Mädchen, setzt euch ans Schlagzeug!

Der RFV Basel will den Frauenanteil unter den Musikschaffenden erhöhen. Eine hauseigene Studie rät, schon bei den Kindern anzusetzen. Die TagesWoche hat bei Basler Musikschulen angeklopft und wollte sehen, wie es um den weiblichen Nachwuchs steht. 

Junge Frauen brauchen Vorbilder, so wie Cindy Blackman, die schon bei Lenny Kravitz und Carlos Santana den Takt angab.

In der Basler Popmusik sind Frauen eher eine eine Randerscheinung. Das zeigt eine Vorstudie des RFV Basel – Popförderung und Musiknetzwerk der Region Basel glasklar auf. Doch wo harzt es? Wo stolpern die Frauen auf ihrem Weg zur Bühne?

Einen frühen, wenn nicht den ersten Kontakt mit einem Instrument haben Kinder in der Musikschule. Dazu empfiehlt der RFV in seiner Studie: Lehrpersonal und Eltern sollen Stereotypen thematisieren, bei der Wahl eines Instruments sollen die vorherrschenden Geschlechterklischees überwunden werden. Der Verein schlägt vor, Mädchen und Buben getrennt ein Instrument wählen zu lassen – sodass sich vielleicht auch ein Mädchen traut, hinters Schlagzeug zu sitzen. Ausserdem müssten mehr weibliche Vorbilder geschaffen werden. 

https://tageswoche.ch/form/interview/liebe-basler-musikszene-warum-gibts-bei-euch-so-wenig-frauen/

Wir wollten von den Musikschulen in Basel wissen, was Sache ist. Wie ist der Anteil von Mädchen und Buben? Wie sieht es beim Lehrpersonal aus? Wer spielt was? Und werden Mädchen speziell gefördert?

Deutliche Diskrepanzen beim Jazz

Kaspar von Grünigen, Leiter der Musikschule Jazz, sagt: «Die Unterschiede sind bei uns zum Teil sehr deutlich.» Vor allem im Gesang und beim Klavier habe es sehr viele Mädchen. Ganz im Gegensatz zum Schlagzeug oder zu den Blechblasinstrumenten, wo Mädchen klar in der Minderheit seien. Von 326 Schülern vom Kinder- bis ins höhere Erwachsenenalter sind 40 Prozent Mädchen oder Frauen. Bei den unter 25-Jährigen ist die Diskrepanz höher: Nur gut ein Drittel ist weiblich.

Bei der Auswahl der Schülerinnen und Schüler Einfluss zu nehmen, sei schwierig, sagt von Grünigen. Als öffentliche subventionierte Institution stehe die Musikschule Jazz allen offen, dabei dürfe das Geschlecht keine Rolle spielen. Ein spezielles Programm zur Förderung von Mädchen führe die Schule nicht. In bestehenden Gefässen sei die Verteilung zurzeit jedoch gut: Laut von Grünigen verfüge die Talentförderklasse Jazz und auch das vom Bund geförderte «Jugendjazzorchester.ch» zurzeit über einen beträchtlichen Frauenanteil.

Unter den 24 Lehrpersonen der Jazzschule befinden sich gerade mal vier Frauen – drei davon unterrichten Gesang.

«Es ist aber wichtig, das Thema auf dem Schirm zu haben», sagt von Grünigen. «Es geht um eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung, strukturelle Ursachen und Hindernisse können sich sehr subtil äussern. Da sind auch die Lehrkräfte gefordert.»

Zudem existierten auch Fördergefässe ausserhalb der Schule. Auch deshalb hat sich von Grünigen, seit zwei Jahren Leiter der Musikschule, erst kürzlich zum Austausch mit «Helvetiarockt» getroffen, der Schweizer Koordinationsstelle für Frauen in der Populärmusik. Diese bietet gezielt Angebote für junge Musikerinnen an.

Ein wichtiger Ansatzpunkt im Bereich Jazz sei laut von Grünigen das Lehrpersonal. Momentan befänden sich unter den 24 Lehrpersonen an der Musikschule gerade mal vier Frauen – drei davon unterrichten Gesang. Von Grünigen sieht die Ursache in der Geschichte des Jazz.

Vor 30 Jahren sei die Jazzszene noch viel stärker von Männern dominiert gewesen als heute. «Gleichzeitig setzte die Institutionalisierung des Jazz ein. Die ersten Musikschulen wurden gegründet und holten die Lehrpersonen direkt aus der Szene.» Es sei davon auszugehen, dass sich das Verhältnis in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zugunsten der Frauen verändere.

Im Jazz würden im Bereich Musikpädagogik nun auch mehr Frauen ausgebildet als früher, sagt von Grünigen. Zum Schluss fügt er an: «Es wäre wichtig, wenn auch bei Leitungsstellen ein ausgewogeneres Verhältnis von Mann und Frau herrschen würde.»

«Weibliche Vorbilder generieren weibliche Schüler»

Anna Brugnoni, Leiterin der Musikschule Basel, schreibt auf Anfrage: «Weibliche Vorbilder generieren weibliche Schüler.» Mit der Anstellung von Frauen in «männlichen» Registern wie Schlagzeug oder Saxofon habe auch die Zahl der Anmeldungen von Mädchen für diese Instrumente zugenommen.

«Im Bewerbungsverfahren haben die Besten eine Chance, unabhängig vom Geschlecht.»

Anna Brugnoni, Leiterin Musikschule Basel

An den Schulen der Musik-Akademie –  die Musikschulen Jazz, Riehen und Alte Musik zählen auch dazu – unterrichten laut Brugnoni insgesamt 211 Frauen und nur 62 Männer. «Das hat nichts mit Quoten zu tun. Im Bewerbungsverfahren haben die Besten eine Chance, unabhängig vom Geschlecht.»

Trotz des grösstenteils weiblichen Lehrpersonals ist das Missverhältnis bei den einzelnen Instrumenten auch bei der Musikschule gross. Den grössten Mädchenanteil gibt es laut Brugnoni beim Klavier, der Geige, der Quer- und der Blockflöte, der Harfe und beim Gesang, während die Mädchen beim Schlagzeug nur einen Fünftel ausmachen. «Wir beeinflussen die Wahl des Instruments nicht», sagt Brugnoni. «Am Instrumenten-Nachmittag können alle Kinder unabhängig vom Geschlecht alle Instrumente nebeneinander kennenlernen und ausprobieren.»

Gesamt stehen die Zukunftsprognosen für die Mädchen also nicht schlecht. Auch wenn bei den Musikschulen in Sachen Geschlechterverhältnis noch Luft nach oben ist – wie auch in der Popmusik. Da stellt sich die neue Frage: Wie stehts eigentlich mit der Geschlechter-Verteilung in der klassischen Musik?

Fortschrittliche Klassik

Das Sinfonieorchester Basel weist einen Frauenanteil von gut 30 Prozent auf. Doch auch hier belegen die Frauen vor allem «weibliche» Register wie Violine, Viola, Cello, Flöte und Harfe. Hans-Georg Hofmann, künstlerischer Direktor des Orchesters, spricht von einer kontinuierlichen Entwicklung hin zu höheren Frauenanteilen in sinfonischen Orchestern – «eine institutionelle Frauenquote ist gar nicht nötig». Hofmann ist überzeugt, dass die Frauen auch in die von Männern dominierten Register vorrücken werden.

Dass er damit richtig liegt, zeigt das selbstverwaltete Orchester Basel Sinfonietta. Hier sind die Musikerinnen mit einem Anteil von rund 70 Prozent deutlich in der Mehrheit. Den hohen Frauenanteil kann sich Geschäftsführer Felix Heri aber nicht richtig erklären: «Wir haben keine Frauenquote, das hat sich einfach so ergeben», sagt er.

Die Tendenz im Orchester deutet weiter in diese Richtung: «Von den letzten sechs Neubesetzungen waren vier Frauen.» Heri weiss aber, dass der Frauenanteil auch an den Musikhochschulen steigt, was sich schliesslich auch auf den professionellen Bereich auswirke.

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