Das Historische Museum hat unlängst und nicht ohne Stolz seine jüngste Ausstellung vorgestellt. In einer Vitrine stehen neuerdings zwei Dinge, die dem historisch bedeutenden Tennisspieler Roger Federer gehört haben. Gleich neben der Vitrine erhalten die Museumsbesucher die Gelegenheit, ihren Assoziationen freien Lauf zu lassen und die Gedanken und Gefühle mitzuteilen, die sich ihrer bemächtigen, wenn sie vor Roger Federers Ball und Roger Federers altem Schläger stehen.
Der Gedanke: Nach jahrelanger Misswirtschaft im Traditionshaus sind die Mittel klamm, da muss es auch mal ein Schläger mit Ball tun.
Aber vielleicht sind Ball und Schläger auch nur der Anfang, denn das Historische Museum hat noch ein drittes Exponat in der Hinterhand: eine gebrauchte Sporthose Federers, in deren Besitz man ebenfalls gelangt ist.
Das Gefühl: Mitleid.
Offenbar braucht das Historische Museum Basel unter neuer Leitung einen Publikumsmagneten neben der spröden, langweilig inszenierten Ausstellung zu mittelalterlichen Glaubenswelten. Vermutlich wollen die Museumsmacher mit den Federer-Artefakten auch ein jüngeres Publikum ansprechen und zumindest einmal über die Schwelle der Barfüsserkirche locken. Immerhin, könnte man sagen, sie versuchen es.
Ein paar hundert Meter weiter, den Münsterberg hoch, ist das Naturhistorische Museum zu Hause. Im imposanten Berri-Bau hat auch eine ausgewachsene Giraffe problemlos Platz. Die Räumlichkeiten sind wie geschaffen zur dramatischen Inszenierung, für Spielereien aller Art. Wer das Museum dann betritt, fühlt aber die Gravität, die auf Haus und Personal lasten muss.
Die Ausstellungen wirken alle gut konserviert. Auf dem Münsterberg wird ein Museum betrieben wie vor Jahrzehnten, kindergerecht ist wenig, überraschend nichts. Der Geologie-Raum glänzt mit kaputter Infrastruktur und einer Vielzahl an Steinen. Die Skelette und die Mammut-Replika sind imposant, doch das schon seit Jahren ohne Veränderung. Selbst Sonderausstellungen wie jene über heimische Wildtiere sind lieblos gestaltet und lösen bei Kindern kaum etwas aus.
Ab nach Liestal
Familien müssen über die Stadtgrenzen hinausfahren, wollen sie in ein Museum, das Eltern und Kinder gleichermassen bedient und beglückt. In ein Museum, das begeistert, amüsiert, irritiert. Sie müssen aus der Stadt raus, aber auch nicht zu weit, in eine Ortschaft, die – wie wir seit der lärmigen Unistandort-Debatte wissen – gar nicht so weit entfernt liegt: nach Liestal.
Auch das Museum BL zeigt auf einem Stockwerk eine Bestandesaufnahme des hiesigen Wildtierbestands. Der Vergleich des Baselbieter und des Stadtbasler Zugangs zum Thema ist beispielhaft für die konzeptuellen Unterschiede der beiden Museumswelten. Während in Basel ein Raum mit allerlei Ausgestopftem vollgestopft wurde, ist die Baselbieter Ausstellung aufs Erleben ausgerichtet. Im Raum steht ein Bataillon an Mikroskopen, unter denen sich Schneckenhäuser und anderes Kleinzeug untersuchen lässt. Kern der Ausstellung ist ein komplett abgedunkelter Raum, in dem die Besucher mit Taschenlampen Tieren nachstellen müssen, die sich nur mit ihren typischen Lauten verraten.
Der Höhepunkt eines Besuchs im Museum BL liegt aber im ersten Stock. Dort hat im März die Säuli-Ausstellung eröffnet. «Das Schwein – sympathisch, schlau und lecker» heisst das Sonderprogramm, eine rundum gelungene Gesamtschau auf Schwein und Schweinezucht, die nirgendwo beschönigt, nicht moralisiert, aber aufklärt. Die vor allem allen Altersstufen zahlreiche unerwartete Zugänge zum Thema gibt.
Irgendwann hat man im Museum BL erkannt, dass Kinder immer mit im Fokus stehen sollten.
An einer Station lassen sich mit einfachen Hilfsmitteln die Geräusche der Schweine auf der Weide nachstellen, andernorts können Kinder mit Schweineschnauzen Äpfel über einen Parcours schieben. Es werden zweifelhafte Hilfsmittel der Schweinebauern gezeigt und erklärt, von der Kupierzange über Hormonspray bis zu eingefärbtem Zuchteber-Sperma. Dazu zeigen grosse Videoscreens den Alltag der Schweine und in einem abgetrennten Raum die Schlachtung selber. Auf einem Autoanhänger sitzend, kann man die Schweine während des letzten Transports beobachten, dazu kommen aus dem Kopfhörer Gedanken, die sich Autofahrer auf der Autobahn machen, wenn sie einen Tiertransporter sehen.
Die Schweine-Ausstellung ist bei den Besuchern aussergewöhnlich beliebt, die Eintrittszahlen sind konstant hoch. Ausstellungsmacher Pit Schmid ist spürbar zufrieden mit dem neusten Museumswerk: «Hier zeigt sich eine Entwicklung, die wir seit Jahren vorantreiben, hier zeigt sich die besondere Mischung des Museums BL exemplarisch.» Die Gedanken des kleinen Museumsteams würden immer um die Frage kreisen, wie man Inhalte aktiver vermitteln könne als mit Vitrine und Begleittext. Von Ausstellung zu Ausstellung, glaubt Schmid, verbessere man sich. «Ausgehend von den Erkenntnissen der Forschung, wie sich Schweine verhalten, wie es um ihr Sozialleben, um ihre Intelligenz bestellt ist, fragen wir uns: Wie können wir das einem Kind näherbringen?»
Immer gehts ums Kind im Museum BL. Der Weg dorthin, sagt Direktor Marc Limat, führte über spezifische Kinderausstellungen. Irgendwann erkannte man, dass es keine spezifischen Ausstellungen braucht, sondern Kinder immer mit im Fokus stehen sollten. «Es gibt viele Museen in der Region, wir mussten unsere Nische finden», sagt Limat, seit 2011 Direktor, aber schon zuvor im Museum angestellt.
Kurator Schmid hat das Verhalten der Besucher genau beobachtet: «Kinder hören gerne Geschichten, also sind wir mit Text sehr zurückhaltend. Aber wir verzichten auch nicht ganz darauf. Wenn eine Familie die Ausstellung betritt, rennen die Kinder erst rum, probieren alles aus, irgendwann aber kommen sie zu den Eltern und stellen Fragen – dafür sind die Texte da.»
Ein Brettspiel zu jeder Sonderausstellung
Ein Vorteil, glaubt Limat, sei, dass das Museum BL alle Disziplinen abdeckt – es gibt nebst dem Römermuseum in Augst nur dieses kantonale Museum im Baselbiet. «Wir sind ein Crossover-Museum, können alle Themengebiete miteinander verschränken, das gibt uns Freiheiten.» Kurator Schmid hat noch eine weitere Erklärung: «Wir sind ein kleines Team mit wenig Geld und machen deshalb alles selbst.» Weil die Mittel für Drittfirmen fehle, habe man sich das Know-how für Video, Audio, Gestaltung selber erarbeitet. Über die Jahre sei man immer besser geworden. Für die Säuli-Ausstellung recherchierte und filmte das Team ein Jahr lang – fast alles, was zu sehen ist, ist selbstgemacht.
Auch die Details stimmen in Liestal. Statt eines Katalogs entwerfen die Baselbieter zu jeder Sonderausstellung ein Brett- und ein Hörspiel, mit dem die Besucher das Erlebte nach Hause tragen können.
In Basel geht man einen anderen Weg. Das erklärt Katrin Grögel, Co-Leiterin der Kulturabteilung, auf Anfrage. Mit Spezialprogrammen wird versucht, Kindern die Museen und oft klassisch gehaltenen Ausstellungen näherzubringen. So gebe es beispielsweise «Kinderworkshops, Familienführungen, offene Ateliers, in welchen die Sammlungen und Ausstellungen spielerisch und interaktiv erlebt werden können». Im Naturhistorischen Museum können Kinder zudem regelmässig übernachten, hautnah neben Walskelett und Dino-Nachbildung.
Auf die Kinderarbeit werde jedenfalls grosser Wert gelegt, versichert Grögel: «Im Vermittlungsbereich liegt der Fokus traditionell stark auf Kindern, Jugendlichen und Familien als Zielgruppe.»
Darüber hinaus wird versucht, das eigene Image mit PR-Massnahmen wie dem aufwendig produzierten Werbefilm des Naturhistorischen Museums aufzubessern. Der merkwürdig getextete, mit Lokalpromis durchsetzte Streifen versucht, das verstaubte Haus in ein Hollywood-Setting zu setzen, wo die Exponate irgendwann lebendig werden. Mit der Museumsrealität hat die Inszenierung indes nicht viel zu tun. Dort lebt höchstens noch das Kleintier im verfilzten Mammutfell.