Weshalb Männer ihre Frauen schlagen

Der Kanton Basel-Stadt setzt bei häuslicher Gewalt verstärkt auf Täterberatung. Das Männerbüro unterstützt Täter, die freiwillig lernen wollen, in Konflikten nicht auszurasten.

Männer schlagen zu, wenn sie sich in ihrer Würde bedroht fühlen. (Bild: iStock)

Maria* ist fast gestorben. In ihrem Schlafzimmer, erstochen von ihrem Ehemann. Er rammte ihr ein Messer in den Hals, weil er dachte, sie betrüge ihn. Marias Kinder riefen die Polizei. Der Mann sitzt nun im Gefängnis.

Vor ein paar Jahren hat Maria der TagesWoche ihre Geschichte erzählt. Häusliche Gewalt kommt in der Schweiz nach wie vor häufig vor. Im Jahr 2015 rückte die Polizei 14’000 Mal wegen häuslicher Gewalt aus und registrierte dabei über 9000 Personen, in 80 Prozent der Fälle waren die Täter Männer, wie Zahlen des Departements des Innern zeigen.

Beratung der Täter

Fachleute sind sich einig, dass man Opfer am besten schützt, indem man Täter in die Gewaltberatung schickt. Deshalb hat die Basler Regierung Ende 2016 einen Pilotversuch verlängert und erreicht so vier mal mehr Täter als früher. Der Erfolg bestätigte sich auch in der Folge:

https://tageswoche.ch/gesellschaft/polizei-soll-besser-vor-haeuslicher-gewalt-schuetzen-koennen/

Doch warum schlagen Männer überhaupt zu?

Das fragt Walter Grisenti jeweils die Täter. Grisenti ist Geschäftsführer des Männerbüros Basel. Dieses Jahr wandten sich 50 Täter ans Männerbüro, bei 43 Prozent der Fälle handelte es sich um gegenseitige Gewalt, in der auch Frauen die Fäuste heben.

Die Beratung soll den Männern helfen, die Gewaltdynamik zu verstehen, damit sie in Konflikten neue Möglichkeiten lernen, gewaltfrei zu handeln.

Neun von zehn Tätern, die ins Männerbüro kommen, hatten noch nie Kontakt mit der Polizei und kommen freiwillig in die Beratung. Sie wollen herausfinden, weshalb sie die Personen schlagen, die sie am meisten lieben.

Im Gespräch mit Grisenti geben sie die verschiedensten Erklärungen für ihre Aggression: weil die Frau am Handy spielte, statt rechtzeitig das Nachtessen auf den Tisch zu bringen, weil sie mit dem Kind zum Schulmediziner statt zum Antroposophen wollte oder weil sie darauf besteht, bei geschlossenem Fenster zu schlafen.

Es geht um Würde

Doch Grisenti ist sich sicher: «Gewalt hat immer dieselbe Ursache». Es gibt einen Konflikt und dieser Konflikt erscheint unlösbar. Der Täter fühlt sich machtlos und in seiner Würde bedroht – und schlägt zu, um seine Männlichkeit wiederherzustellen.

Viele Täter glauben, sie seien nur dann etwas wert, wenn sie sich mit anderen messen und gewinnen. «Die männliche Identität geht oft auf Kosten von anderen, die schwächer sind und unterliegen», sagt Grisenti.

Wenn sich nun die Frau gegenüber ihrem Mann durchsetzt, stellt sie dieses Bild in Frage. «Der Täter hat das Gefühl, er löst sich auf, er ist niemand mehr – also schlägt er zu», sagt Grisenti.

Das ist eine schwierige Ausgangslage: Wenn der Mann nur ein Mann sein kann, wenn er konkurriert und gewinnt – wie soll er dann lernen, ohne Gewalt auszukommen?

«Selbstverständlich ist auch der Mann, der verliert, ein Mann», sagt Grisenti. «Aber eben nur ein Verlierer, und das will ja keiner sein.» Ebenso wenig möchte er ein Opfer sein, auch das bedroht das männliche Selbstbild.

Ansprüche runterschrauben

Wie ist es dann möglich, auch der Partnerin mal recht zu geben, sie bestimmen zu lassen?

«Indem der Täter die Ansprüche an sich selber relativiert», sagt Grisenti. Der erste Schritt sei, dass der Mann realisiere, dass er nicht so stark sein müsse, wie er glaube. «Gewalttätige Männer brauchen mehr Möglichkeiten im Leben: Sie dürfen sich nicht nur als Gewinner oder Verlierer wahrnehmen.»

Wenn man das erstmal eingesehen habe, könne man im nächsten Konflikt auch einmal nachgeben, ohne das als Bedrohung wahrzunehmen und sich deswegen gleich wie ein Schwächling zu fühlen. «Dann geht der Sohn halt zum Schulmediziner und nicht zum Antroposophen.»

Nützen diese Beratungen?

Ja, sagt Grisenti. Gewalttätige Männer würden sich oft erst in den Gesprächen bewusst, wie verletzlich sie sich in Konfliktsituationen fühlen. «Wenn sie in Kontakt mit ihren Gefühlen kommen, rutscht ihnen beim nächsten Mal die Hand nicht mehr aus.»

* Marias Geschichte

https://tageswoche.ch/gesellschaft/wenn-liebe-und-fuersorglichkeit-in-wut-und-gewalt-umschlagen/

Dieser Artikel vom 22. Dezember 2016 wurde am 17. September 2018 aktualisiert.  

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