Wieder einmal ist von einer nächsten Landesausstellung die Rede. Die Basler Regierung hat 120’000 Franken an einen Planungskredit von 500’000 Franken bewilligt, der ein Grossprojekt mit Horizont 2030 voranbringen soll.
Die Schweizerischen Landesausstellungen haben eine lange Vergangenheit hinter sich – haben sie auch eine Zukunft vor sich? Die Schweiz sieht sich erneut vor diese Frage gestellt, nachdem das vor etwa einem Jahr gestartete Nexpo-Projekt mit einer Vereinsgründung und Planungsfinanzierung in eine weitere Etappe eingetreten ist.
Es war die kürzlich mit einem grandiosen Resultat bestätigte Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch, die im Rahmen einer der regelmässigen Zusammenkünfte der zehn grössten Städte der Schweiz die Idee lancierte, eine von eben diesen Städten, nämlich Zürich, Basel, Bern, Biel, Genf, Lausanne, Lugano, Luzern, St. Gallen und Winterthur, gemeinsam getragene Expo vorzuschlagen.
Das Projekt strebt eine das ganze Land umspannende Landesaustellung an und verfolgt so einen grundlegend neuen Ansatz. Die im Rhythmus von etwa 25 Jahren durchgeführten Landesausstellungen waren zunächst an einzelne Orte vergeben worden: an Zürich, Genf, Bern, Zürich und Lausanne.
Dann folgte eine Phase der regionalen Ansiedlung, mit der sich Kombinationen von Kantonen das nötige Gewicht für den Zuschlag verschaffen wollten, 1991 um den Vierwaldstättersee (nicht realisiert), 2001/02 um den Neuenburger- Murten- und Bielersee (realisiert) und zuletzt teilweise am Bodensee die Ostschweizer Expo 2017 (nicht realisiert).
Wie stellen sich die Städte zu ihrem «ländlichen» Umfeld und zu anderen, kleineren Städten?
Das 10-Städte-Projekt kann von einer glücklichen Streuung ausgehen: Neben sieben Städten der deutschen Schweiz sind zwei Städte der französischen Schweiz dabei, und – per fortuna – verfügt auch das Tessin über eine Stadt mit der nötigen Grösse: Grosslugano fällt mit seinen rund 64’000 Bewohnern dank der in den letzten Jahren vorgenommenen Eingemeindungen ebenfalls unter die Top Ten.
Zwei Kantone (Zürich und Bern) sind zweimal vertreten, und viele städtische Kantonshauptorte sind auf der Liste derart weit abgeschlagen, dass ihre Nichtberücksichtigung nachvollziehbar ist. Freiburg, Schaffhausen, Chur, Neuenburg kommen nicht an die Klasse der 40’000- oder 50’000-Bevölkerung heran.
Dies wirft die Frage auf, wie die sich selbst in Position bringenden Städte sich zu ihrem «ländlichen» Umfeld und zu anderen, kleineren Städten stellen. Im Fall von Basel-Stadt ist diese Frage aus verschiedenen Gründen besonders naheliegend. Nach dem Scheitern des Ostschweizer Projekts 2016 war in der Nordwestschweiz schnell die Idee aufgekommen, das dadurch frei gewordene Zukunftsvorhaben zu beerben.
Die Städte werden in ihrem Projekt das Zusammenleben mit ihrem Umfeld in jedem Fall thematisieren müssen.
Der Grosse Rat überwies einen Anzug, mit dem der heutige Ratspräsident Remo Gallacchi die Regierung aufforderte zu prüfen, ob zum Ende des nächsten Jahrzehnts eine Expo in der Region Nordwestschweiz veranstaltet werden könne. Davon war im Rahmen dieser Kolumne bereits im Juli 2016 kritisch die Rede.
Zu einem gleichlautenden Vorstoss war es damals auch im Landrat gekommen. Naheliegenderweise erwarten nun die Baselbieter Mitträger des Projekts «Nordwestschweiz», dass ihr Halbkanton in das neue Projekt integriert würde. Von Seiten der Stadt wurde dies jedoch, wohl aus Rücksicht auf das Gesamtkonzept, sogleich ausgeschlossen.
Eine frühere Medienmitteilung des Projekts Nexpo vom Mai 2017 hatte jedoch in Aussicht gestellt, dass dem Verhältnis von Stadt und Land ein «besonderes Gewicht» beigemessen werde. Die Städte werden in ihrem Projekt das Zusammenleben mit ihrem Umfeld in jedem Fall thematisieren müssen. Ausser in Basel-Stadt ist dies in den neun anderen Städten auch darum der Fall, weil das Projekt die Unterstützung ihrer Kantone braucht.
Aus der Vogelperspektive ist die ganze Schweiz eine einzige, mit ein paar Grünzonen durchsetzte, Megastadt.
Noch wichtiger sind die inhaltlichen Gründe. Man kann die Stadt nicht ohne gleichgewichtige Berücksichtigung des Umfelds denken. In einer veralteten Terminologie wird es pauschal als Land bezeichnet, in Wirklichkeit besteht es aber weitestgehend aus Agglomeration, aus einem Stadtkontinuum eigener Art. Aus der Vogelperspektive ist die ganze Schweiz eine einzige, mit ein paar Grünzonen durchsetzte, Megastadt. Mehr als 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung lebt heute in städtischem Gebiet.
Die schweizerischen Landesausstellungen haben, wie gesagt, eine lange Geschichte. Zu Beginn entsprachen sie einem reellen Bedarf. Dann wurde die Ausstellung zu einer Tradition und damit tendenziell zu einer Fortschreibung, bei der die Bedarfsfrage nicht mehr im Vordergrund stand. Wegen der exorbitanten Kosten und der mit solchen Events verbundenen Umweltbelastung erwuchs der Tradition inzwischen allerdings eine stets grösser werdende Opposition.
Für Landesaustellungen könnte sprechen, dass sie, wenn sie gelingen, im Vierteljahrhundert-Takt jeweils einer Generation von Machern und einer Generation von Besuchern eine ernsthafte und nachdenkliche Auseinandersetzung mit gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen ermöglichen.
Allerdings könnte man sich noch immer, wie schon früher vorgeschlagen, mit virtuellen Ausstellungen begnügen, also mit detailliert ausgearbeiteten Entwürfen, mit denen man sich auseinandersetzen kann, ohne dass sie zwingend gleich verwirklicht (gebaut!) werden müssen.
Die Infrastruktur wäre schon da
Während bei früheren Projekten eine Rechtfertigung darin bestand, dass Bauten entstanden, die man nachher nutzen konnte, und bei der sonderbaren Expo 02 der Rückbau versprochen werden musste, stellt das Städteprojekt in Aussicht, dass die gesamte Infrastruktur weitestgehend bereits vorhanden ist und nicht erst noch hergestellt werden muss.
In der Presse ist das Städteprojekt unter dem Titel Nexpo präsentiert worden. Digital hat sich dieser Name für die N-ächste Expo noch nicht durchgesetzt. Als Nexpo begegnet uns im Internet eine Umweltschutzkonferenz, die im Mai 2018 in Tokio durchgeführt wird und das N für Nippon setzt. Die damit verbundenen Stichwörter sind aber in etwa die gleichen, wie sich die schweizerische Städte-Expo vorgenommen hat: Städteplanung, Recycling, Abfallwirtschaft, Wasser, Abwasseraufbereitung.
Für eine Landesausstellung der Städte kämen allerdings noch andere Themen: etwa die Kinderbetreuung in Krippen und Tagesschulen, kostspielige Zentrumsleistungen wie Universitäten und Theater und die gesamte Verkehrsbewältigung von ÖV bis zu den Privatparkplätzen. Dies unter Gegebenheiten des freien und doch gebundenen Zusammenlebens auf stets enger werdendem Raum.
Städtebauliche Fragen standen bisher noch nie im Zentrum einer Landesausstellung.
In früheren Zeiten wurde gerne betont, dass Innovation nicht in den Zentren, sondern an der Peripherie des Landes stattfinde. Die Städte kamen in dieser Beurteilung schlecht weg, es kam die Formel der A-Städte auf (A für Arme, Arbeitslose, Alte, Ausländer, Asoziale etc.). Innovationsfähigkeit hängt nur beschränkt von örtlichen Gegebenheiten ab.
Inzwischen haben die Städte wieder an Attraktivität gewonnen. Urbanität ist das wertschätzende Schlagwort dazu. In ihnen wird nun wieder gesehen, was sie eigentlich schon immer waren, nämlich Ort der verdichteten Vielfalt. Diese bildet für eine Auseinandersetzung mit Herausforderungen der Zukunft eine gute Voraussetzung.
Dörfli und Uferidyllen
Städtebauliche Fragen standen bisher noch nie im Zentrum einer Landesausstellung. Typischerweise erhielt das Dorf in den Ausstellungen von 1896, 1914 und 1939 in der Form des «Dörfli» als Traumgebilde einen wichtigen Platz. Nachher folgten Uferidyllen an den Gestaden von Schweizer Seen.
Ein Gegenprogramm im Geiste Le Corbusiers war der von Lucius Burckhardt, Max Frisch und Markus Kutter 1955 unter dem Titel «Achtung: die Schweiz» vorgelegte Vorschlag, auf der grünen Wiese eine neue Stadt zu bauen. Das war eine gutgemeinte Aktion gegen die «Verhäuselung» der Schweiz, die zum Glück nicht verwirklicht wurde.
Der Weg ist eines der Ziele
Man kann sich fragen, ob eine Landesausstellung, selbst wenn sie im Moment sinnvoll erscheint, dies zwei Jahrzehnte später noch immer ist. Wenn die Grundanlage stimmt und die Stossrichtung überzeugt, kann mit rollender Anpassung künftigen Bedürfnissen entsprochen werden. Im Weiteren gilt, dass die Vorbereitung eine Zusammenarbeit im Austausch erfordert, was so etwas wie einen Eigenwert bildet. Der Weg ist eines der Ziele.
Erste Schritte auf diesem Weg sind bereits beschritten worden. Zehn Videobotschaften von zwei Stadtpräsidentinnen und acht Stadtpräsidenten erklären je auf ihre Weise jedem, der dies anklicken will, in Kurzbotschaften, warum sie für dieses Projekt sind. Hier zeigt sich real wahrnehmbar, wie die Vielfalt des Landes ausgerichtet auf ein gemeinsames Vorhaben daherkommt.
Wie weiter? Die gegenwärtige Sondierungsphase soll bis 2019 dauern, 2020 soll der Grundsatzentscheid fallen, frühestens 2023 kann mit der Umsetzung begonnen werden. Eröffnung könnte 2030 sein.
Georg Kreis (Hg.): Städtische versus ländliche Schweiz? Siedlungsstrukturen und ihre politischen Determinanten. Zürich 2015.