Was die Jugend über die alten Grössen der Basler Musikszene denkt

Brandhärd, Lovebugs und die Lombego Surfers promoten dieses Jahr gross ihre Jubiläen. Keine Frage, die wollen wieder ins Rampenlicht. Wir Jungen in der Redaktion finden: Muss das sein?

«Rätsch!» So klingt das, wenn die Jungen alte Basler Musiker in die Hände bekommen.

Mann, sind die alt. Für uns als Redaktions-Jüngste sogar verdammt alt. Brandhärd feiern dieses Jahr ihren zwanzigsten, die Lovebugs ihren fünfundzwanzigsten und die Lombego Surfers ihren dreissigsten Geburtstag. Klar hat man als U30er schon die eine oder andere Erfahrung mit den musischen Stadtoriginalen gemacht. Da Brandhärd am Jugendkulturfestival. Da die Lovebugs, als sie sich am Eurovision Song Contest versuchten. Und die Lombego Surfers, die traf man zufällig in der gammeligen Garage des Nachbarn.

Und heute? Ihre Namen sind kaum noch auf den Playlists der Jugend zu finden. Doch wie sagt man: Den Alten soll man Respekt zollen. Also haben wir uns anlässlich der drei Jubiläen dazu entschieden, uns diese Musik reinzuziehen. Wenn auch nicht allzu lange.

20 Jahre angebrannt

Vor einigen Jahren war der Name Brandhärd jedem echten Basler ein Begriff. Heute können sich viele Jugendliche darunter nichts mehr vorstellen. Und das, obwohl Brandhärd nun seit 20 Jahren auf der Welt sind – genau gleich lang wie ich.

Ihren runden Geburtstag feiern die Allschwiler mit einer Single und einem Best-of-Album, das am 27. April erscheint.  «1997» heisst die LP. Die Tracks wurden allesamt komplett neu eingespielt.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: neu eingespielt, das heisst nicht neu. Nur neu aufgenommen. Dieselbe Musik, einfach neu. Alles klar? Man weiss damit schon im Vorhinein haargenau, was kommt: die gute alte Brandhärd-Musik. Wie das der auf der Höhe der Zeit stehende Hörer finden soll, bleibt mir ein Rätsel. Denn zeitgemässe Musik, die klingt nun wirklich anders.

Ich bin durchaus ein Rap-Liebhaber. Seit mindestens zwölf Jahren. Trotzdem kann ich mich mit dem ollen Hip-Hop-Trio nicht wirklich anfreunden. Der Beat zu poppig, die Lyrics zu ähnlich. Und das, obwohl Brandhärd genau das in «Noochbrand» dementieren: «Unsri Tracks sind vielsittig, nid brüchig wie d’Columbia» – nun ja.

It’s the 21st century, verdammt! Für Neues, das wie 20 Jahre veraltet daherkommt, habe ich keinen Platz auf meiner Playlist.

Aber stopp, DJ Spotify, wieso spielst du mir denselben Scheiss gleich noch einmal? Ach so, ist ja ein neuer Track, klingt nur gleich wie der vorherige. Da geben sich deutsche Hip-Hop-Helden der Brandhärd-Generation aber mehr Mühe. Die Beginner etwa, die 2016 nach 13 Jahren ihr Comeback gaben und mit einem Feature mit GZUZ die Brücke zum Jetzt schlagen.

Ich erwarte ja gar nicht, dass Brandhärd jetzt auf die Autotune-Schiene aufspringen (obwohl ich mir sicher bin, dass sogar das besser ankommen würde). Aber eine kleine Justierung, und zack, schon hätten die Allschwiler die Jungen wieder an der Angel.

So aber wird das nichts. Schon gar nicht «Mit links», wie die neue Single heisst. Das Video ist mager produziert, der Beat nostalgisch. Aber it’s the 21st century, verdammt! Für Neues, das wie bereits 20 Jahre veraltet daherkommt, dafür habe ich echt keinen Platz mehr frei auf meiner Playlist. (cem)

25 Jahre Schlabber-Shirts

Wer auf dieser Welt steht denn am Morgen auf und fragt sich: Was treiben eigentlich die Lovebugs so? Richtig, niemand.

Finden Sie gemein? Da haben Sie womöglich recht. Aber wissen Sie: Ich bin 25 Jahre jung. Als die Lovebugs 1993 im Sommercasino erstmals auf eine Bühne traten, habe ich noch in die Windeln und was auch immer gemacht. Und über Nummern wie «Music makes the world go round» hat höchstens mal die grosse Schwester geflucht. Oder fand sie den Song toll? Ich kann es nicht mehr sagen.

Wie gesagt, ich bin noch jung. Dennoch haben mich ein, zwei Gassenhauer mit der dünnen Stimme von Sänger Adrian Sieber bis ins Jahr 2018 begleitet: «The Key» von 2006 zum Beispiel. Es bitzeli Piano, es bitzeli Streicher und massig Schrummel-Gitarren. So lullt man Teenager ein.

Die Songs bleiben keine zwölf Minuten hängen, geschweige denn zwölf Jahre.

Und auja, 2009 war noch die Sache mit dem Eurovision Song Contest: weggevotet in der Vorrunde. Bei den Schweizern ist das ja fast schon pathologisch. Kann man den Jungs nicht vorhalten.

Und jetzt: das grosse Jubiläum. Am 26. Mai feiern die fünf Basler Popnasen im Sommercasino ihr 25-jähriges Bestehen. Ein Vierteljahrhundert Röhrlijeans und Schlabber-Shirts mit Rundausschnitt. Geht immer.

Und die Musik? Die geht irgendwie nicht mehr. «Land Ho!», ihr jüngstes Album, ist nicht schlecht. Aber auch nicht besonders gut. Es dümpelt so dahin, kein Seegang. Die Songs bleiben keine zwölf Minuten hängen, geschweige denn zwölf Jahre.

«Time takes its toll», singt Sieber in «Note to Self». Die Zeit fordert ihren Tribut. Und wenn der Ü50-Redaktor beim Mithören sagt: «Oh, Lovebugs. Gehen wir?», dann weiss ich: Für die Lovebugs bin ich heute einfach zu jung. (rob)

30 Jahre «fuck you all!»

Auf Trillerpfeife folgen Trommeln und Trompete. Boah, das fetzt! Aber halt mal, ist das nicht Jovanotti? Verdammt Spotify, ich wollte mir doch die Lombego Surfers anhören und nicht «L’Ombelico del Mondo»! Wär ja auch zu schön gewesen. Stattdessen muss ich jetzt in die dunkelste Ecke meiner Vergangenheit eintauchen.

Ich war 13, als eine ominöse Punkband namens Schwimmbad in der alten Fabrikhalle gleich nebenan auftrat. Mann, war das aufregend! Die ersten 15 Minuten des Konzerts waren dann auch ganz lustig. Dann fiel ein Crowdsurfer auf meine Freundin, und knacks: Nase gebrochen.

Fazit: Punk und Surfer vertragen sich schlecht. Für mich jedenfalls. Ein schwieriger Start für die Lombego Surfers. Oder ist das Rock, was die da seit 30 Jahren von den Gitarren schreddern? «The Lombego Surfers are not some tanned sunny boys from California but rather the hardest working Voodoo Rock Punkers!», schreiben die drei angegrauten Herren auf ihrer Facebook-Seite. Voodoo Rock Punkers – whatever.

Musik muss sitzen wie eine gute Jeans. Schlabberhosen-Mucke gehört ins letzte Jahrtausend.

Das mit dem hart Arbeiten stimmt jedenfalls: Das elfte Album bringen sie in ihren alten Tagen am 20. April heraus, dazu ein Heimspiel in der Kaschemme am Tag danach.

Ich gestehe: Ich habe nie eines dieser Alben gehört. Ich fühlte mich früher eher zu anderen Gruppen hingezogen wie Muse (damals toll, heute ätzend), Good Charlotte (schon immer ätzend) oder in ganz schwierigen Zeiten Linkin Park (kein Kommentar). Und heute ist sowieso alles anders.

Aber geben wir den Basler Surfern eine Chance. Zuerst das Positive: Mit den Instrumenten können sie umgehen. Das Instrumental «What’s Buzzin’» ist schön schwungvoll – auch wenn das wahrscheinlich nicht das ist, was die Voodoo Rock Punker lesen wollen.

Aber dann kommt der Gesang, der sagt: Fuck you all, ich singe schief! Da mal im Ton vergreifen, dort ein bisschen im Tempo verrutschen – macht alles gar nichts, im Gegenteil: Das ist die Rebellion, Mann!

Fand ich ja schon immer etwas doof. Aber gut. Nennen Sie mich ruhig prüde. Ich finde: Musik muss sitzen wie eine gute Jeans. Schlabberhosen-Mucke gehört ins letzte Jahrtausend. «Das Gefühl, eine aktuelle Band zu sein, ist geblieben, und das turnt uns an», sagte Ü60er-Sänger Anthony Thomas kürzlich in einem Interview. Das ist dann wohl der Generationenkonflikt.

So. Und jetzt hoffe ich, mir bleibt eine blutige Nase erspart – der Drummer der Band arbeitet nämlich bei uns auf der Redaktion… (rob)

Die Jugend von heute hat natürlich keine Ahnung mehr von guter Musik. Darum ist am Tag nach der Veröffentlichung eine Replik zu diesem Artikel erschienen. Verfasser: Lombego-Drummer Olivier Joliat.

https://tageswoche.ch/+xBZBi

Nächster Artikel