Der hymnische Ton ist geblieben im Genusspop von Get Well Soon, dem Ein-Mann-Projekt von Konstantin Gropper. Aber für sein neues Album «Love» hat sich der Ausnahmemusiker auf neues Terrain begeben. Am 17. März spielen Get Well Soon in der Kaserne Basel.
Man stolpert über diesen einen Satz unter all den druckreifen, hintersinnigen und manchmal in ihrer Unerwartbarkeit schlicht originellen Sätzen, die Konstantin Gropper singt. «It’s Love», heisst es zuerst im gleichnamigen Lied, doch dann: «And I can’t get rid of it.»
Zehn Jahre lang hat sich Gropper, auch mit 33 Jahren noch als «Wunderkind des deutschen Pop» stilisiert, um die Liebe gewunden und lieber über anderes musiziert, zum Beispiel über den Weltuntergang oder über Stoizismus im Alltag, aber nun hat er die Liebe entdeckt – oder, wie er am Telefon sagt: Er hat darüber recherchiert. Bücher gelesen, wissenschaftliche wie literarische, ästhetische Theorien gewälzt, Filme geschaut.
Und Platten gehört. Leonard Cohen vor allem oder die Beach Boys. Weil er wissen wollte, wie man über Liebe singen kann, ohne nur das eigene Herz auf vergangene Freuden und Krümmungen abzuklopfen.
Wiedergefunden hat sich der bekennende «Kopfmensch» Gropper in der Romantik, in jener ästhetischen Gattung, die den in der Renaissance neu rezyklierten Idealen der Antike den Garaus machte und an ihre Stelle die Leidenschaft setzte. Die Anti-Vernunft. Und die Gestalt eines Künstlers, der aus eigener Kraft Wirklichkeit schafft, anstatt nur die Schönheit der Schöpfung zu preisen. «Talent borrows, genius steals», wie Oscar Wilde so schön schrieb.
Groppers Talent wurde vor Jahren an einer Akademie geschmiedet, doch das Genie sitzt noch immer wach in ihm und schaut unablässig hinaus in die Welt. Er studierte an der Popakademie in Mannheim. Weil das aber nicht genügt, wenn man mehr kennen will als die Funktionsweise der Musikindustrie und ein formvollendetes Designverständnis von Popmusik, hat Gropper ein Philosophiestudium angehängt.
Keine Idylle ohne Opfer
Und vielleicht ist es diese Kombination, die Gropper nun zu einem der begnadetsten Popmusiker Deutschlands macht – das Wissen um die Techniken, wie sich die Geistesgeschichte mit den Mitteln des Pop formen lässt. Gropper, darin ein klassischer Bildungsbürger, hat zuerst das Handwerk erlernt, um es anschliessend zur Kunst zu erheben. So sucht «Love», das neue Album seines Bandprojekts Get Well Soon, nicht einen Platz im Kanon der grossen Lovesong-Kollektionen, weil ihm sowohl die Körperlichkeit des Souls als auch die Unmittelbarkeit des Seelenstrips abgeht.
«Love» hängt sich der Liebe erst dann an die Fersen, wenn normalerweise der Vorhang fällt: beim Happy End. Wie sich Liebe wandeln kann, von der Ekstase zur Obsession und von der Aufregung zur Lethargie, das sind die Grundlinien von «Love». Das Bild, das er sich dazu ausgesucht hat, ein Ölgemälde des Romantik-Malers Friedrich Gauermann, passt dazu: es zeigt eine Bärenfamilie, die in einer Waldidylle einen Hirschen ausweidet – um damit das Jungtier zu ernähren. Die Sehnsucht nach der Idylle, sie ist ohne Opfer nicht zu erfüllen.
«Wenn ich Liebeslieder schreiben will, kommen dabei eher Lieder über die Liebe heraus.»
Herr Gropper, Liebe geht über Leichen – ist das der Grundton der neuen Platte von Get Well Soon?
Ich würde es einfacher sagen: Ich suchte ein romantisches Motiv – und zwar bewusst in der Doppeldeutigkeit des Wortes. Gauermanns Bild handelt auf den ersten Blick nicht von Liebe, aber das Bild ist mehr als die Oberfläche, man kann einiges reinlesen. Verantwortung, Fürsorge, all das. Liebe ist natürlich keine Pathologie – aber sie ist auch nicht nur nach dem heutigen Wortsinn romantisch.
Liebe ist das Kernthema der Popmusik. Sie haben sie auf Ihren bisherigen drei Alben gekonnt umgangen. Was hat sich geändert?
Ich suchte nach einem Feld, das ich bisher nicht beackert habe. Das ist natürlich, man will sich ja weiterentwickeln und sucht neue Inspirationen. Den Gedanken, mich endlich dem grossen Thema der Popmusik zu widmen, hatte ich schon länger, nur der Ansatz fehlte. Liebe als Tagebuchgeständnisse, das wollte ich vermeiden. Und habe dafür viel Recherche betrieben, Filme geschaut, Bücher gelesen, auch wissenschaftliches Zeugs.
Sie haben Philosophie studiert. Muss man sich das so vorstellen, dass Sie für das Konzept eines Lovesongs eher nach Ovid oder Erich Fromm greifen, statt Barry White aufzulegen?
Ja, das kommt durchaus vor. Ich bin in einem klassischen bildungsbürgerlichen Haushalt aufgewachsen, und so ist auch mein Zugang zu Popmusik. Das hat was vom Schreiben einer Hausarbeit: Recherche, Schreiben, Redigieren. Ich bin ein eher kopflastiger Mensch, und wenn ich Liebeslieder schreiben will, kommen dabei eher Lieder über die Liebe heraus.
So was wie eine Kulturgeschichte der Liebe?
Es ist immer noch Popmusik, da gehört alles Mögliche rein. Auch Filme sind wichtige Inspirationsquellen – und Groschenromane.
Im Song «Young Count Falls For Nurse» zitieren Sie ausnahmslos die Titel von Rosamunde-Pilchner-Filmen. Kritik an einem flachen Verständnis von Liebe, das nur nach dem einfachen Glück strebt?
Um Kritik oder Ironie ging es mir nicht an erster Stelle. Auf der Suche nach allgemeinen Vorstellungen von Romantik landet man schnell bei diesen Filmen, sie sind die erfolgreichsten deutschen Fernsehproduktionen überhaupt: aus zehn Romanvorlagen entstanden bisher über hundert Filme. Da muss also was dran sein, das viele Leute anspricht.
Was genau?
Ehrlich gesagt, bin ich nicht dahinter gekommen. Liebe wird in diesen Filmen sehr einfach dargestellt, die Paare müssen ein paar Probleme meistern, aber am Ende kommt immer ein Happy End. Dabei wird es erst dann psychologisch interessant: Wie meistert ein Paar aus unterschiedlichen Herkunftsschichten seine Zukunft? Was geschieht also, wenn die romantische Sehnsucht erfüllt ist? Aber das will offenbar keiner wissen. Es gibt eine spezifische deutsche Sehnsucht nach Romantik, nach einem verloren gegangenen Idyll, in der Literatur wie im Film.
Tocotronic, eine andere wichtige Stimme des deutschen Pop und Rock, haben vor einem Jahr mit dem «Roten Album» ebenfalls ein Album ausschliesslich der Liebe gewidmet. An Ihrer These ist offenbar was dran.
Ja, das hat mich auch kurz geärgert, als ich davon erfuhr – aber auch gewundert. Ich bin ein grosser Fan von Tocotronic, und ich habe mich schon gefragt, warum die mit diesem Thema kommen. Ihr Ansatz ist jedoch anders als meiner, viel unmittelbarer. Und es bestätigt, dass ein Interesse am Thema da ist. Ich will das gar nicht allzu sehr gesellschaftspolitisch deuten, aber wir leben in turbulenten Zeiten.
Das Liebeslied als Eskapismus vor tiefer greifenden Problemen der Gegenwart?
Mich hat das immer gestört, wenn ich sehe, wie wenig Mühe sich manche Leute geben, Tiefe in ihre Songs zu bringen und bei oberflächlichen Sätzen bleiben. Hanns Eisler hat zum Beispiel gezeigt, wie viel sich in drei Minuten sagen lässt. Wobei ich selbst noch nicht im Anti-Eskapismus, beim engagierten Lied, angelangt bin. Ich benutze noch immer gerne eine sehr bildhafte Sprache. Aber vielleicht kommt das noch.
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Get Well Soon: 17. März, 20.30 Uhr, Kaserne Basel.