Sie können nicht anders. Mit ihren Fledermausflügel-Ohren sehen die Elefantenskulpturen am Chor des Basler Münsters aus wie kleine Drachen. Wer immer sie gemeisselt hat, wusste es eben nicht besser.
Städterinnen und Städter können mit diesen zoologischen Zerrbildern gut leben. Aber wie steht es um das Bild, das sich Basel von der Heimat der Elefanten macht? Afrika, der verlorene, der dunkle Kontinent …
«Es ist wichtig, dass wir über solche Klischees reden», wird Lilian Bieber während der nächsten Stunde mehrmals auf Englisch wiederholen. Gemeinsam mit Winnie Kanyimba leitet die Studentin einen Rundgang zur problematischen Wechselbeziehung zwischen Basel und Afrika.
Die Sarasins mit Blackface
Angeboten wird der Rundgang seit 2008. Heute haben sich an die 25 Personen vor dem Zentrum für Afrikastudien am Rheinsprung eingefunden, einige tragen den Pass des Kunstfestivals IAF um den Hals.
So viel im Voraus: Zu sehen bekommen die wenigen Einheimischen auf dem Rundgang nichts Neues. Der Blick gilt vielmehr der Geschichte hinter den Fassaden der historischen Häuser und Institutionen. Das fängt nur wenige Schritte weiter vor dem Weissen und Blauen Haus an.
Die Barockbauten am Rheinsprung stammen aus den 1760er-Jahren und beherbergen heute Teile der städtischen Verwaltung. Die Erbauer Lukas und Jakob Sarasin waren nicht nur Seidenfabrikanten, sie mehrten ihren Reichtum – wie viele andere Basler Patrizier auch – durch die finanzielle Beteiligung an Plantagen und Sklaventransporten.
Die Porträts der Gebrüder Sarasin werden als Druck herumgereicht, schwarze Schattenrisse im Profil. Die Ironie ist vielleicht nicht beabsichtigt, aber mit Händen zu greifen.
Nächster Halt bei den Münster-Elefanten. Die Studentinnen fragen die Gruppe, wo man in Basel echte Elefanten zu Gesicht bekomme. Auf die richtige Antwort folgt ein Exkurs zu den ehemaligen «Völkerschauen». Im Basler Zolli, wo heute Flamingos durch eine künstliche Sumpflandschaft stapfen, wurden den Besucherinnen und Besuchern bis 1935 «Lippennegerinnen» und die «Somali Karawane» vorgeführt.
«Solche Menschen-Zoos gibt es noch heute», sagt Bieber, etwa in den Massai-Dörfern in ihrer Heimat Kenia oder in den südafrikanischen Townships. Das Gaffen hat sich zum Sightseeing gewandelt.
Unterwegs zur nächsten Station eine Frage an Winnie Kanyimba: Warum macht sie ihren Master ausgerechnet in Basel? «Warum nicht?», lacht die Studentin aus Namibia. Das Zentrum für Afrikastudien existiert seit 2001 und dockt interdisziplinär an die Forschungen des Ethnologischen und Historischen Seminars an. Zu den assoziierten Mitgliedern gehören unter anderen das Schweizerische Tropeninstitut und die Mission 21.
Die «Rhygass» beim Fasnachtsgässlein
Seit 2009 gibt es eine feste Professur, erklärt Jacob Geuder, der am Zentrum für Afrikastudien doktoriert und den Rundgang begleitet. Man sei bestrebt, den Schwerpunkt African Studies an der Uni Basel weiter zu stärken, was beim aktuellen Spardruck nicht einfach sei.
Dazu kommt die Polemik gegen Studiengänge wie etwa die Gender Studies, die zusammen mit der Afrikaforschung am Rheinsprung untergebracht sind: «Die Freiheit der Wissenschaft wird durch konservative Kreise infrage gestellt», sagt Geuder. «Das bekommen wir aus erster Hand mit.»
Vor dem Literaturhaus gibt es Lesetipps. Drei- bis viermal im Jahr treten hier afrikanische Autorinnen und Autoren auf, die Lesungen werden oft in Kooperation mit dem Zentrum für Afrikastudien organisiert. Einige der Schriftsteller leben in Basel, so etwa Henri-Michel Yéré oder Mohomodou Houssouba. Der Blick in die Runde verrät nicht, wie vielen Anwesenden diese Namen vertraut sind.
Der Zwischenhalt beim Fasnachtsgässlein wurde aus aktuellem Anlass in den Rundgang aufgenommen: Hier kommt die Kontroverse um die «Negro Rhygass» zur Sprache. «Fasnacht generell ist nicht rassistisch», erklärt Kanyimba zunächst. Doch mit «Blackfacing», dem Schwarzmalen von Weissen, ergebe sich das Problem der kulturellen Aneignung und Herabwürdigung.
Affen und südafrikanischer Jazz
Dann das Logo. Auch dazu werden zunächst die historischen Hintergründe erklärt, bevor ein Druck herumgereicht wird. «Darüber müssen wir reden», sagt Bieber in das betretene Schweigen. Ich versuche, das Blatt möglichst neutral an die dunkelhäutige Frau neben mir weiterzureichen. Ihr ratloses Gesicht hält mich davon ab, sie nach ihren Gefühlen zu fragen. Eine verpasste Gelegenheit.
Vor dem «Atlantis» wollen die beiden Studentinnen von den Gründern Paul und Kurt Seidler erzählen. Wie die enthusiastischen Afrika-Reisenden in den 1940ern das Café Tropic mit «exotischen» Reiseandenken, Schlangen und Affen eröffneten. Und wie sie später – sozusagen als «echten» kulturellen Austausch – dem südafrikanischen Jazz in Basel eine Bühne boten.
Aber sie müssen warten. Die Glocken der nahen Elisabethenkirche hindern die beiden minutenlang am Reden. Christoph Merian habe die Kirche 1864 erbauen lassen, heisst es in den Unterlagen zum Rundgang. Angeblich, um sich von den Sünden seiner Familie reinzuwaschen, die in den Sklavenhandel verwickelt gewesen sei.
Der Rundgang endet auf dem Theaterplatz – beim Kunstfestival IAF Basel, das hier zurzeit Fotografien afrikanischer Künstlerinnen und Künstler zeigt. «Image Afrique» hiess das Festival einst, erklärt Festival-Co-Leiterin Livia Rutishauser, doch der Name wurde fallen gelassen, weil er falsche Assoziationen weckte.
Dasselbe gilt übrigens auch für den Afrika-Stadtrundgang, der sich bis 2016 «Urban Safari» nannte: Es tappt sich leicht in die Falle des Exotismus.
Nächste Führungen: 13./14./16. September, 17 Uhr. Spezialführung mit Expertinnen: 15. September, 16 Uhr. Der Rundgang ist kostenlos, Anmeldung erwünscht.
Das IAF Basel dauert noch bis zum 16. September 2018.