Dieser Artikel beginnt mit einem Bekenntnis: Ich mache nicht so viel im Haushalt, wie es die Sachlage verlangt. Aber ich kann für alle Nachlässigkeiten plausible Gründe ausweisen – womit wir zum an dieser Stelle notwendigen Rechtfertigungsteil kommen.
Es stört mich nicht, wenn ein leeres Rotweinglas ein paar Tage auf dem Stubentisch rumsteht. Genauso wenig, dass der Badezimmerspiegel Flecken vom Zähneputzen hat und das schmutzige Geschirr eine Nacht oder ein bisschen länger im Spülbecken eingeweicht ist. Wenn sich Altglas auf dem Balkon häuft, kümmert mich das nicht, und auch nicht, wenn die Zucchetti im Kühlschrank eine Wesensveränderung vollziehen.
Gleichstellung beginnt im Privaten
Nicht alles ist mir gleichermassen egal. Gehen mir zum Beispiel die sauberen Kleider aus, dann ärgert mich das. Aber dafür kann ich nichts: Wäsche, die macht sie.
Ich könnte jetzt eine Reihe weiterer Argumente aufbringen, um meine Position zu untermauern – hab ich schon gesagt, wie viel ich arbeite? –, doch braucht es das gar nicht. Denn ich liege im Schnitt: Ich bin der typische Schweizer Mann.
Der kleine Exkurs ins Private ist relevanter, als es den Anschein hat. Dieser Tage wurden im Ständerat einmal mehr Massnahmen diskutiert, die klaffende Lücke zwischen Männer- und Frauenlöhnen zu schliessen. So erhalten männliche Berufsanfänger bei identischer Qualifikation sieben Prozent mehr Lohn; nach langer Karriere im Kader angekommen, beträgt die Differenz dann mehr als 20 Prozent.
Die Linke wollte Firmen dazu bringen, endlich fair zu entlöhnen – die bürgerliche Mehrheit hat die Forderungen bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Es könne nicht sein, dass der Staat den Firmen vorschreibe, wie diese ihre Angestellten zu entlöhnen hätten, hiess es. Die alte Leier: Aller Gleichstellungsgesetze zum Trotz soll Gleichstellung in der Schweiz Privatsache bleiben.
Die Aufgabenteilung hat sich über die Jahre kaum verändert, eine Annäherung der Geschlechter hat nicht stattgefunden.
Wenn diese Forderung einen legitimen Kern aufweist, dann diesen, dass die Probleme tatsächlich im Privaten beginnen, in der gemeinsamen Küche, in der Kinderbetreuung und beim Wochenputz.
Für Basel schafft die letzte Familienbefragung von 2013 eine erdrückende Faktenlage. Zwar geben fast zwei Drittel aller Väter an, sie würden gerne Hausarbeit erledigen. In der Realität leisteten aber Mütter 55 Stunden Haus- und Familienarbeit pro Woche und Väter gerade mal 31 – Tendenz abnehmend. Nur Rechnungen bezahlen und Reparaturen vornehmen sind Männerdomänen. Kochen, Waschen, Putzen, Wickeln erledigen vornehmlich die Frauen.
Diese stereotype Aufgabenteilung hat sich über die Jahre kaum verändert, eine Annäherung der Geschlechter hat entgegen dem beliebten Narrativ des modernen Mannes nicht stattgefunden. Nicht mal in urbanen Zentren, die sich als progressiv erachten: Gleichstellung im Haushalt findet in Basel genauso wenig statt wie in der restlichen Schweiz.
Mütter und Väter leisten eine 70-Stunden-Woche
Die verzerrte Wahrnehmung der Männerschaft ist dabei ein geringes Übel. Problematisch ist, dass dadurch Rollenverteilungen zementiert und an die nächste Generation weitergereicht werden. Wer das Mami im Haushalt schuften sieht, während der Papa im Büro sitzt, wird diese Verhältnisse als Norm verstehen. Und wer zahlt seinen weiblichen und männlichen Angestellten später denselben Lohn, wenn er in seinem Erfahrungsschatz das Bild der eigenen Mutter am Staubsauger bewahrt?
Womit wir bei der alten Formel der Frauenbewegung angelangt sind, die heute etwas aus dem Blick geraten ist: Alles Private ist politisch.
Eine weitere Entwicklung ist beachtenswert: So steigt die Erwerbstätigkeit von Müttern seit Jahren kontinuierlich an, ohne dass deren Anteil an der Hausarbeit abgenommen hat. 1997 arbeitete eine Mutter in der Schweiz im Durchschnitt zehn Stunden die Woche, 2016 waren es 15 Stunden. Die Arbeit im Haushalt blieb dabei in etwa konstant. Bei den Männern ist die Tendenz ähnlich: Sie arbeiten mehr im Geschäft als früher – wenn auch nicht 50 Prozent mehr – und leisten etwas mehr Hausarbeit.
Unterm Strich sehen sich Eltern einer immensen Arbeitsbelastung ausgesetzt. Sowohl Mütter als auch Väter leisten im Durchschnitt eine 70-Stunden-Woche, wobei Männer deutlich mehr für Geld arbeiten und Frauen für die Familie.
Ob sich die Grenze der Arbeitslast weiter nach oben schieben lässt, kann bezweifelt werden. Wer fordert, Mütter müssten früher und konsequenter ins Berufsleben zurückkehren, um die Lücke an Fachkräften zu füllen, der verkennt den Alltag in Schweizer Haushalten, wo sich die Arbeit in schmutzigen Stapeln und staubigen Ecken ansammelt.
Ein unterschätztes Argument
Auch wenn keine Kinder im Spiel sind, sollten Frauen übrigens genau abwägen, ob sich eine gemeinsame Wohnung lohnt. So nimmt die von Frauen geleistete Hausarbeit zu, sobald sie mit einem Mann zusammenziehen, während sich die Männer im gemeinsamen Nest von den lästigen Pflichten zurückziehen.
Ziemlich sicher falsch, jedenfalls kontraproduktiv fürs Anliegen der Drückeberger, ist die Vorstellung, Putzen sei unmännlich. Eine amerikanische Studie untersuchte 2008 den Zusammenhang zwischen Sexualität und Hausarbeit. Der überraschende Befund des Psychologen Joshua Coleman: «Die Frauen sagen uns, sie fühlten sich sexuell mehr von ihren Männern angezogen, wenn diese sich an der Hausarbeit beteiligen.»
Vielleicht sollten Gleichstellungsbeauftragte diese Studie häufiger in ihre Argumentarien einfliessen lassen. Denn wenn etwas die Männerwelt bewegt, dann die Aussicht auf Sex.