Reha und Nadine Okay verkaufen und restaurieren in Basel Vintage-Möbel. Ganz nebenbei servieren sie auch noch Kaffee und Kuchen.
Ein grosser Designer hat einmal gesagt: «Nichts Altes wird neu geboren. Aber es verschwindet auch nicht ganz. Und das, was einmal war, kommt immer wieder in neuer Form.» Da würde Reha Okay sofort zustimmen. Der herzliche Mann mit den schönen Lederschuhen und zahlreichen Fältchen um die Augen hat das neue Alte zu seinem Geschäft gemacht.
Seine Galerie «okay art» ist ein Laden für Vintage-Möbel von den 1940er- bis zu den 1970er-Jahren und die erste Anlaufstelle für Basels Eames-Enthusiasten und Saarinen-Schwärmer. Für all jene, denen diese Namen nichts sagen (ich konnte «Saarinen» kaum buchstabieren vor diesem Artikel): Diese Designer sind die George Clooneys (klassisch und entspannt) der Möbelszene, die Jeff Koons‘ (berühmt) der Designwelt. Menschen auf der ganzen Welt geben massenhaft Geld dafür aus, sich ihre Entwürfe ins Haus stellen zu können.
Womit wir beim Problem wären: Teure Möbel und ein junger Mensch wie ich, der es sich nicht leisten kann, zur Rettich-Sektion zu gehören (ein von der «Zeit»-Journalistin Nina Pauer eingeführter Begriff, der äusserst treffend junge Erwachsene mit einem Hang zu «pseudo-buddhistischem Hypermaterialismus» beschreibt), sind voneinander ungefähr so weit entfernt wie Jeff Koons von George Clooney. Meine Möbel kommen vom Sperrgut im Gellert oder von den Familienmitgliedern meiner Mitbewohner. Und zu «Design» fällt mir knapp die Starck-Saftpresse ein und diese grauenhaften Plastikstühle, die bei meinem Vater rumstehen.
Vom Maulwurfhügel in den Glaspalast
Die Möbelgalerie der Okays befindet sich seit einem Jahr an der Schützenmattstrasse, in der Nähe der Uni, im Moment gerade gegenüber einer lautstark ratternden Baustelle. Das Gebäude fällt auf, die Fassade ist grösstenteils aus Glas, bei Ladenschluss wird eine Art kunstvolles Gitter davorgezogen. Reha Okay lacht herzlich, als er meine Bewunderung für das geräumige Gebäude hört. Das grosszügige Herzog-&-de-Meuron-Gebäude sei eine Wohltat im Vergleich zur Räumlichkeit an der Landskronstrasse, wo sich vorher der Showroom der Okays befand und wo heute noch Werkstatt und Lager sind: «Das war wie in einem Maulwurfhügel, du bist am Morgen rein und abends blinzelnd wieder hinausgetappt.»
Blinzeln muss man heute höchstens noch ob dem grossformatigen Wandbild des Zürcher Künstlers Karim Noureldin, das im Café im vorderen Teil der Galerie zu sehen ist. Oder angesichts der ockerfarbenen Kacheln mit sternförmigem Muster, mit denen die Theke verziert ist. Sie sind aus einem alten Haus in der Nähe von Nîmes und wurden von den Okays aus den Ferien nach Basel gebracht. Auf der Theke stehen hausgemachte Kuchen, die Nadine Okay mehrmals pro Woche mit ihrer Mutter zusammen backt.
Kein Herz für die Wegwerf-Gesellschaft
Der Kaffee ist aus einer Rösterei in Milano und auch die Schuhe des Paares, die sofort ins Auge stechen – braune und rot-weisse Loafers – sind aus Italien. Mir kommt wieder George Clooney und sein Dolcefarniente-Nespresso-Gesicht in den Sinn, und ich stelle mir die beiden in einem riesigen Loft vor, umgeben von grossen Lampen und betont schlichten Möbeln aus Skandinavien und Italien (das Kerngeschäft der Okays) auf flauschigen Teppichen. Sie lachen. Tatsächlich würden sie bei ihnen zu Hause dieselbe Richtung einschlagen wie im Laden, schliesslich gefalle ihnen diese Art von Vintage-Inventar. Ein einziges Ikea-Teil hätten sie schon, meint Nadine Okay, «aber das ist gut versteckt».
Für Ikea und die Wegwerf-Mentalität, die der schwedische Gigant mit sich bringt, haben die beiden Ladeninhaber nicht viel übrig: «Es ist traurig, mitansehen zu müssen, wie Menschen ihre Möbel nur ein Jahr lang behalten und dann wieder wegwerfen», meint Reha. Bei «okay art» lege man Wert auf den rücksichtsvollen Umgang mit Materialien: «Es ist wie beim Slow Food. Nur dass wir hier Slow Furniture machen.»
Reha Okay kennt sein Handwerk gut. Schon als kleiner Junge sass er bei seinem Vater, einem Antiquitätenrestaurator, in der Werkstatt und schliff Teakholz. Später eröffnete er seinen ersten Laden – ein kleines Schaufenster in der Bahnhofunterführung im Gundeli. Nach dem Gespräch, als der Fotograf seine Kamera für das Porträt bereitstellt, wird er kurz nach oben rennen und zwei alte Fotos holen, die das Schaufenster in den Neunzigern zeigen. Die Möbel darin sind fast dieselben wie die, die jetzt in der Galerie ausgestellt sind. Genau darin liegt der Charme dieses Ladens: Er ist zeitlos. Nicht nur alte Möbel werden liebevoll restauriert, auch analoge Erinnerungen sind von solcher Bedeutsamkeit, dass sie im Büro aufbewahrt werden.
Möbel mit Charakter
Die Hingabe und Sorgfalt, die sich in dieser Art der Konservierung widerspiegelt, zeigt sich auch bei Reha als Ladeninhaber: Er führt mich herum, zeigt mir, woran man Möbel aus der Kriegszeit erkennt (aussen elegant und gut verarbeitet, innen günstiges Holz, um an Material zu sparen), erklärt, wie man speditiv lackiert und wieso er absolut von der Devise «form follows function» überzeugt sei («Möbel muss man in erster Linie gebrauchen können»). Er vertraut mir an, dass er nie ohne Möbelbuch aufs Klo geht, und erzählt, wie er und sein Team wochenlang die richtigen Kordelmaterialien für eine Stehlampe recherchiert hätten.
Aber am schönsten ist es, wenn Okay über die Möbel spricht, die in der Galerie stehen. Als wären sie eigenständige Personen, verleiht er ihnen Charaktereigenschaften: Der italienische Sessel tänzelt herum, während der Schweizer eher wie ein Panzer daherkommt. Der Servierwagen von Cesare Lacca ist sehr organisch und der Sessel von Giuseppe Pagano demonstrativ breit und wuchtig – kein Wunder, schliesslich ist er aus dem Italien der 1940er-Jahre.
Raffinierte Italiener, funktionale Skandinavier
Gibt es denn konkrete Unterschiede, wie verschiedene Länder ihre Möbel herstellen? Okay nickt. Italienische Möbel seien sehr raffiniert, während die Skandinavier eher aufs Funktionale setzten. Und die Schweiz? «Die Schweiz ist höchste Qualität, funktional und für die Ewigkeit.» Er zeigt mir einen Einpunkt-Stuhl des Schweizer Designers Hans Bellmann. Es ist ein schlichter, wunderschöner Stuhl aus hellbraunem Holz mit einem Loch in der Lehne. «Das Loch ist ganz praktisch gedacht: Damit man den Stuhl einfacher herumtragen kann. Es ist die Funktionalität, die das Design ausmacht.»
Und es ist die Leidenschaft, die das Design am Leben erhält. Womit der grosse Alvar Aalto, den wir zu Beginn dieses Artikels zitiert haben (und der übrigens momentan in einer sehenswerten Ausstellung im Vitra Museum zu sehen ist), vielleicht doch nicht ganz recht hatte: Altes kann mit genügend Herzblut und Kompetenz eine Renaissance erfahren. Und mittellosen jungen Erwachsenen die Flause in den Kopf setzen, sich mit den nächsten drei Löhnen doch mal einen tänzelnden Italiener anzuschaffen.
- «okay art», Galerie für Vintage-Möbel, Schützenmattstrasse 11, 4051 Basel.