Der letzte «Belles Lettres» ist zugestellt

Sieben Jahre Ehrenamtlichkeit im Dienst der lokalen Literaturszene sind genug: Luca Studer und Dominic Stämpfli spitzen ihren Bleistift nicht mehr. Sie beenden ihr Engagement als Herausgeber des Literaturmagazins «Belles Lettres».

Kein Licht am Ende des Ganges – die «Belles Lettres» machen zu.

(Bild: Layout Etienne Blatz / Illustration Lukas Pulver)

Sieben Jahre Ehrenamtlichkeit im Dienst der lokalen Literaturszene sind genug: Luca Studer und Dominic Stämpfli spitzen ihren Bleistift nicht mehr. Sie beenden ihr Engagement als Herausgeber des Literaturmagazins «Belles Lettres».

Es sei das Letzte. Das hat es allerdings schon vor vier Jahren geheissen, ein fauler Marketingtrick also, um beim Publikum eine Art Abgangssolidarität zu aktivieren? «Nein, mit 90-prozentiger Sicherheit legen wir das Projekt nach dieser Nummer auf Eis.»

Das sagt Luca Studer, vielengagierter u-30er und Mitherausgeber des Literaturmagazins «Belles Lettres», um das es hier geht. Um das Letzte seiner Art, um genau zu sein, denn die «Belles Lettres» stellen ihren Betrieb ein. Damit geht ein Projekt zu Ende, das dem Basler Literatur-Underground sechs Bücher und ein Hörbuch, darin 90 Texte von 70 Autorinnen und Autoren und 86 Illustrationen hinterlassen hat. Stolze Zahlen.

Nur: Wen interessierte das schon?

Doch den «Belles Lettres» haftet seit Jahren ein im Literaturbetrieb unverzeihliches Manko an: Unprofessionalität. Unverzeihlich nicht, wenn es um die künstlerische Wertschätzung geht, ist schliesslich toll, wenn sich die Jungen austoben. Unverzeihlich aber, wenn es um die monetäre Wertschätzung geht. Das Buch zu 25 Franken Stückpreis leisten sich im besten Fall Freunde und Bekannte, die andern nicht. Das ist wie in allen künstlerischen Branchen. Bezahlt wird für Namen, derweil sich Namenlose die Unkosten für den Apéro an der Vernissage teilen müssen.

Diesen Umstand könnte man beklagen, besser ist, ihn zu akzeptieren. Und genau das tun Studer und Stämpfli seit mittlerweile sieben Jahren. Stämpfli ist der zweite Herausgeber von «Belles Lettres» und Kennern der Basel Kreativszene vor allem als Produzent und Manager des Musiklabels «Radicalis» ein Begriff.

Das Konzept von «Belles Lettres» ist einfach: Pro Nummer ersinnen Stämpfli und Studer ein Überthema («Spiegelbild», «Schiffbruch», «Über Dinge, die glücklich machen»), gefolgt von einem Appell an die literarische Energie der Crowd. Meistens kommt so eine hübsche Summe Einsendungen zusammen, aus denen die Macher einen Strauss zusammenstellen.

Expertise in Sachen Kindergeburtstag



Der Weg führt nach oben: Dominic Stämpfli von Radicalis Music.

(Bild: Hans-Jörg Walter)


Wir haben Dominic Stämpfli im Steilgang seiner Karriere porträtiert. Immer noch lesenswert: «Eine umtriebige Wurzel»

Das klingt nach Kindergeburtstag, beschreibt aber das Auswahlverfahren der Herausgeber am besten. «Manchmal bleiben qualitativ hoch stehende Texte aussen vor, weil sie sich thematisch zu stark mit anderen Texten überschneiden», sagt Studer über das Konzept, das sich mit der Formel Diversität vor Qualität beschreiben liesse.

Wobei das mit der Qualität ohnehin so eine Sache ist. Weder Stämpfli noch Studer haben von der Ausbildung her etwas mit Literatur am Hut, wodurch sie sich wiederum von der direkten Konkurrenz auf dem Basler Marktplatz für literarische Nischenprodukte unterscheiden: dem «Narrativistischen Literaturmagazin», kurz «Narr».

Dort sind immerhin ein paar (halb-)abgeschlossene Literaturstudenten am Werk, während die Expertise der «Belles Lettres»-Herausgeber massgeblich in einer Kreuzung aus Bauchgefühl und Erfahrung besteht. Eine professionelle Lektorin (Marlise Müller) fängt im Hintergrund die gröbsten Schnitzer ab.

Siebzehn Parteien sind eingezogen in die WG «N°6». (Bild: Layout Etienne Blatz / Illustration Lukas Pulver)

Stilkritische Defizite machen die Herausgeber seit je mit ihren Konzepten wett. Und so haben sie auch für die neuste Ausgabe mit dem spartanischen Titel «N°6» ein besonderes Thema ersonnen. Ein Haus, nein besser: Einen Wohnblock. Wo der steht, sei egal – was zählt, ist das Zusammenleben auf engstem Raum.

In diesen Wohnblock sollten sich die Bewerberinnen und Bewerber mit ihren Texten einschreiben, eine der leerstehenden Wohnungen beziehen und dem Haus damit Leben einhauchen. Die Texte wurden damit zu doppelten Bewerbungsschreiben auf ein Plätzchen in der virtuellen WG aus Texterinnen und Textern und auf die noch zu bedruckenden Seiten in einer leeren Nummer von «Belles Lettres».

Die WG der Ausgabe «N°6», sie steht

Wieder kam eine ordentliche Anzahl Texte zusammen, die WG «N°6», sie existiert. Aber damit nicht genug. Der Illustrator Lukas Pulver (YK Animation Studio, für das Layout zeichnet Etienne Blatz verantwortlich) gab den Texten ein grafisches Gewand, das vom gedruckten Heft bis in die reale Lesung transzendiert.

Wie genau das funktioniert, soll an dieser Stelle nicht verraten werden, auf jeden Fall haben sich Studer/Stämpfli mit diesem Format einen Urtraum erfüllt: Die vollendete Symbiose von Literatur, Illustration und Performance. Es soll dieses Mal keine Alibilesung werden, die der Veröffentlichung des mit viel Herzblut produzierten Hefts auf dem Fuss folgt, es soll ein Fest werden.

Bleibt also noch die Frage zu klären: Warum eigentlich aufhören, wenn doch nur vier lächerliche Nummern bis zur Dezime fehlen?

Ein bisschen liegts halt eben doch am Geld: Die 5’000 Franken, die den Machern von der Kulturförderung Basel für die letzte Nummer zugesprochen werden, reichen kaum aus, um die Fixkosten zu decken. Budgetiert wären 25’000 Franken, um den Machern mit Druckkosten und kleinen Honorarzahlungen an die Mitarbeitenden die schwarze Null zu gewährleisten.

«Und dann», sagt Luca Studer, «ist für uns mit diesem Heft ganz einfach der Zeitpunkt gekommen, aufzuhören und weiterzugehen.» Da ist es wieder, das beneidenswerte Manko der Unprofessionalität. Man entscheidet einfach selbst, wann genug ist.

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Donnerstag, 21. April 2016, Erster Stock Münchenstein: «Belles Lettres»: Vernissage «N°6». Türöffnung 19.00 Uhr, Lesung 20.15 Uhr.

Artikelgeschichte

In einer früheren Version dieses Artikels hiess es, die Kulturförderung Basel-Stadt unterstütze die «Belles Lettres» pro Nummer mit 25’000 Fanken. Dieser Betrag ist aber lediglich budgetiert. Tatsächlich erhielten die Herausgeber nur für die letzten beiden Nummern finanzielle Unterstützung, die letzte Ausgabe wurde mit 5’000 Franken subventioniert.

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