Schon wieder Anna Aaron, erneut James Gruntz?

Die Nominationen für den 6. Basler Pop-Preis sind bekannt. Anna Aaron steht zum vierten Mal auf der Liste, James Gruntz ist gar zum fünften Mal nominiert. Das spricht für die Qualität und Kontinuität dieser Singer-Songwriter. Aber es spricht auch für Déjà-Vus, die dieser junge Preis bereits hervorruft – und für die dünne Besiedelung der Basler Popspitze.

Bekannte Gesichter unter den Nominierten für den Basler Pop-Preis: Anna Aaron und James Gruntz. (Bild: Collage: Nils Fisch)

Die Nominationen für den 6. Basler Pop-Preis sind bekannt. Anna Aaron steht zum vierten Mal auf der Liste, James Gruntz ist gar zum fünften Mal nominiert. Das spricht für die Qualität und Kontinuität dieser Singer-Songwriter. Aber es spricht auch für Déjà-Vus, die dieser junge Preis bereits hervorruft – und für die dünne Besiedelung der Basler Popspitze.

«Fällt dem RFV denn niemand anderes ein als Anna Aaron?» So entfuhr es einem Bürokollegen, als die Nominationen für den Pop-Preis 2014 bekannt wurden. Der Mann, den man in der Musikszene unter dem Pseudonym Johny Holiday kennt, ist als Hip-Hop-DJ unter anderem bei Brandhärd an den Tellern. Er war auch schon selber für den Preis nominiert, spreche aber nicht aus Neid oder Enttäuschung, wie er betont, sondern aus Verwunderung: Warum tauchen da immer die selben Namen auf?

Wochenthema: Kulturpreise
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«Freud und Leid bei Buchpreisen»

Wir verstehen seine Frage, müssen allerdings klarstellen: Nicht der RFV hat Aaron und Gruntz mehrfach nominiert, sondern ein externes Board, eine «Academy», der unterdessen 49 Fachleute aus der Schweiz angehören. «Für die Nominationen schreiben wir alle unabhängigen Jurorinnen und Juroren der letzten sieben Jahre an», klärt Tobit Schäfer vom RFV auf. Er betont: «Niemand von RFV-Vorstand oder Geschäftsstelle hat Einfluss auf die Nominierung oder Jurierung. Wir sind damit zurückhaltender als beispielsweise die Kantone, in deren Fördergremien auch Leute aus der Kulturverwaltung Einsitz nehmen.»

Räumt Anna Aaron ein zweites Mal ab?

Anna Aaron hat den Preis 2011 auch gewonnen. Das Reglement schreibt nicht vor, dass sie damit für die Folgejahre aus dem Rennen ist. Und James Gruntz kann sich zum fünften Mal Hoffnungen auf die Auszeichnung und die damit verbundenen 15’000 Franken machen.

Gibt es keine Ausschlusskriterien, um bei den Nominationen mehr Rotation zu erzwingen? «Nein, es soll jeweils die Spitze gefördert werden», sagt Schäfer, «und sowohl Aaron wie auch Gruntz haben offensichtlich ein funktionierendes Geschäftsumfeld und einen grossen Fankreis, sind sie doch beide mit ihren diesjährigen Platten in den Charts gelandet. Mit Bleu Roi, End und Ira May haben wir daneben ja auch drei Newcomer unter den Nominationen.»

Anna Aaron hat seit Erscheinen dieses Artikels übrigens mit schöner Geste reagiert: Auf Facebook bedankte sie sich für die Nomination, die sie freue. Doch weil es in dieser Stadt nicht an «hard-working musicians» mangle, die eine Nomination verdient hätten, empfiehlt sie die anderen vier Künstlerinnen und Künstler zur Wahl. «Ich finde es nicht nötig, Künstler vorzuschlagen, die schon einmal gewonnen haben.»

 

 

Wo bleibt der nächste Black Tiger?

Wenn nun aber Hip-Hopper monieren, dass eine starke Schlagseite hin zu Rock und Pop ersichtlich ist, kann man ihnen recht geben. Schäfer erklärt sich das damit, dass «im Moment kaum ein junger Rapper eine vergleichbare nationale Ausstrahlung hat».

Szene-Aushängeschilder wie Black Tiger oder Brandhärd seien zum einen auch schon nominiert worden und zum anderen schon so lange dabei, dass sie von der Jury kaum mit dem Pop-Preis bedacht würden. «Schon im ersten Jahr wurde klar, dass die Jury auf die Jugend setzt. Damals lieferten sich die Lovebugs und Navel ein Kopf-an-Kopf-Rennen», verrät Schäfer. Am Ende schlug das Pendel der Mehrheit Richtung Laufental aus, man kürte die jüngere Band zu Gewinnern. 

Neu im Programm: Anerkennungs-Preis für gestandene Musiker

«Weil dem Verein aufgefallen ist, dass verdiente Künstler stets leer ausgehen, werden wir in diesem Jahr erstmals einen Anerkennungspreis verleihen, mit dem jahrzehntelanges Schaffen gewürdigt wird», sagt Schäfer. Dieser wird intern als «Kritikerpreis» bezeichnet, da ihn rund 20 Musikjournalisten aus der Region vergeben werden.

Angesichts der kritischen Stimmen wie jener von Johny Holiday verweist Schäfer zudem auf die Vielfalt der Förderung des RFV Basel. «Der Pop-Preis ist ja nur ein Element in der Förderung. Weit mehr Gelder fliessen in den RegioSoundCredit, bei dem auch Hip-Hopper oder Elektronikmusiker immer wieder Unterstützungsgelder erhalten. Dort werden jährlich 81’000 Franken pro Jahr vergeben.»

Dass der aktuellen Jury des Basler Pop-Preises mit Leuten wie Daniel Fontana (Bad Bonn) oder Christoph Alispach (SRF3) vor allem ausgewiesene Rockkenner angehören, gibt dennoch zu reden: «Die Jury ist auf zwei Augen blind: Im Hip-Hop und in der elektronischen Musik», sagt Johny Holiday.

Endlich wurden mehrere Frauen nominiert

Tobit Schäfer gibt zu, dass die Jury immer auch ihre persönlichen Präferenzen habe, weshalb diese möglichst heterogen zusammengesetzt würde. So amtet in der diesjährigen Pop-Preis-Jury auch Chiara Fanetti, die beim Tessiner Radio Rete Tre unter anderem für das Hip-Hop-Special REPresent verantwortlich ist. 

Ob das die Rapszene zufriedenstellt? Immerhin, einen Vorwurf wird man heuer sicher nicht mehr hören: jenen des Männerbundes (ein Missstand, den unsereiner vor einem Jahr angeprangert hatte). 2014 sind die Geschlechterquoten wunderbar ausgeglichen. In der fünfköpfigen Jury sitzen zwei Fachfrauen (nebst Chiara Fanetti auch Steffi Klär) – und unter den fünf Nominierten finden sich mit Anna Aaron, Bleu Roi und Ira May gleich drei Musikerinnen. 

Wie es ausgeht, das erfahren wir am 5. November 2014. Dann werden die diesjährigen Preise verliehen. 

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