Chagall war mit unserer Stadt eng verbunden – selbst seine Pariser Enkelin redet noch Baseldytsch

Marc Chagall ist einer der grossen Künstler, die mit dem Kunstmuseum Basel stark verbunden waren. Eigenartig, dass das Haus den grossen Poeten der Moderne erst jetzt mit einer Sonderausstellung ehrt.

Chagalls Enkelin Meret Meyer vor den «Alten Juden». (Bild: Dominique Spirgi)

«Es ist erstaunlich, dass es die erste Chagall-Ausstellung in diesem Haus ist», sagt die Dame inmitten der phantastischen Bildwelten des Künstlers im Kunstmuseums-Neubau. «Aber diese Ausstellung geht über alle unsere Träume und Visionen hinaus.» Es sind Worte, die der Basler Kunstmuseumsdirektor Josef Helfenstein, der die Ausstellung kuratiert hat, sicher gerne hört. Zumal sie aus einem berufenen Mund stammen, nämlich von Meret Meyer, der Enkelin von Marc Chagall.

Meret Meyer ist zusammen mit ihrer Schwester Bella zur Eröffnung der Ausstellung «Chagall – die Jahre des Durchbruchs 1911–1919» nach Basel gereist. Sie aus Paris, ihre Schwester aus New York. Aber sie spricht fliessend Baseldeutsch – «nun gut, ein bisschen kann ichs noch», relativiert sie. Aber die Verbindungen nach Basel sind oder waren einst sehr eng. Als Tochter von Ida Chagall und des ehemaligen Kunstmuseum-Direktors Franz Meyer lebte sie lange Jahre in Basel, besuchte sie hier die Schulen.

Viele Stränge verbinden Chagall mit Basel

Die Tatsache, dass Meyer (er leitete das Kunstmuseum von 1962 bis 1980) mit Chagalls Tochter verheiratet war, ist einer der Stränge, der Basel mit dem grossen Poeten der Moderne verband. Als Verfasser einer umfangreichen Monografie über Chagall hatte er auch eine berufliche Bande zu Chagall. Auffällig ist aber, dass Chagalls Werk in der Ära Meyer eine eher untergeordnete Rolle spielte – «vielleicht gerade, weil er mit der Tochter des Künstlers verheiratet war», wie der heutige Direktor Helfenstein vermutet.

Das mag vielleicht auch daran gelegen haben, dass sich Meyers Vorgänger, Georg Schmidt (er war 1939–1961 Direktor), sehr engagiert und erfolgreich um Ankäufe von Chagall-Werken bemüht hatte. 1939 kaufte er an der berüchtigten Auktion Fischer in Luzern, an der «entartete» Kunst aus deutschen Museen unter den Hammer kam, unter anderem das Rabbiner-Porträt «Die Prise (Rabbiner)» (1923–1926). 1600 Franken soll es gekostet haben. 1948 und 1950 folgten mit finanzieller Hilfe von Richard Doetsch-Benzinger die Ankäufe des über zwei Meter breiten Meisterwerks «Der Viehhändler» (1912) und «Meine Braut mit schwarzen Handschuhen» (1909).

Marc Chagalls «Der Viehhändler».

Dass die Basler Sammlung von Chagall-Frühwerken zu einer der bedeutendsten der Welt zählt, ist aber vor allem den Werken aus der Stiftung Im Obersteg zu verdanken, die als Depositum im Kunstmuseum hängen. Zu den herausragenden Werken gehören die drei berühmten Bildnisse alter Juden («Jude in Rot», «Jude in Schwar-Weiss» und «Jude in Grün»). In der Basler Ausstellung ist nun als Leihgabe aus Sankt Petersburg als viertes Gemälde dieser Reihe der «Jude in Hellrot» zu sehen – alleine schon diese einmalige Zusammenstellung lohnt den Besuch der Ausstellung.

Erste Chagall-Ausstellung 1933 in der Kunsthalle

Der Basler Speditionsunternehmer und leidenschaftliche Kunstsammler Karl Im Obersteg und Chagall waren lange Zeit befreundet. Im Obersteg war als damaliges Vorstandsmitglied des Basler Kunstvereins massgeblich dafür verantwortlich, dass 1933 in der Kunsthalle eine grosse Chagall-Ausstellung gezeigt werden konnte.

Das war ein mutiges Unterfangen. Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten präsentierte man in Basel einen in Deutschland massiv geächteten jüdischen Vertreter der Moderne. Aus Protest  gegen die Nazis waren im Katalog sämtliche Werke mit französischen Titeln angeschrieben.

Die Freundschaft zwischen Chagall und Im Obersteg litt später darunter, dass Chagall von den Gemälden aus seiner Sammlung Repliken geschaffen hat. Das war übrigens gar nicht so ungewöhnlich in Chagalls Schaffen. Auch das Basler Gemälde «Die Prise (Rabbiner)» ist eine Replik. Sie ist in der Ausstellung zusammen mit der Erstfassung aus Privatbesitz zu sehen.

Wunderbare Ausstellung

Die Basler Chagall-Gemälde sind der Ausgang und die Eckpunkte der grossen Sonderausstellung. Sie vereinigt nicht nur grossartige Leihgaben aus den grossen Museen der Welt, sie ermöglicht auch einen Blick auf die Zeit zwischen 1911 und 1919. Es ist eine turbulente Zeit, welche durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und die Russische Revolution gekennzeichnet ist, die auch Chagalls Schaffen massgeblich beeinflussten, was in den gezeigten Werken sichtbar wird.

Die Ausstellung widerspiegelt diese Zeit aber nicht nur im Werk des Künstlers, sondern auch mit wunderbaren Fotodokumenten und Filmen aus jener Zeit. Eine Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum der Schweiz machte möglich, dass auch originale Kultgegenstände gezeigt werden können, die sich in den Werken wiederfinden. Das Jüdische Museum zeigt in einer separaten Ausstellung übrigens auch noch eine Ausstellung mit jüdischer «Kunst nach Chagall».

Kunstmuseum Basel: «Chagall – die Jahre des Durchbruchs 1911–1919», bis  21. Januar 2018.

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