Künstler vom Atelierhaus Klingental wehren sich

Die Atelier-Genossenschaft fühlt sich von der Stadt bei der Suche nach einer Alternative im Stich gelassen. Dabei kritisiert sie sowohl die Sanierungspläne wie auch die Aufhebung der Selbstverwaltung im Gebäude. Nun erhalten die betroffenen Künstler Unterstützung aus der Politik.

Seit 50 Jahren arbeitet Marius Rappo schon im Atelierhaus. Vor der anstehenden Sanierung wird er bald die Zügelkisten packen müssen – um dann vielleicht wieder einziehen zu können.

Die Atelier-Genossenschaft fühlt sich von der Stadt bei der Suche nach einer Alternative im Stich gelassen. Dabei kritisiert sie sowohl die Sanierungspläne wie auch die Aufhebung der Selbstverwaltung im Gebäude. Nun erhalten die betroffenen Künstler Unterstützung aus der Politik.

Gotische Spitzbogen, eine Wendeltreppe im Türmchen als Notausgang und ein uralter Dachstock. Zwischen diesen mittelalterlichen Relikten stapeln sich unzählige Leinwände, Skulpturen und Staffeleien: Es sind bemerkenswerte Bilder, die man im Atelierhaus Klingental zu sehen bekommt. Die Freude in der einstigen Klosterkirche ist allerdings getrübt. 

So auch bei Marius Rappo. Nach 50 Jahren muss er bald sein Atelier räumen – um es bei einer erfolgreichen Neubewerbung dann wieder einzurichten. «Das ist ein Leerlauf», sagt der 73-jährige Künstler. Rappo ist so etwas wie ein Urgestein des Atelierhauses Klingental: Fast seit Beginn der Nutzung ist er dort tätig.

Für ihn ist es aber mehr als ein Arbeitsort: «Wir sind eine Gemeinschaft geworden», sagt Rappo. Mehrere der «Pioniere» aus den sechziger Jahren hatten faktisch ein Atelier auf Lebenszeit. Mittlerweile sind auch junge Kulturschaffende hinzugestossen, das Alter der Künstler liegt zwischen 28 und 87 Jahren.

Neue Vergabepraxis nach dem Umbau

Wie bereits seit Jahren bekannt ist, will die Stadt das Gebäude sanieren. Den 35 Künstlern wurde per Ende 2017 gekündigt. Nächstes Jahr soll sich zudem die Vergabepraxis ändern. Es ist geplant, etwa 25 Ateliers an Künstler jeden Alters zu vergeben, ferner sollen acht weitere Räume im Sinne einer Altersförderung an Kunstschaffende ab 60 Jahren vergeben werden.

Dazu soll es eine öffentliche Ausschreibung geben, neu wird auch die Nutzungsdauer der Ateliers beschränkt sein. Bis anhin war es so, dass eine Jury der Ateliergenossenschaft jeweils Vorschläge für Neuzugänge unterbreitete.

Die jetzigen Nutzer könnten also nach dem Umbau ebenfalls ein Bewerbungsdossier einreichen, müssten dann aber zu höheren Kosten einziehen. Ein paar der jetzigen Mieter haben daher individuell einen anderen Arbeitsplatz gefunden. Die übrigen 25 wollen aber als Genossenschaft zusammenbleiben.

Die Künstler sind daher auf der Suche nach einem Ort für ein selbstverwaltetes Kunstschaffen. In der Küche hängt etwa die handgeschriebene Anfrage einer älteren Künstlerin, die sich bei Novartis um einen Platz im Klybeck erkundigt – ohne Erfolg. Auch beim Lysbüchel-Areal biss die Genossenschaft auf Granit.



Ein Gemeinschaftsatelier im Kirchenschiff: An der Lokalität nagt der Zahn der Zeit. Sie ist etwas heruntergekommen, dafür aber historisch wertvoll.

Ein Gemeinschaftsatelier im Kirchenschiff: An der Lokalität nagt der Zahn der Zeit. Sie ist etwas heruntergekommen, dafür aber historisch wertvoll. (Bild: Michel Schultheiss)

Künstler wollen kein schickes Atelierhaus

Nach der bislang ergebnislosen Suche wächst nun der Unmut über das Vorgehen der Stadt. Der 28-jährige Jan Hostettler findet etwa, dass die Künstler zu wenig unterstützt werden. «Eine Möglichkeit wäre ein Leistungsvertrag mit der Stadt, wie das etwa beim Ausstellungsraum Klingental gemacht wurde», schlägt er vor. «Es geht darum, dass wir uns für ein Modell der Selbstverwaltung einsetzen», ergänzt Camillo Paravicini (30), ebenfalls einer der jüngeren Künstler im Haus.

Dieses Prinzip, welches das Atelierhaus während Jahrzehnten gelebt hat, sei zudem eine Win-Win-Situation: Kümmern sich die Künstler selbst ums Organisatorische und die Reinigungsarbeiten, so müssten die Behörden auch keine zusätzlichen Verwaltungsstellen schaffen.

Für die Künstler ist zudem nicht nachvollziehbar, weshalb sie nun bald die Zügelkisten packen müssen. Ein Umbau sei durchaus auch mit belegten Räumen möglich, da sowieso nicht stark ins denkmalgeschützte Innere der Kirche eingegriffen werden könne. Generell setzen die Künstler Fragezeichen hinter den Umfang der Sanierungen: Mögliche Massnahmen wie blanke Böden, Warenlift oder eine Lounge seien aus der Sicht der Künstler gar nicht nötig. Man fühle sich wohl mit bescheidenen Standards: «Es wäre wichtiger, weniger luxuriös zu sanieren, dafür aber günstige Preise zu garantieren», findet Camillo Paravicini.



Auf der Suche nach einem neuen Atelierhaus: 25 Künstler möchten unbedingt zusammenbleiben, sind aber auch offen für neue Mitglieder, um das Prinzip der Selbstverwaltung beizubehalten.

Auf der Suche nach einem neuen Atelierhaus: 25 Künstler möchten unbedingt zusammenbleiben, sind aber auch offen für neue Mitglieder, um das Prinzip der Selbstverwaltung beizubehalten. (Bild: Michel Schultheiss)

«Generationenübergreifende Idee fasziniert»

Bei all diesen Anliegen erhalten die Künstler nun Unterstützung von der frisch gewählten Grossrätin Sasha Mazzotti (SP). In einer kürzlich eingereichten Interpellation bricht sie eine Lanze für die Genossenschaft: «Die generationenübergreifende Idee hinter diesem Atelierhaus hat mich besonders fasziniert», erklärt Mazzotti. In ihrem Vorstoss fragt sie die Regierung unter anderem, ob ein Leistungsvertrag mit der Ateliergenossenschaft möglich sei. Ferner nimmt sie die Frage der Künstler auf, ob sich die Umbauarbeiten und die Ateliernutzung nicht miteinander vereinbaren liessen.

Auch sie ist der Ansicht, dass es nicht bloss um den vorzüglichen Standort bei der Kaserne gehe: «Die Künstler wären ja bereit, auch woanders hinzugehen», sagt Sasha Mazzotti. Besonders die älteren Künstler stünden angesichts der steigenden Mieten vor einer schwierigen Situation: «Die meisten haben keine Pensionskasse und leben von der Minimal-AHV.»

Philippe Bischof: Preis-Erwartungen sind unrealistisch

Diese Vorwürfe bleiben beim Präsidialdepartement nicht unwidersprochen. Philippe Bischof, Leiter Abteilung Kultur, hält fest, dass allen beteiligten Departementen die Dringlichkeit der Raumsuche bewusst sei. Es gebe da aber einen Haken: «Die Preiserwartungen der Ateliergemeinschaft sind so tief angesetzt, dass es herausfordernd bis unmöglich ist, passende Räume zu finden», sagt er gegenüber der TagesWoche.

Auch die Kritik, dass der Umbau der Kirche weit über das Ziel hinausschiesst, möchte er so nicht stehen lassen. Man wolle eine «möglichst einfache Sanierung durchführen, ohne unnötige oder gar luxuriöse Massnahmen», betont Bischof. Trotz bescheidener Ansprüche der Künstler seien aber Unterhaltsarbeiten und technische Verbesserungen notwendig, um die Sicherheitsauflagen zu erfüllen. Zudem erachtet er die Forderung, die Ateliers während der Umbauarbeiten nutzen zu können, als wenig realistisch: «Staub, Schmutz und Baulärm verunmöglichen für diesen Zeitraum das Arbeiten in den Ateliers», sagt Philippe Bischof.




(Bild: Michel Schultheiss)

Kritik an der Aufwertung von alten Arbeitsräumen

Trotzdem möchten die Künstler nicht aufgeben. «Eine Minimalsanierung, die niemanden zum Zügeln zwingt, ist möglich, doch der Wille dazu fehlt», findet Jan Hostettler. «Es geht uns nicht einfach um Privatinteressen, sondern um Verdrängung von günstigen Arbeitsräumen in der Stadt.» Er sieht darin Aufwertungsmassnahmen, die es Leuten mit geringem Budget und bescheidenen Ansprüchen nicht einfach machten.

Man habe so während Jahrzehnten kaum in die Klingentalkirche investieren müssen, sagt Hostettler: «Die Stadt hat davon profitiert, dass die Künstler genügsam sind.»  

 

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