Die letzten vier Jahre konnte das Schweizer Architekturmuseum (SAM) jährlich auf 300’000 Franken Subventionen aus Bern zählen. Das machte jeweils rund einen Viertel des Budgets aus. Aufgrund einer neuen Verordnung streicht das Bundesamt für Kultur (BAK) nun aber die Subvention. Nächstes Jahr bekommt das Museum noch 70 Prozent des bisherigen Beitrags, ab 2019 kommt aus Bern gar kein Geld mehr.
Bisher wurde angenommen, dass die Kantonsbeiträge nach den neuen Regeln zu niedrig sind. Der Kanton muss mindestens 250’000 Franken beitragen, damit es Bundesgelder gibt. Aktuell sind es nur 80’000 Franken. Tatsächlich hat das SAM aber bereits höhere Beiträge beim Kanton beantragt. Das genügt vorerst für einen Subventionsantrag in Bern. Eine fehlende Aussicht auf Finanzierung fällt somit als Grund weg, warum das BAK den Antrag abgewiesen hat.
Zu wenig Häkchen auf der Kriterienliste
Das Problem liegt viel mehr bei Sammlung und Vermittlung des Museums. «Insbesondere zweifelte das BAK nach meinem Wissensstand an der Bedeutung der Sammlung des SAM», sagt Philippe Bischof, Leiter der Abteilung Kultur Basel-Stadt. «Es war bekannt, dass das einen kritischen Punkt darstellt.» Die Sammlung sei zu klein, um den BAK-Anforderungen zu genügen.
Aber was fordert der Bund genau für die Subventionsgelder? In der neuen Verordnung ist der achte Artikel den Museen gewidmet. Hier stellt der Bund drei inhaltliche Kriterien auf, hinter die er jeweils ein Häkchen setzt. Oder eben keines.
- Ausstrahlung und Qualität: Der Messwert ist die Anzahl der Besucher, ob im Museum oder auf der Website. Das BAK prüft ausserdem die Menge der wissenschaftlichen Publikationen, Erwähnungen in den Medien und Kooperationen mit dem Ausland.
- Bedeutung der Sammlung: Sie muss in ihrem Umfang und kulturellen Wert für die Schweiz einzigartig sein.
- Stellenwert der Vermittlungstätigkeit: Das BAK misst den Umfang, die Qualität, die Vielfalt und den Innovationsgrad des Vermittlungsangebots.
Die Besucherzahlen – der zentrale Messwert für die Ausstrahlung – kann das SAM nicht liefern, weil es nicht Buch führt. Das SAM ist räumlich an die Kunsthalle angegliedert und hat keine eigene Kasse. Einziger Anhaltspunkt sind die gemeinsamen Besucherzahlen. Diese liegen in den letzten drei Jahren bei rund 30’000 Besuchern jährlich. Aber auch diese Zahl ist deutlich tiefer als bei der erfolgreichen Mitbewerberin Augusta Raurica. Sie empfing letztes Jahr – alleine notabene – gut 150’000 Gäste, also fünfmal so viel.
«Das BAK scheint einen veralteten Begriff von ‹Sammlung› zu haben», sagt Direktor Andreas Ruby.
Auch das Häkchen für eine bedeutende Sammlung dürfte das SAM nicht bekommen haben. In seiner gut 30-jährigen Geschichte sammelte das SAM vor allem die Dokumente seiner eigenen Ausstellungen und Veranstaltungen. In den drei Jahrzehnten erhielt das Museum insgesamt drei Nachlässe. Einzigartig ist die Sammlung von ihrem Umfang her keineswegs. Das beweist ein Vergleich mit der Sammlung der ETH Zürich: Ihr rund 20 Jahre älteres Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (GTA) verfügt über 200 Nachlässe.
Zu modern für das Bundesamt?
Auch wenn das SAM damit an zwei der drei Kriterien scheitert, kann es den Entscheid des BAK nicht nachvollziehen. Direktor Andreas Ruby sagt: «Wir haben in letzter Zeit viel gute Resonanz für unsere Arbeit erhalten und sind von unserer Bedeutung für die Schweiz überzeugt.» Er glaubt, alle Kriterien der Verordnung zu erfüllen und damit Anrecht auf Subventionen zu haben.
Das SAM scheiterte aus seiner Sicht nicht etwa an den Besucherzahlen oder der Einzigartigkeit, sondern vielmehr daran: «Das BAK scheint einen veralteten Begriff von ‹Sammlung› zu haben», so Ruby.
Heute müsse eine Museumssammlung nicht mehr zwangsläufig aus Objekten bestehen. Das beweise das Museum of Modern Art in New York, das Performancekunst sammelt. Eine Sammlung ganz ohne Objekte also. Deshalb findet Ruby: «Wie die Museen heute sammeln, muss sich den Sammelobjekten anpassen, nicht umgekehrt.» So gesehen seien auch die Gebäude der Stadt Basel Teil seiner Sammlung.
Ausserdem biete das SAM eine Plattform, die anderen Sammlungen fehle. Ab 2020 sollen Kooperationsausstellungen mit der ETH Zürich und Lausanne und der Accademia di architettura in Mendrisio stattfinden. Die müsse das BAK mitbeurteilen, ist Ruby überzeugt. «Dass das BAK die bestehenden Prozesse nicht mitbeurteilt, lässt aus meiner Optik eine Weitsicht vermissen.» Einzigartig sei das SAM deswegen, weil sich kein anderes Museum so nennt. Fehlende Sammlung hin oder her.
Trotz Kritik: Einen Rekurs wird es nicht geben
Die unterschiedliche Wahrnehmung über die Leistung des SAM will das Museum klären. Das Schreiben aus Bern habe zu wenige Details enthalten, findet Ruby. «Die Mitteilung kam etwas durch die Blume, und wir werden hier nochmals Rücksprache mit dem Amt nehmen.»
Wenn es nach Stiftungspräsident Samuel Schultze geht, bleibt es aber bei einem Gespräch. «Für einen Rekurs müssten Verfahrensfehler vorliegen», sagt er. So einen zu finden, daran glaube er nicht. «Die Jury wird sich akribisch abgesichert haben.» Damit bleibt es dabei: Das SAM muss in den nächsten Jahren ohne Bundesgelder wirtschaften.
Das Problem beginnt nächstes Jahr. Die geringere Übergangsfinanzierung reisst ein Loch von 100’000 Franken ins Budget. Umso wichtiger wird der Antrag für zusätzliche Gelder vom Kanton. Gewähren die Grossräte den Zustupf von 170’000 Franken, ist das Problem vom Tisch. Einfach wird das aber nicht, wie der Fall des Sportmuseums zeigt.
Der Grosse Rat muss entscheiden
Um die zusätzlichen Gelder im Parlament durchzubringen, brauche es viel Engagement, warnt Bischof. «Für eine grössere politische Unterstützung braucht es mehr Lobbyarbeit.» Er wolle sich aber auf jeden Fall für das SAM einsetzen. In seinen Augen hat das Museum für Basel und für die Schweiz eine grosse Bedeutung.
Die Zukunft des SAM hängt nun davon ab, ob die Basler Grossrätinnen und Grossräte dem Selbstverständnis des Museums folgen wollen. Oder ob auch sie kühl die Kriterienliste für Subventionen abarbeiten.