Warum Frauen einfach mal abgammeln sollten

Erfolgreiche Frauen animieren in der Öffentlichkeit gerne zur Nachahmung ihres Erfolgs: «Frauen, hängt euch rein», schallt es aus den Chefetagen. Vor lauter Karrierefeminismus wird dabei gerne übersehen, dass eine Kaderposition nicht die Sache aller Frauen ist. In Basel soll jetzt das Ausspannen zelebriert werden, noch nie war Chillen so politisch.

Was der «Dude» darf, soll auch emanzipierten Frauen erlaubt sein: Einfach mal relaxen.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Erfolgreiche Frauen animieren in der Öffentlichkeit gerne zur Nachahmung ihres Erfolgs: «Frauen, hängt euch rein», schallt es aus den Chefetagen. Vor lauter Karrierefeminismus wird dabei gerne übersehen, dass eine Kaderposition nicht die Sache aller Frauen ist. In Basel soll jetzt das Ausspannen zelebriert werden, noch nie war Chillen so politisch.

Faul wirds, richtig lazy. Das Sääli «Zum goldenen Fass» avanciert am Montag, 23. November, zur Hochburg des Nichtstuns und der Entspannung. Auf Durchreise ihrer Faulen-Frauen-Tour sind die Missy zu Gast, fünf Redakteurinnen des gleichnamigen Magazins aus Berlin. Und wenn die eines können, dann Chillen.

Warum Sie anderen Leuten beim Abhängen zusehen sollen? Weil es politisch ist.

Sie sind zu faul, diesen Artikel zu lesen? Tun Sie es trotzdem, lesen entspannt.

Um die geneigten Lesenden nicht mit dem schlimmen «F»-Wort abzuschrecken, möchten wir das «Missy Magazine» als popkulturelles Heft mit weiblichem Blickwinkel beschreiben. Die Missys interessieren sich für Transfamilien und Computerspiele, Achselhaare und Sofia Coppola. Und ja, auch Männer kommen vor.

Das allein ist allerdings noch kein Grund, auf Tour zu gehen, denn alternativen Journalismus gibt es auch anderswo. Eine übererfolgreiche Crowdfunding-Aktion für eine neue Website hat den Redakteurinnen mehr Geld als erwartet in die Portokasse gespült. So viel, dass sie beschlossen, mit diesem Überschuss auf Tour zu gehen. Das wars dann aber schon mit dem Kraftakt, denn eigentlich soll diese Rundreise vor allem eine Botschaft begleiten: Frauen, entspannt euch!

Nieder mit dem Karrierefeminismus!

«Die Idee dazu entstand aus einer simplen Beobachtung», sagt Katrin Gottschalk, eine der Mitbegründerinnen und Chefredakteurin des Magazins. «Feministische Anliegen werden zunehmend auf die Feststellung beschränkt, dass es Frauen jetzt bis in den Vorstand grosser Unternehmen schaffen können. Viele erfolgreiche Frauen, aber auch die Medien propagieren das Bild der sogenannten Karrierefeministin.»

Viele Frauen stören sich an diesem einseitigen Narrativ, die Missys opponieren dagegen. Ist das nicht Verrat?

Die erfolgreiche Frau ist die Ikone der modernen Weiblichkeit. Sie packt Karriere, Partner und die Familie unter einen Hut und sieht womöglich noch gut aus. Der Frau stehen im 21. Jahrhundert alle Türen offen, sie muss sie nur durchschreiten. Die Medien feiern ihren Erfolg und damit auch ein wenig ihre eigene Fortschrittlichkeit, die Frau steht vor Chancen, Respekt, Akzeptanz. Ist das nicht die Frau, für die Generationen von Frauenrechtlerinnen sich eingesetzt haben?

Sie ist es.

Mit einem kleinen Manko: Wenn sich berühmte Repräsentantinnen wie die Facebook-Managerin Sheryl Sandberg – gestützt durch eine begeisterte mediale Öffentlichkeit – zur Norm erheben, geraten jene Frauen unter Druck, die ohne Gram auf eine Karriere verzichten. Wie eine Wanderpredigerin jagte Sandberg vor zwei Jahren durch die deutschen Pressesäle und lächelte sich auf alle Titelseiten, die sie haben wollten. Der Grund ihres Besuchs: Ihr neues Buch mit dem selbsterklärenden Titel: «Lean in».

Tut, was ihr wollt

Doch Frauen wie Sandberg – und es sind meistens Frauen, die andere Frauen dazu ermuntern etwas aus sich zu machen – lassen zweierlei unbeachtet. Zum einen finden solche Glanzkarrieren nicht selten auf dem Buckel anderer Frauen statt, die für die Damen im Rampenlicht den Haushalt, die Erziehung der Kinder etc. übernehmen. Und zweitens: Nur weil eine Frau als Verwaltungsrätin mittlerweile in den Bereich des Vorstellbaren gerückt ist, heisst das nicht, dass nun alle Frauen diese Möglichkeiten auch zwingend wahrnehmen wollen. 

Doch genau das wird in den Medien suggeriert. «Frauen! Hängt euch rein, nutzt eure Chancen, macht was aus euch.» Wenn nun eine Gruppe junger Aktivistinnen dem «Lean in» ihr «Chill out» entgegenhalten, dann wollen sie damit nicht den hart erarbeiteten Erfolg feministischen Engagements untergraben, sie wollen ihm lediglich seine Absolution nehmen.

Man(n) kann sich an dieser Stelle natürlich fragen, warum sich die Forderung der Missys auf die Frauen beschränkt, schliesslich sind auch die Männer dem marktwirtschaftlichen Leistungsdiktat unterworfen. Aber den Männern wird zumindest in der Unterhaltungskultur das Faulenzen zugestanden, während auch hier Frauen kaum zum Zug kommen. Relaxende Frauen: Dieses Bild wird schlicht nicht gezeigt.

Ganz anders die Männer, von ihnen haben es ganze Heerscharen von Faulenzern auf den Pop-Olymp geschafft, wo sie qua Nichtstun bis heute an Coolness gewinnen. Allen voran der Oberfläzer Big Lebowski, dem es gelang, sich mit lahmen Accessoires wie Pyjamahosen, Fettsträhnen und einem Bierbauch zur Ikone zu mausern.

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Frauen werden diese Rollen in Filmen kaum zugestanden. Sie sind in der Regel die, die ihre Jungs am Ausspannen hindern und irgendetwas unternehmen wollen. Abhängen unter Filmfreundinnen ist oft gleichbedeutend mit joggen gehen oder eine Gesichtsmaske auflegen. Aber Big-Lebowsky-mässig auf dem Sofa hängen, Chips mampfen und Bier trinken? Selten.

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Die Missys wollen diese Wahrnehmung unter anderem mit einer Video-Lecture durchbrechen, mit der sie einige Exemplare berühmter weiblicher Nichtstuerinnen vorführen. Auch ein kleiner Bastelworkshop ist geplant, an dem mit möglichst wenig Aufwand etwas Hübsches entstehen soll. Begleitet von einem lahmen, sehr langsamen DJ-Set.

Vor dem Hintergrund eines allgemeinen Negierens weiblichen Nichtstuns bekommt das geplante Gruppenchillen im Sääli eine neue Bedeutung. Der Abend soll dazu dienen, der hehren Verwirklichungspropaganda und dem impliziten Verbesserungszwang, dem vor allem Frauen auch in ihrer Freizeit ausgesetzt sind, den faulen Ranzen entgegenzustrecken. Noch nie war Entspannung so politisch. Jungs, holt den Frauen mal ein Bier.

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Die «Missy Magazine»-Gender-Show, Sääli «Zum goldenen Fass»: Montag, 23. November, 20 Uhr.

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