Ende Januar ist Schluss. Dann schliesst am Nadelberg das Chico Scatola. Das Geschäft, das sich auf Souvenirs, Küchenutensilien und Geschenke spezialisiert hat, rentiert nicht. Deshalb zieht Geschäftsführerin Vibusha Thüring die Reissleine.
«Das Geschäft hat noch nie Gewinn abgeworfen, aber bisher konnten wir gerade so unsere Kosten decken», sagt Thüring. «Aber auch das nur, weil wir ein Familienbetrieb sind.» Bisher wurde Thüring von ihrer Mutter und ihrem Bruder unterstützt.
Nun hat sie sich entschieden, nach über vier Jahren aufzugeben. Sie ist enttäuscht: von der ausbleibenden Kundschaft und von der Basler Politik. «Seit das 8er-Tram nach Weil fährt und die Leute nicht mehr mit dem Auto bis vor den Laden fahren können, geht es mit unseren Verkäufen bergab», sagt sie. Dagegen würden auch die Bestrebungen der Bürgerlichen für verlängerte Ladenöffnungszeiten nicht helfen, über die am 25. November abgestimmt wird.
Das Geschäft folgt der Kundschaft und geht online
«Wir haben schon alles versucht: Am Montagmorgen den Laden aufmachen, am Samstag bis spät arbeiten – mehr Kunden sind trotzdem nicht gekommen», sagt die Besitzerin. Das Problem sei die Einstellung der Kundschaft: «Viele kommen hierher, schauen sich die Sachen an und kaufen sie dann im Internet», sagt Thüring. Deshalb geht sie jetzt den gleichen Weg: Sie schliesst den Laden und bietet ihre Produkte künftig online an.
Es ist ein hartes Geschäft rund um den Spalenberg. In diesem Jahr schloss bereits das Antiquariat Dr. H. Koechlin, weil niemand den Laden übernehmen wollte. Der Modelleisenbahn-Laden Bercher & Sternlicht gab ebenfalls in diesem Sommer auf, weil der Umsatz stetig abnahm. Und bald folgt Chico Scatola.
Abstimmung über längere Ladenöffnungszeiten
Der Grosse Rat hatte im Juni mit knappem Resultat entschieden, die Ladenöffnungszeiten anzupassen: Am Samstag sollen die Läden neu bis 20 Uhr statt bis 18 Uhr auf haben dürfen, am Gründonnerstag eine Stunde länger bis um 18 Uhr. Die Gewerkschaft Unia hat binnen eines Monats genügend Unterschriften für ein Referendum gesammelt. Darum stimmen die Baslerinnen und Basler am 25. November über verlängerte Ladenöffnungszeiten ab.
Die Ratsrechte argumentierte, die Liberalisierung sei nötig, um gegen die Läden im nahen Ausland bestehen zu können und um die Innenstadt attraktiver zu machen. Die Linken sind dagegen, weil sich kleine Läden diese Verlängerung nicht leisten könnten, ausserdem fehle ein allgemeingültiger Gesamtarbeitsvertrag, welcher die Arbeitszeiten der Arbeitnehmenden regeln würde.
Wer jetzt denkt, am Spalenberg raffe das grosse Lädelisterben ein Geschäft ums andere dahin, liegt allerdings falsch. Es gibt viele Läden, die sich seit Jahren behaupten. Sie alle haben eine Nische gefunden, in der sie existieren können. Jeder der Ladenbetreiber betont, dass sie darin ihr Erfolgsrezept sehen. Gleichzeitig glaubt keiner von ihnen, dass die verlängerten Ladenöffnungszeiten irgendjemandem etwas bringen. Die Probleme – und auch die Chancen – sehen die Lädelibesitzer anderswo.
Sorgenkind Rümelinsplatz
Zum Beispiel Iwan Paulin: Er übernahm vor rund sechs Jahren den «Spielegge» am Rümelinsplatz. Das Traditionsgeschäft, das seit 1974 besteht, kann sich im Markt behaupten – obwohl in nächster Nähe gleich zwei weitere Spielwarengeschäfte liegen. «Ich setze auf europäische Produkte aus nachhaltigen Rohstoffen», erklärt Paulin seine Nische. Damit hat er Erfolg. Auch wenn Ende letzten Jahres erstmals ein Minus in der Buchhaltung stand.
Sein grosses Sorgenkind ist der stiefmütterlich behandelte Rümelinsplatz, der schon seit längerer Zeit neu gestaltet werden soll. «Es kommen immer neue Einsprachen, die das Projekt verzögern. Dabei ist dies unsere grosse Hoffnung.» Mit «uns» meint Paulin die Ladenbetreiber rund um den Rümelinsplatz. Ihnen fehlt die Laufkundschaft. «Wenn die Leute einen Grund hätten, auf dem Rümelinsplatz ihre Mittagspause zu verbringen und sie Lust hätten, hier zu flanieren, wäre auch mehr Laufkundschaft da.»
Paulin dreht aber nicht nur Daumen, bis die Bagger auffahren. Die Ladenbesitzer haben sich im Verein Instand-Belebung Rümelinsplatz organisiert und versuchen gemeinsam, den Platz attraktiver zu gestalten. Zum Beispiel mit einem Weihnachtsbaum und Lichterketten während der Adventszeit. «Wenn man vom Marktplatz hinaufschaut und nur eine dunkle Gasse sieht, kommt niemand auf die Idee, hier einzukaufen», ist Paulin überzeugt.
Paulin glaubt nicht, dass längere Öffnungszeiten etwas bringen: «Ich bin heute einer der wenigen, die am Samstag bis um 18 Uhr offen haben.» Weil die anderen Läden früher zumachten, mieden viele Kunden am Samstagnachmittag den Rümelinsplatz. Es sei einfach zu wenig los. «Was wirklich helfen würde, wären einheitliche Öffnungszeiten.»
Kombination aus Laden und Onlineshop
Ähnlich tönt es auch, wenn man bei «Drei-Käse-Hoch» nachfragt. Den Laden, der sich auf Produkte rund ums Baby spezialisiert hat, gibt es seit 2011. Am Montagmorgen und am Samstagnachmittag, wenn die meisten Läden am Spalenberg geschlossen sind, macht auch dieses Geschäft weniger Umsatz. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn er eine Stunde länger offen hätte, ist Geschäftsführer David Nippel überzeugt. Dies entspräche sowieso nicht den Bedürfnissen seiner Kundschaft: «Abends um 18 Uhr sitzen die meisten Eltern am Tisch und essen mit ihren Kindern zu Abend.»
Sein Geschäft hat schon einige schwierige Situationen meistern müssen: «Wir haben den Umbau des Spalenbergs miterlebt, die Eröffnung des 8er-Trams, den Euro-Crash und die verkehrsfreie Innenstadt. Wir mussten uns immer anpassen», sagt Nippel. Sein Erfolgsrezept: eine eigene Filiale in Lörrach, dank der er seine Ware selbst verzollen kann und ein gut sortierter Onlineshop. «Mittlerweile verkaufen wir noch 40 Prozent der Ware im Laden, den Rest bestellen die Leute», sagt er.
Nippel sieht dies nicht als Nachteil, sondern als Chance: «Ich kann mir gut vorstellen, noch mehr kleine Läden zu eröffnen, die quasi als Schaufenster für unseren Onlineshop dienen.» Dabei sei es wichtig, ein möglichst breites Angebot mit einigen exklusiven Produkten anbieten zu können – dann würden die Kunden auch treu bleiben. «Wir müssen das Geschäft als Ganzes betrachten und nicht als gegenseitige Konkurrenz.» Für ihn ist dies das Konzept der Zukunft.
Die Strategie der Exklusivität verfolgt auch Chieko Oeschger mit ihrem Laden Sevensisters. Sie bietet so ziemlich alles an, vom Buttermesser über die Bettflasche bis hin zu Kinderkleidern und einer ganzen Bandbreite an Accessoires. Und sie kann sich damit seit 25 Jahren behaupten.
«Wichtig ist, dass die Leute in meinem Laden Sachen finden, auf die sie im Internet nicht gleich stossen», erklärt Oeschger. So könne sie sich gut gegen die digitale Konkurrenz behaupten. Und auch sie sagt: «Das Wichtigste ist, dass die ganze Strasse lebt. Dann kommen auch die Kunden – egal, ob sie eine Stunde länger einkaufen können oder nicht.»
Besseres Sortiment statt längere Öffnungszeiten
Dass die Strasse bereits heute genügend belebt ist, davon ist Patrizia Reichenstein überzeugt. Die Filialleiterin des Kleider- und Accessoirladens Tarzan hat keinen Grund zur Klage: «Bei uns läuft das Geschäft super.» Gerade in diesem Sommer sei der Umsatz sehr gut gewesen. «Es kamen viele Touristen, die vom Petersplatz über den Spalenberg zum Marktplatz spaziert sind. Und die haben auch bei uns eingekauft.»
Sie sieht deshalb keinen Grund, warum ihre Mitarbeitenden noch eine Stunde länger arbeiten sollten. Vielmehr nimmt sie sich selbst in die Verantwortung: «Wir müssen mit der Zeit gehen, neue Trends frühzeitig erkennen und unser Sortiment anpassen. Dann müssen wir uns keine Sorgen machen.»
Gerade die Kundenbindung sieht sie als wichtige Stütze dabei. «Wenn die Kunden mit unserem Service zufrieden sind, kommen sie auch immer wieder. Und sowieso: Wer heute bereits im Internet einkauft, wird es auch in Zukunft tun. Es gibt nunmal unterschiedliche Präferenzen.»
Erika Ottenburg kann dem nur beipflichten. Sie führt das Geschäft ihres Mannes, der sich altershalber zurückgezogen hat. 1942 begann er in dem Geschäft die Lehre zum Messerschmied, seither verkaufte er dort mit seiner Frau qualitativ hochstehende Messer und Scheren. «Das Geschäft läuft sehr gut», sagt Ottenburg. «Es wurde in den vergangenen Jahren eigentlich immer besser.»
Nur das verkaufen, von dem man eine Ahnung hat
Auch Ottenburg profitiert von den Touristen, doch auch Stammkunden würden immer wieder den Laden besuchen. «Wir haben viele Kochlehrlinge aus den Traditionshotels, die hier ihre erste Ausstattung kaufen», erzählt sie stolz. «Die Köche kommen seit Jahrzehnten hierher, um ihre Messer zu schleifen oder neue zu kaufen.»
Für die Ladenbesitzerin ist klar: Man darf in seinem Geschäft nur Dinge anbieten, von denen man eine Ahnung hat. «Wer nichts vom Kochen versteht, der kann auch kein Kochmesser verkaufen», sagt sie. Und das sei auch der Grund, dass die Leute zu ihr kommen und nicht in den grossen Warenhäusern einkaufen oder im Internet bestellen. «Bei mir kann man die Messer noch anfassen», sagt sie.
Das Ladensterben am Spalenberg macht ihr keine Sorgen – im Gegenteil: Während sich ihr Mann Toni nach seinem 90. Geburtstag im vergangenen Jahr aus dem Geschäft zurückgezogen hat, will Erika Ottenburg nicht von der Theke weichen. «Ich hoffe, dass ich bis zu meinem Ende im Laden stehen kann.»
Gerne hätten wir vom Verein Pro Innerstadt erfahren, was dieser von den verlängerten Ladenöffnungszeiten hält. Leider ist die Medienstelle in dieser Woche nicht erreichbar.