Ein Bassist im Rampenlicht

Für sein neustes Album hat er Musik für ein Streichquartett komponiert – aber zuerst die klassische Besetzung durcheinander geschüttelt. Beim israelischen Jazz-Bassisten Avishai Cohen weiss man nie, was als nächstes kommt. Entsprechend gespannt darf man auf sein Konzert am Jazzfestival Basel sein, das heute in der Kaserne über die Bühne geht.

Fühlt sich wohl im Scheinwerferlicht: Avishai Cohen. (Bild: Youri Lenquette)

Für sein neustes Album hat er Musik für ein Streichquartett komponiert – aber zuerst die klassische Besetzung durcheinander geschüttelt. Beim israelischen Jazz-Bassisten Avishai Cohen weiss man nie, was als nächstes kommt. Entsprechend gespannt darf man auf sein Konzert am Jazzfestival Basel sein, das heute Sonntag in der Kaserne über die Bühne geht.

Unter all den Fusionisten, Grenzgängern und Genrebrechern sticht Avishai Cohen besonders hervor. Der Kontrabassist und Sänger, der 1970 in Jerusalem geboren wurde, sog in seiner Familie sowohl die Weisen des sephardischen Judentums wie auch die europäische Klassik auf, begeisterte sich für Bach, an dem er die mathematische Klarheit der Schönheit schätzte.

Auf seinem aktuellen Album «Amlah» kann man einen Nachhall davon hören: Für «Amlah» hat Cohen über drei Jahre lang Arrangements für ein Streichquartett geschrieben – das Resultat sind Stücke wie «Ouverture Noam Op. 1», dessen repetitive Harmoniefiguren weit weg sind von seinen früheren Arbeiten. Allerdings ist Cohens eigene Note auch hier deutlich hörbar: Für seine Kompositionen brach er die klassische Struktur des Streichquartetts auf, fügte eine zweite Viola ein und schrieb die hohen Lagen für eine Oboe.

Melodischer Tiefsinn

Sein bisweilen schwindelerregendes Bassspiel sowie sein charakteristisch schnappender Gesang nimmt dabei in weiten Teilen eine untergeordnete Rolle ein neben dem melodischen Tiefsinn, dem sich Cohen als Komponist diesmal hingegeben hat, wie etwa «Song For My Brother» verdeutlicht. 

«Amlah» ist für den Jazzer Cohen daher eine bewusst aussergewöhnliche Platte, wie er in einer Video-Präsentation klarstellt: «Sie hat eine Intimität, die herausragender ist als auf früheren Platten. Ich liebe die wilde, freie Improvisation, aber ich wollte sie diesmal einer komponierten, nach Noten gespielten Musik gegenüberstellen. Platten mit dieser Stärke gibt es, denke ich, nicht viele.» 

Cohen, der Quartettkomponist – das ist nur eine Facette seiner Vielseitigkeit. Auch «Amlah» übersteigt diese konzeptuelle Beschränkung behende, greift mit Thad Jones‘ «A Child Is Born» auf einen Standard des Genres zurück, und gedenkt in einem «Arab Medley» seiner nahöstlichen Herkunft. Denn die Sounds des Mittelmeerraums bilden seit längerem eine der reichsten Vorratskammern Cohens.

Von Folklore bis Funk

Seine Musik schöpft, etwa auf seinem 2011er-Album «Seven Seas» mit dem aus der russisch-jiddischen Folklore stammenden «About A Tree» auf der einen sowie der auf Ladino-Musik basierenden rhythmischen Ekstase des Titelstücks auf der anderen Seite, manchmal aus der Vielfalt der Musiktraditionen, die das Einwandererland Israel bereit hält. Andererseits stand «Aurora» (2009) für seine Gesangspremiere und gleichzeitig sein Debüt für das Kult-Jazzlabel «Blue Note».

Das Album zeigte, wie stark ihn seine jungen Musikerjahre in New York geprägt haben: «Aurora» vereinte Cohens Affinität zum Blues, zum Gospel und zum knackigen Funk, und hält, etwa im Stück «Leolam», denoch die Tür zum Süden offen – diesmal zu den Klängen der Oud und der Rhythmik des Flamenco. Darüber hinaus ist Cohen einer, der auf der Bühne mit dem Gestus eines Popstars das Spiel mit dem Publikum souverän beherrscht. 

«Ein Genie», nannte ihn sein früherer Förderer Chick Corea einst, für den Cohen bis 2003 spielte. Vielleicht. Mit Sicherheit aber ist er einer, dessen Ohren in alle Richtungen offen sind. 

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Jazzfestival Basel, Kaserne. Sonntag, 4. Mai, 20.30 Uhr. 

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