Weshalb wir immer mehr Platz brauchen

Die Leerstandsquote in Basel-Stadt hat einen neuen Tiefststand erreicht. Dabei gibt es in Basel so viel Wohnraum wie noch nie zuvor.

Im Durchschnitt verbraucht ein Basler heute rund 42 Quadratmeter Wohnfläche, so viel wie die Einwohner keiner anderen Schweizer Grossstadt. (Bild: Nils Fisch)

Die Leerstandsquote in Basel-Stadt hat einen neuen Tiefststand erreicht. Dabei gibt es in Basel so viel Wohnraum wie noch nie zuvor.

8’192’840 Quadratmeter, so viel Wohnfläche gibt es heute in Basel-Stadt. Das sind mehr Wohnzimmer, mehr Küchen und mehr Badezimmer als je zuvor in der Geschichte des Kantons. Und dennoch fehlt es an Wohnungen.

Um die Lage auf dem angespannten Wohnungsmarkt besser zu verstehen, hilft ein Blick zurück ins Jahr 1970. Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung des vorherigen Jahrhunderts und der Zuwanderung von tausenden Italienern erreichte die Stadt einen neuen Einwohnerrekord: 230’000 Menschen wohnten Ende der 1970er-Jahre in Basel-Stadt. Und sie taten das in effizienter Weise: Sie sparten Platz.

Und wie viel Wohnfläche haben Sie?

Die Leerstandsquote ist im Kanton Basel-Stadt auf einem Rekordtief von 0,2 Prozent. Wie viele Menschen hätten in Basel eigentlich bei gleichem Wohnflächenbestand Platz? Und wie viele Person könnten in Basel leben, wenn alle Bewohner so viel Wohnfläche hätten wie im Klybeck-Quartier oder in der Grossbasler Altstadt? Unser Wohnflächenrechner lädt zum Nachdenken ein.

Der durchschnittliche Basler lebte damals auf rund 32 Quadratmetern. Wie mit dem bereits damals knappen Wohnraum umgegangen wurde, zeigt unter anderem ein Inserat von 1971 in der NZZ. «Ihre Wohnung ist nicht zu klein, sie hat nur zu wenig Wohnraum», titelte ein skandinavischer Möbelanbieter und warb für Schlafzimmer, die tagsüber auch als Wohnraum genutzt werden können, «weil die Wohnquadratmeter heute so wertvoll sind».

Tendenz steigend

Wenig später setzte die grosse Landflucht ein, Zehntausende verliessen die Stadt. Heute wohnen knapp 40’000 Personen weniger in Basel als 1970 und verbrauchen so viel Platz wie nie zuvor. Im Durchschnitt besetzt eine Baslerin heute rund 42 Quadratmeter Wohnfläche, Tendenz weiter steigend.

Damit ist Basel schweizweit Spitzenreiter. In keiner anderen Schweizer Grossstadt verbrauchen die Bewohner mehr Platz.

So sei es nicht erstaunlich, dass es in Basel trotz grosser Wohnflächen so wenige leere Wohnungen gebe, sagt Peter Näf von der kantonalen Wohnraumentwicklung. «Der Wohnungsleerstand liegt heute mit 0,2 Prozent auf einem sehr tiefen Niveau. Einer der Gründe: Wir beanspruchen immer mehr Platz.»

Und Näf rechnet nicht damit, dass sich der Wohnungsmarkt in absehbarer Zeit entspannt. Nach Berechnungen des Statistischen Amts soll der Wohnflächenverbrauch pro Kopf bis in zehn Jahren um knapp einen Quadratmeter zunehmen.

Keine exakte Wissenschaft

Geht es um die Gründe für den steigenden Verbrauch über die vergangenen Jahrzehnte und um den Basler Spitzenwert, dann bleibt Näf vorsichtig: «Es ist keine exakte Wissenschaft. Da spielen sehr viele Faktoren mit.» Die oft genannten Expats dürften aber eine deutlich kleinere Rolle spielen, als ihnen häufig zugesprochen wird.

Als Haupttreiber nennt Näf zwei Gründe: der insgesamt wachsende Wohlstand und die Überalterung der Bewohner. Denn je älter oder wohlhabender die Menschen sind, desto grösser ist ihr Wohnflächenverbrauch.

Die Lösung des Problems ist nicht einfach. «Es müssten flächensparende Wohnungen gebaut werden und diese von einer angemessenen Zahl Personen bewohnt werden», sagt Näf.

Doch darüber, wie dieses Ziel erreicht werden kann, herrscht Uneinigkeit. Die Stadtrandentwicklung Ost wurde abgelehnt, und wie viel das angenommene Wohnraumfördergesetz bewirken kann, ist umstritten.

Gegen staatliche Eingriffe

Bereits werden auf kantonaler und nationaler Ebene weiterführende Massnahmen diskutiert, wie etwa eine Wohnflächenabgabe. Ähnlich der Lenkungsabgabe für den Energieverbrauch sollen sparsame Bürger belohnt und überdurchschnittliche Verbraucher zur Kasse gebeten werden.

Vorerst wird in Basel-Stadt am 8. März über die Vorlage «Wohnen für alle» abgestimmt. SP, Juso und BastA verlangen die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung, welche Liegenschaften erwerben und günstigen Wohn- und Gewerberaum anbieten soll.

Der Grosse Rat empfiehlt die Vorlage zur Ablehnung, ebenso der Hauseigentümerverband, der jegliche staatlichen Eingriffe in den Wohnungsmarkt «kategorisch» ablehnt. Das einzige Mittel zur Entspannung der Wohnungssituation, schreibt er auf seiner Webseite, sei die Erstellung neuer Wohnungen.

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