Zürischnure lernt für Fasnacht Baseldytsch: «Viele hielten mich zuerst für einen Elsässer»

Bei den Raamestiggli im Drummeli ist der Schauspieler Andrea Bettini eine tragende Figur – trotz von Hause aus völlig falschem Dialekt. Zum Glück ist der Secondo ein Experte für Sprachenwirrwar.

Andrea Bettini pendelt zwischen Stadttheater- und Drummelibühne.

Wacker stellt sich der Herr im schwarzen Anzug und der Schaufel in der Hand den drei grölenden FCB-Fans in den Weg. «Halt, mir sinn do uff em Hörnli. Rueh!», ruft er forsch. Es ist der Einstieg in eines der vielen kurzen Raamestiggli am Drummeli. In der Rolle des Bestatters ist Andrea Bettini zu erleben. Ein Secondo mit italienischen Wurzeln und einem ausgeprägten Zürcher Dialekt.

Basler Theatergängern ist der 57-Jährige ein fester Begriff. Seit 18 Jahren ist Bettini Mitglied im Schauspielensemble des Theater Basel – als einen von wenigen hat ihn der aktuelle Intendant Andreas Beck in sein inzwischen international gefeiertes neues Ensemble übernommen. Als Teil des viel Italianità versprühenden Gaukler-Trios Pelati Delicati begeistert Bettini auch ausserhalb der Theatermauern ein wachsendes Publikum.

Andrea Bettini als Bestatter im Raamestiggli mit Rula Badeen, Lukas Kubik und Skelt!.

Über die Pelati Delicati kam Bettini mit dem Drummeli in Kontakt. Vor rund zwei Jahren hatte er bei Regisseur Laurent Gröflin angeklopft. «Ich hatte wenig Ahnung vom Drummeli, hatte es zuvor auch nie gesehen», sagt er. «Aber ich dachte, dass wir Pelati Delicati eine Nummer beisteuern könnten.»

Aus der Nummer wurde nichts. Dafür überredete Gröflin den Schauspieler, beim Raamestiggli-Ensemble einzusteigen. Damals musste der Regisseur eine Krise überwinden. Der Versuch, das Rahmenspiel der Alten Tante der Basler Vorfasnacht 2016 gehörig umzukrempeln, war bei Publikum und Kritik gar nicht gut angekommen. Bettini sollte also mithelfen, den Karren wieder auf traditionelle Gleise zu führen.

Keine Lust auf den Klischee-Zürcher

«Ich bekam Lust mitzumachen, aber nicht als blöder Klischee-Zürcher», sagt Bettini. Also hat er Baseldytsch gebüffelt wie verrückt. Für jemanden, der so ausgeprägt zürchert, sicher keine leichte Aufgabe.

Das Bühnendeutsch beherrscht er problemlos. «Das war nicht von Beginn weg so», wie Bettini präzisiert, «auch hierfür musste ich während meiner Schauspielausbildung am Berner Konservatorium viel üben; ein Bühnenschauspieler mit Schweizer Dialekteinschlag geht gar nicht.»

So kam er auch dem Baseldytsch näher. «Meine Ensemblekollegen haben sich rührend um mich gekümmert», sagt Bettini. Auch sein neunjähriger, in Basel geborener Sohn habe geholfen.

Ganz und gar zum Sprach-Bebbi wurde Bettini auf der Bühne aber nicht. «Viele hielten mich bei meinem ersten Auftritt für einen Elsässer», erinnert er sich. Das sei aber als sympathisch empfunden und akzeptiert worden.

Andrea Bettini (mit Katja Jung und Franziska Hackl) in «Der Revisor oder: Das Sündenbuch» am Theater Basel.

Bettini bekundet nach eigenen Angaben keinerlei Mühe damit, zwischen der grossen literarischen Kunst auf der Stadttheaterbühne und dem satirischen Volkstheater beim Drummeli hin- und herzupendeln. «Ich empfinde das als grosses Privileg», sagt er. Mit den Pelati Delicati hat er ja auch bereits entsprechende Erfahrungen sammeln können.

Einfach seien die Auftritte auf der Drummelibühne keineswegs. «Du stehst praktisch alleine auf dieser riesigen Bühne vor diesem riesigen Zuschauerraum und musst mit Kürzestnummern von zwei bis drei Minuten Dauer die volle Aufmerksamkeit erreichen.»

Auch mit dem Wechsel der Sprache hat Bettini seine Erfahrungen. «Ich wuchs als Sohn italienischer Eltern in Zürich auf. Bis ich in den Kindergarten kam, hatte ich kein Wort Deutsch gesprochen», sagt er.

Ein fast schon angefressener Fasnächtler

Seinen Weg zum Theater fand er aber nicht über die Sprache, sondern über den Drang, auf der Bühne etwas bewegen zu können. Ausschlaggebend waren die Jugendunruhen in den 1980er-Jahren. «Ich arbeitete in der Roten Fabrik und kam so mit dem Theater in Berührung», sagt Bettini.

Hat das Drummeli in seiner Beziehung zu Basel etwas geändert? «Ganz schön viel», sagt Bettini. «Ich habe viel über das politische Leben in dieser Stadt gelernt, in der ich mich bislang vor allem wohlfühlte.» Und er habe einen riesigen Respekt vor der kreativen Kraft der Fasnächtler gewonnen. So sehr, dass er mit seinem Sohn selber am Morgestraich einstehen wird, im Schyssdräggziigli eines Drummeli-Ensemblekollegen.

Das Drummeli läuft noch bis Freitag, 9. Februar. Am 10. und 11. März und Anfang April  wird Andrea Bettini mit den Pelati Delicati und dem aktuellen Programm «Celentano arriviamo!» im Parterre One in Basel  zu erleben sein.

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