Geschichte und die Kreativen sind längst zum Hafen abgewandert. Die Veränderung der Quartiere schreitet rasant voran und Begriffe wie «Aufwertung» oder «Gentrifizierung» machen noch viel schneller die Runde.
Aber wie funktioniert diese Gentrifizierung überhaupt? Stadtsoziologen bezeichnen damit einen musterhaften Prozess: Kreative Pioniere (Künstler, Studenten etc.) ziehen aufgrund günstiger Mietpreise und einer attraktiven Lage in ein Quartier. Deren kulturelle Aktivitäten werten das Quartier auf und ziehen mehr Menschen an.
Die Studenten schliessen irgendwann ihr Studium ab, steigen ins Berufsleben ein und gründen Familien. Investoren wittern ihre Chancen und sanieren die alten Häuser und Wohnungen oder stellen gleich Neubauten hin. Einkommenstärkere Bevölkerungsschichten ziehen ins Quartier. Schliesslich verändert sich der Charakter des Quartiers.
Im Vergleich zu anderen Basler Quartieren hat sich das Rosental in den letzten 15 Jahren enorm verändert. Fand hier ein Prozess der Gentrifizierung statt? Ein Blick zurück auf die kreativen Anfänge.
Kreativschaffende als Motor der Aufwertung?
Zwischennutzungen können als Indikator für kreatives Schaffen herhalten. Beim ehemaligen Güterbahnhof der Deutschen Bahn in der Erlenmatte wurde dieser Ansatz beim Projekt nt-Areal explizit verfolgt: Die Zwischennutzung soll Urbanität garantieren und den Standort dadurch aufwerten (siehe Karte).
Durch Klicken auf die Areale erfahren Sie mehr über den Zeitraum und die Art der Zwischennutzung. Die Karte basiert auf der Arbeit von Lena Tamini.
Im Musterablauf der Gentrifizierung ist von Pionieren die Rede, die aufgrund günstiger Mietpreise bzw. einer attraktiven Lage in ein Quartier ziehen. Das ist im Rosental nicht unbedingt der Fall. Hier fand vielmehr eine staatlich gestützte Aufwertung durch Kreativschaffende statt. Mehr als zehn Jahre lang wurde zwischen den Gleisen kreativer Freiraum gelebt, doch viel bleibt davon nicht übrig.
Diese kulturelle Aktivität, die zur Aufwertung beitrug, entspricht dem Gentrifizierungsmuster. Die Zwischennutzungen mussten weichen und eine Reihe von Investoren schaffte durch Neubauten notwendigen Wohnraum. Die Grundeigentümerin hat es aber versäumt, die geschaffene Urbanität in die Arealentwicklung einfliessen zu lassen.
Mehr Wohnungen, mehr Menschen, mehr Vielfalt
Seit 2007 kam es im Quartier zu einem Wohnungszuwachs von 353 Wohnungen. Zieht man davon den Wohnungsabgang durch Abbrüche und Umbauten ab (27), kommt man auf ein positives Saldo von 326 zusätzlichen Wohnungen im Rosental. Der Grossteil dieser Wohnungen wurde durch die Überbauung Erlentor im Jahr 2009 geschaffen.
Weitere Wohnungen sollen folgen, denn zusammen mit der Losinger Marazzi AG entwickelt und realisiert die Bricks Immobilien AG 570 Wohnungen im Erlenmattquartier. Im Kanton Basel-Stadt weist das Rosental-Quartier damit die grösste Bautätigkeit auf (siehe Grafik), dicht gefolgt vom St. Johann und dem Gundeli. Auch die Bevölkerungszahl stieg im Rosental seit 2007 um mehr als 10 Prozent an. Im Jahr 2014 lebten hier 5337 Menschen.
Die Einkommensstruktur verändert sich
Die Zuzüger beeinflussen aber auch das Einkommensgefälle im Rosental. Vergleicht man die Mittelwerte der Reineinkommen von 2008, kurz vor der Fertigstellung der ersten Überbauung, mit 2012, so ergibt sich ein Unterschied von mehr als 5000 Franken pro Kopf. Das ist ein Anstieg von fast 12 Prozent, in keinem anderen Basler Quartier hat sich das durchschnittliche Einkommen in den letzten fünf Jahren so stark verändert. Ulrich Gräf, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Statistischen Amt Basel-Stadt, gibt aber zu bedenken, dass das Rosental-Quartier im Vergleich zu anderen Quartieren beim Einkommen auch auf einem tiefen Niveau gewesen sei (siehe Grafik).
Doch wie frappant der Unterschied ist, wird deutlich, wenn man das Quartier in die beiden Bezirke Erlenmatt und Rosental unterteilt. Während der Mittelwert im Rosental etwa gleich geblieben ist, hat sich der Wert im Erlenmatt mehr als verdoppelt (siehe Tabelle). Obwohl die Einkommensschere damit auseinandergeht, bleiben die Einkommen im Rosental immer noch gleicher verteilt als in anderen Quartieren.
Die 30- bis 39-Jährigen kommen
Mit den Baumassnahmen sollte das Rosental laut Thomas Keller, Stadtentwickler Basel-Stadt, für Familien attraktiver werden. Betrachtet man die Altersdurchmischung seit 2005, stellt man vor allem eines fest: Die 30- bis 39-Jährigen haben deutlich mit fünf Prozent zugelegt (siehe Grafik). Im Vergleich zu anderen Trendquartieren wie dem St. Johann (Zunahme von 3 Prozent) oder dem Matthäus (4 Prozent), ist das ein deutlicher Zuwachs einer Bevölkerungsschicht, die tendenziell im Arbeitsleben steht. Auch beim Nachwuchs kündigt sich ein Zuwachs an, seit 2005 nahm die Anzahl der 0- bis 9-Jährigen um ein Prozent zu. Im Jahr 2014 lebten damit 594 Kinder unter zehn Jahren im Rosental. Menschen im Studentenalter von 20 bis 29 Jahren verliessen das Rosental hingegen seit 2010 zunehmend.
Mehr 30- bis 39-Jährige im Rosental seit 2005.
Aufwertung ohne Verdrängung?
In den letzten 15 Jahren fand im Rosental eine Aufwertung statt, innerhalb des Quartiers wurde eine Industriebrache in ein Wohnquartier verwandelt. Gewissen Aspekten der Gentrifizierung begegnet man im Rosental tatsächlich: Kulturelle Aktivitäten haben das Quartier aufgewertet, Investoren haben die Bausubstanz verbessert, einkommensstärkere Personen sind in das Quartier gezogen.
Die Entwicklung im Rosental entspricht den politischen Zielen von Basel-Stadt. «Die Entwicklung entspricht erfreulich genau den Vorgaben der Kantonsverfassung und dem Wohnraumfördergesetz», erklärt der Basler Stadtentwickler Thomas Kessler. Im Rosental sei ein vielfältiges Wohnangebot für alle Bedürfnisse geschaffen worden, vor allem mit Rücksichtnahme auf Familien und Benachteiligte. «Das Wohnraumangebot, der öffentliche Raum und die Schulqualität wurden verbessert», sagt Kessler.
In der öffentlichen Meinung ist Gentrifizierung negativ geprägt, schreibt die Kantons- und Stadtentwicklung. Den Zuwachs an Quartierbewohnern im Rosental wertet Kessler positiv:«Es gab dort keine Verdrängung, sondern im Gegenteil, aufgrund der Erstellung von neuem Wohnraum einen Zuwachs an Quartierbewohnern und somit eine ausgeglichenere Vielfalt.»
Mit der Aufwertung sind aber auch die Einkommen und Mietpreise angestiegen. In Hinblick auf eine vielfältige soziale Durchmischung verweist Kessler auf das Projekt Erlenmatt-Ost: «Neben Familien- und Mittelstandswohnungen zu moderaten Mietpreisen werden unter anderem auch Wohnungen für Benachteiligte und Studenten erstellt.»