Die Gerüchte verdichteten sich in den vergangenen Wochen, nachdem sich die Bekanntgabe der neuen Leitungsperson für das Theater Basel verzögert hatte. Jetzt aber ist es offiziell: Der neue Basler Intendant heisst Benedikt von Peter, ist 41 Jahre alt und von Haus aus Spezialist für Musiktheater. Er wird auf die Spielzeit 2020/2021 die geografisch kurze Reise vom kleinen Luzerner Theater zum grössten Dreispartenhaus der Schweiz antreten.
Sein eigentlich bis 2021/2022 laufender Vertrag mit Luzern ist denn auch der Grund für die späte Mitteilung. Die Basler Theaterverwaltung musste ihren designierten Intendanten erst aus dem Vertrag mit Luzern befreien. So wie sich der aktuelle Basler Intendant Andreas Beck aus seinem Vertrag lösen musste. Beck wechselt bekanntlich 2019/2020, und damit ebenfalls ein Jahr vor seinem Vertragsende, ans Münchner Residenztheater.
Erfolg mit Innovation in Luzern
Aber so ist das im Theater. Ähnlich wie im Fussball. Dem Ruf eines renommierten Hauses kann man schwer widerstehen. Und Beck hat das Theater Basel quasi in die Champions League der deutschsprachigen Theaterlandschaft geführt. Und so schrieb die «Luzerner Zeitung», die schon Anfang Juli über einen Wechsel von Benedikt von Peter spekulierte: «Ein Karrieresprung zur richtigen Zeit». Das Bedauern der Zeitung war spürbar: Von Peter habe in Luzern für «ein volles Haus, verzauberte Kritiker und Zuschauer» gesorgt.
Was verspricht dieser «Karrieresprung» nun für Basel? Das hiesige Theater ist eine hohe und wichtige Stufe auf der Karriereleiter. Und ein gutes Pflaster für Theatermenschen, die mit Qualität und spannenden Positionen auf sich aufmerksam machen wollen. Das war beim grossen, stilbildenden Theaterleiter Frank Baumbauer so, der 1993 ans Schauspielhaus Hamburg weiterzog. Das ist jetzt bei Andreas Beck so, den es nach München zieht. Und das war – mit einer gewichtigen Einschränkung– sogar bei Georges Delnon so, der seit 2015 als Intendant der Hamburger Staatsoper amtiert.
Das Beispiel Delnon könnte nun aber auch als weniger gutes Omen gedeutet werden. Das Theater Basel erlebte seine Glanzzeiten immer dann, wenn ein Schauspielspezialist am Ruder war. Bei Werner Düggelin in den 1960er- und 1970er-Jahren, bei Baumbauer in den 1990ern, unter Stefan Bachmann von 1998 bis 2003 und eben bei Beck. Unter Delnon erhielt das Theater Basel zwar Lorbeeren für seine Opern. Aber das Schauspiel, und das ist nun einmal die Leitsparte hier in Basel, blieb blass.
Vertrautes Pflaster für von Peter
Jetzt wird also wieder ein Spezialist des Musiktheaters an die Spitze des Hauses berufen. Vor Luzern war von Peter Leiter der Musiktheatersparte in Bremen – übrigens als künstlerischer Gefährte von Benjamin von Blomberg, der 2019 als Co-Direktor am Zürcher Schauspielhaus antreten wird. Von Peter hat 2009 und 2011 auch bereits zweimal Opern in Basel inszeniert.
Vielleicht kann also von Peter das Primat des Schauspiels in Basel brechen. Er hat sich in Luzern als Theatermacher bewiesen, der nicht nur spartenübergreifend denkt (das tun gegenwärtig alle), sondern auch so handelt. Und als jemand, der nicht dem Kanon der Sprech- und Musiktheater-Spielpläne nachhängt, sondern neue Wege, Zugänge und vor allem auch Räume sucht. «Ich bin, was meine Opernarbeit angeht, eher ein Freak» sagte der designierte Intendant an der Medienkonferenz im Theater. Aber offensichtlich einer, der damit er Kritiker und Zuschauer gleichermassen für sich gewinnen konnte. «Schweizweit schaut man plötzlich wieder gerne nach Luzern», urteilte die «Luzerner Zeitung».
Von Peter wird in Basel eine schwierige Nachfolge antreten. Sein Vorgänger Beck hat nicht nur mit seinem Prinzip der «Basler Dramaturgie» Erfolg, also dem konsequenten Weiterdenken und der Weiterentwicklung klassischer Stoffe in die Gegenwart. Beck hatte auch ein phänomenal gutes Händchen bei der Zusammenstellung des Schauspielensembles. Dieses wird zu einem beträchtlichen Teil aber mit ihm nach München weiterziehen.
Die Zusammenstellung des Ensembles wird denn auch eine der grossen Herausforderungen sein, die auf von Peter zukommen. Dazu gehört ausserdem die Zusammenstellung eines starken Leitungsteams, über dessen Mitglieder aber noch nichts bekannt ist. «Ich führe bereits Gespräche mit potentiellen Spartenleitern, aber ich kann noch keine Namen nennen», sagte von Peter.
Der Verwaltungsrat des Theaters Basel ist selbstverständlich überzeugt von den Fähigkeiten des «einstimmig gewählten» neuen Intendanten. Die Findungskommission habe sich mit 39 Kandidatinnen und Kandidaten auf der Longlist auseinandergesetzt, zehn – je fünf Frauen und Männer – seien dann auf die Shortlist gelangt. Am Schluss standen noch eine Frau und zwei Männer zur Wahl. Und nun ist sich der Verwaltungsrat sicher, «dass Benedikt von Peter dank seiner ausgewiesenen Sozialkompetenz und Teamfähigkeit die ideale Führungsperson für das Theater Basel sein wird», wie es in der Medienmitteilung heisst.
Und von Peter? «Ich habe mich nicht für Basel beworgen, ich war sehr glücklich in Luzern. Schreiben Sie das», sagte er. Aber letztlich war das Angebot, hierher zu kommen doch zu verlockend. «Ich habe als Regisseur Basel als Oase erlebt, wo man mutig und angstfrei arbeiten kann – ein Raum, wo man sich etwas getraut.»
Benedikt von Peter wurde 1977 in Köln geboren, studierte in Bonn Musikwissenschaft, Germanistik, Jura und Gesang. Er war an verschiedenen Häusern Regieassistent und gründete ein freies Theaterkollektiv. Danach inszenierte er an Theatern und Opern in Deutschland und in der Schweiz (u.a. Theater Basel, Oper Frankfurt, Staatstheater Hannover, Wiener Festwochen, Komische und Deutsche Oper Berlin). Von 2012 bis 2016 leitete er die Musiktheatersparte des Theaters Bremen. Ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Götz Friedrich-Preis, dem Theaterpreis «Der Faust» sowie 2014 mit dem Bremer Kurt Hübner-Preis. Seit der Spielzeit 2016/2017 ist von Peter Intendant des Luzerner Theaters.