Von ganz speziellem Schnitt

Als Couturier flogen Fred Spillmann die Herzen der Damen zu – an der Fasnacht die Orangen der Spötter.

Fred Spillmann mit Brille und seinen «Models» an der Vernissage vor der Präsentation seiner Frühlings-Kollektion im März 1984. Legendär wie er selbst waren seine extrem süssen Cocktails ebenso wie seine Mannequins, die er aus dem Kreis seiner Bekanntschaf (Bild: Kurt Wyss)

Als Couturier flogen Fred Spillmann die Herzen der Damen zu – an der Fasnacht die Orangen der Spötter.

Fred Spillmann passte in keine Schublade. Nicht einmal in Basel, wo so mancher immer schon etwas anders ticken durfte. In einem anderen Provinzstädtchen mit internationalem Anspruch hätte er, exzentrisch und genial wie er war, wohl kaum derart unbehelligt sich selbst sein können. Weder als Künstler seines Fachs, noch in seinem konsequenten Lebensstil.

Durch seine Brillen, die er selber entwarf und von denen er unzählige besass, sah er die Welt, wie er sie sehen wollte. Glasklar, das ­attestierten ihm alle, die ihn nicht nur vom Hörensagen her kannten, nur in anderen Formen und Normen. Die Federn, die ihn schmückten, waren nicht diejenigen der einheimischen Graureiher und Nebelkrähen, sondern jene exotischen, in den prächtigsten Farben schillernden der Paradiesvögel. Und was er unbekümmert, aber sehr bewusst aus seinem Nest zwitscherte, tönte selten «andante», sondern eher «furioso», was nicht unbedingt nach jedermanns Geschmack war.

Seinem Ruf als unglaublich kreativer Schöpfer einzigartiger Roben für die schon von Haus aus gut betuchten Repräsentantinnen der Basler Haute Volée tat das keinerlei Abbruch, ganz zu schweigen von den Weibchen der internationalen High Society, die sich regelmässig und zuhauf eine Stippvisite beim Basler Couturier an der Schifflände gönnten, mehr oder minder inkognito, versteht sich. Fred Spillmann gönnte sich dafür einen exzentrischen Lebenswandel in einer Stadt, die ihn so leben liess, wie er war.

Nicht, dass man über ihn nicht getuschelt, gespöttelt und nicht selten auch gezotet hätte: Wer, notabene als einer der Ersten und das erst noch völlig selbstverständlich, so offen und öffentlich über seine privaten Männerbeziehungen sprach, der war – um auch hier sprachstofflich im Bild zu bleiben – für die geschlossene Gesellschaft der Nachkriegszeit ein rotes Tuch. Was über ihn getuschelt, gekichert und geätzt wurde, war ihm egal.

Klar, dass einer wie «Fredi» an der Fasnacht nicht ungeschoren davonkam. Die Schnitzelbangg-Verse über ihn waren oft ­genug unter jeder Sau. Fred Spillmann wäre ­jedoch nicht «Fredi» gewesen, hätte er die «Drey scheenschte Dääg» nicht mannhaft durchgestanden. Inklusive Cortège, den er von der Spillmann-Terrasse an der Schiff­lände aus verfolgte, wo man ihm im Hagel un­zähliger Wurforangen die ganz spezielle ­Reverenz erwies.

Fred Spillmann starb 1986 im Alter von 71 Jahren, unmittelbar vor seiner 100. Modeschau. In Basel wird er unvergessen bleiben, woraus wir lernen könnten, dass es manchmal durchaus Sinn macht, wenn einer sich zeitlebens nicht schubladisieren lassen will.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.10.12

Nächster Artikel