Becks Abschied auf Raten: Eine pompöse Spielzeit und viel Ungewissheit

Vorhang auf zur vierten Spielzeit des Theaters Basel unter Andreas Beck. Sie wird die letzte sein, bevor sich der erfolgreiche Direktor vorzeitig nach München verabschiedet. 

Intendant Andreas Beck und Opernchefin Laura Berman (Mitte) werden in einem Jahr nicht mehr in Basel sein, Schauspiel-Chefdramaturgin Almut Wagner und Ballettchef Richard Wherlock werden die Geschicke in ihre Hände nehmen müssen.

Spielplanpräsentationen fallen immer etwas aus der Zeit. Die alte Theatersaison ist noch voll im Fluss – bis Ende Juni stehen noch zwei Premieren an –, während auf dem Podium die Programmverantwortlichen die vielen Eckdaten der neuen Saison bekannt geben. Es sind sehr viele, denn ganze 29 neue Produktionen stehen auf dem Spielplan 2018/19 des Theaters Basel, der am 13. September beginnen wird.

Die aktuelle Spielplanpräsentation stand zugleich im Zeichen einer Zeitenwende: Es wird die letzte Saison mit Andreas Beck als Direktor und Laura Berman als Opernchefin sein. Beck wird im Sommer 2019 ein Jahr vor Ablauf seines Fünfjahresvertrags aussteigen und die Direktion des Münchner Residenztheaters übernehmen. Berman wird zum selben Zeitpunkt Intendantin der Staatsoper Hannover.

Beck versuchte diese Situation gegenüber den Medienvertretern als simple Rochade darzustellen. Die Leitung der Oper wird Dramaturg Pavel B. Jiracek übernehmen. Und er selbst werde das Theater im Sommer 2019 «schlüsselfertig», das heisst mit durchgeplantem Programm, übergeben. Seine stellvertretende Schauspielchefin Almut Wagner werde das Ganze dann schon über die Runden bringen.

Nichts ist schwerer herzustellen als Leichtigkeit

Aber im Theater ist bekanntlich nichts einfach. «Bedenke, alles ist nur Schein», schreibt der Intendant im Vorwort der neuen Spielzeitbroschüre. Und: «Nichts ist schwerer herzustellen als Leichtigkeit oder eben: Illusion.» Damit spricht er natürlich den Programminhalt an. Aber besser könnte er den bevorstehenden Wechsel kaum beschreiben.

Denn eine Theaterspielzeit beginnt lange vor der ersten Premiere: Das Programm muss zusammengestellt, Regisseure, Dirigenten und Gäste müssen engagiert werden. Beck wird also bereits ab diesem Herbst sowohl in Basel als auch in München präsent sein müssen. Wer ab 2020/21 die hiesige Direktion des Dreispartenhauses übernehmen wird, ist immer noch offen. Im Februar hat sich eine Findungskommission auf die Suche gemacht, noch vor den Sommerferien soll der neue Name bekannt gegeben werden. Wie weit die Suche nach Becks Nachfolger oder Nachfolgerin fortgeschritten ist, darüber herrscht noch Stillschweigen. Fraglich ist auch, ob der oder die Neue den Terminkalender früh genug frei hat, damit es einen reibungslosen Übergang geben kann.

Auch Becks Statthalterin wird nach München wechseln

Das «schlüsselfertig» übergebene Haus wird jedoch spätestens im Herbst 2019 zu bröckeln beginnen. Beck verheimlichte nicht, dass er einige Basler Ensemblemitglieder nach München mitnehmen wird. Und fügte wie als Trost hinzu, dass diese dann in zwei angedachten Co-Produktionen mit seinem Münchner Haus doch wieder in Basel zu sehen sein werden. Auch die Statthalterin Almut Wagner wird, weil sie Beck nach dem Übergangsjahr nach München folgen wird, einen Spagat vollziehen müssen.

So weit, so kompliziert. Aber eigentlich hatte die Direktion ja zur Spielzeitvorschau eingeladen. Dazu gehörte eine geballte Ladung an neuen Produktionen und Namen.

Überschriebene Klassiker und neue Stücke

Zum Saisonauftakt am 13. September startet das Theater ein regelrechtes Feuerwerk mit herrlicher Musik und einer zauberhaft-dramatischen Handlung: Gemeint ist die barocke «Dramatick opera» «König Arthur» von Henry Purcell und John Dryden, die alle drei Sparten auf der Bühne vereinen wird. Der Dramaturg und Autor Ewald Palmetshofer wird eine neue Textfassung erstellen.

Damit ist das Prinzip der Überschreibung alter Texte, das Beck mit Bezug auf seinen einstigen Vorgänger Friedrich Dürrenmatt als «Basler Dramaturgie» umschreibt, auch im Musik- beziehungsweise Multispartentheater angelangt.

Simon Stones «Hotel Strindberg» wird von Wien nach Basel zügeln.

Aber auch im Schauspiel wird es in diesem Sinne weitergehen: Der Indie-Musiker und Autor Peter Licht wird Molières «Tartuffe» aktualisieren, der gefeierte türkisch-armenische Filme- und Theatermacher Nuran David Calis wird Shakespeares «Othello» in die New Yorker Musik- und Clubszene der 1970er-Jahre versetzen und Simon Stone – ja, der gefeierte Liebling der Kritik und des Publikums – wird seine Strindberg-Collage «Hotel Strindberg» präsentieren, die im Januar beim co-produzierenden Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde.

Dazu kommt Hausregisseur Thom Luz, der seine Bühnenbearbeitung von Max Frischs Erzählung «Der Mensch erscheint im Holozän» präsentieren wird – eine Co-Produktion mit dem Deutschen Theater Berlin. Von Frisch ist es ja kein allzu weiter Weg zu Friedrich Dürrenmatt: Auch vom zweiten Schweizer Grossdramatiker wird ein Prosatext zu sehen sein, nämlich die verstörende Kriminalgeschichte «Das Versprechen» (die unter dem Titel «Es geschah am hellichten Tag» Filmgeschichte geschrieben hat).

Es ist ein Spielplan, der in allen drei Sparten zwischen Uraufführungen und grossen Klassikern hin- und herpendelt. Schillers «Die Räuber» im Schauspiel, Puccinis «Madame Butterfly» in der Oper oder «Carmen» im Ballett sind weitere Produktionen, deren Vorlagen für sich sprechen.
Eines kann man dem bald scheidenden Basler Theaterintendanten Andreas Beck lassen: Seinen Weg eines Theaters, das Sinne und Intellekt gleichermassen auf hohem Niveau anspricht, verfolgt er konsequent bis zum Schluss.

Zum ganzen Spielplan geht es hier.

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