Das Basler Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) zeigt sich nach Informationen der TagesWoche beim umstrittenen Ausbau der Osttangente kompromissbereit. Hinter der bundesrätlichen Kritik am angeblichen Zaudern von BVD-Vorsteher Hans-Peter Wessels dürfte taktisches Kalkül stecken.
Doris Leuthards Vorwürfe an den Basler Bau- und Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels, sein Departement blockiere den Ausbau der Osttangente, bleiben rätselhaft. Im Departement sei man sehr erstaunt über die Aussagen der Schweizer Verkehrsministerin, sagt Sprecher André Frauchiger. Die Basler Vorschläge lägen seit einer ganzen Weile beim Bundesamt für Strassen (Astra) zur Prüfung vor. «Wir haben alle Dokumente übermittelt», versichert Frauchiger, «der Ball liegt ganz eindeutig beim Bund.»
Bis zu 150’000 Fahrzeuge befahren täglich die Strecke zwischen der Verzweigung Hagnau und dem Schwarzwaldtunnel. Es ist der meistbefahrene Strassenabschnitt der Schweiz – und zunehmend vom Verkehr verstopft. Bis im Jahr 2030, so die Schätzung Leuthards, sind tägliche Stauzeiten von bis zu vier Stunden zu erwarten. Über einen Ausbau von vier auf sechs Spuren besteht deshalb längst Einigkeit. In welcher Art und Weise dieser geschehen soll, ob unter- oder oberirdisch, ist nach wie vor umstritten. Offenbar haben sich die Parteien aber mittlerweile angenähert.
Transitverkehr von Süden nach Norden unterirdisch
Basel soll von der Maximalvariante einer vierspurigen Untertunnelung anstelle der Schwarzwaldbrücke abgerückt sein. Wessels hat eine Kompromisslösung an das Astra geschickt. Gemäss dieser soll einzig in Süd-Nord-Richtung ein zweispuriger Tunnel gebaut werden, auf dem vor allem der Transitverkehr abgewickelt würde. Über die Brücke würde weiterhin auf einer Spur der Lokalverkehr verlaufen, die Gegenrichtung bliebe komplett oberirdisch.
Bruno Keller, Präsident der Anwohnerinitiative «Ausbau Osttangente – so nicht!», wurde vom BVD über diese Option informiert. «Seit einem Jahr liegt dieser Kompromissvorschlag beim Astra auf dem Tisch und wird geprüft», sagt Keller. Für ihn wäre es nur bedingt eine zufriedenstellende Lösung, weil es das Leiden der an die Autobahn angrenzenden Quartiere unter Lärm und schlechter Luft nicht lindert. Zumal sich das Astra laut Keller weigert, die gesetzlich geforderten Lärmschutzwände zu errichten, solange keine Einigung über den Ausbau besteht.
Resultat bis November erwartet
Keller glaubt aber, dass der Kompromiss mehrheitsfähig wäre: «Es ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung.» Bis im November rechne das BVD mit einem Ergebnis der nun jahrelang laufenden Prüfung der Ausbauoptionen, sagt Keller. So sei ihm das kommuniziert worden. BVD-Sprecher Frauchiger bestätigt diese zeitliche Annahme, «aber das liegt letztlich in der Hand des Bundes». Noch liegt die Forderung eines vierspurigen Tunnels in Bern auf dem Tisch – neben weiteren Varianten, sagt Frauchiger. Realistischer ist indes, dass man sich in der Mitte findet.
Offen bleibt die Frage, was Leuthard zu diesem Frontalangriff auf Wessels verleitet hat. Die Antwort dürfte eine einfache sein, da in seinem Departement niemand ernsthaft glaubt, das Astra wolle einen komplett oberirdischen Ausbau durchsetzen. Es geht wohl schlicht ums Geld. Das Astra will eine höhere Kostenbeteiligung des Kantons durchsetzen – auch beim Teil-Tunnel. Wessels stellt sich dagegen auf den Standpunkt, die Finanzierung des Autobahnausbaus sei Bundesaufgabe.
Indem CVP-Frau Leuthard nun Wessels der Verschleppung des Bauprojekts bezichtigt und so öffentlichen Druck aufbaut, könnte sie eine substanzielle finanzielle Beteiligung des Kantons erzwingen wollen.
CVP-Grossrat Inglin beunruhigt
Diesen Verdacht hegt auch Oswald Inglin, CVP-Grossrat und Mitglied des Vereins «Ausbau Osttangente – so nicht!»: «Es geht wahrscheinlich darum, wer das alles zahlen muss.» Inglin hat nach Leuthards Vortrag im Schützenhaus vom Montag, als die Bundesrätin auf Einladung der Partei über Verkehrsvorhaben in der Region referierte, eine Interpellation eingereicht (siehe Rückseite). «Ich hatte das Gefühl, alles sei in der Pipeline und Bund und Kanton hätten sich gefunden.»
Die Aussagen der eigenen Bundesrätin hätten ihn beunruhigt, weshalb er nun von der Regierung wissen will, wie der Stand der Dinge und der zeitliche Horizont des Milliardenprojekts ist. Verbesserungsbedarf sieht Inglin allerdings auch in Wessels BVD: «Das Departement scheint im Moment mit den zahlreichen Grossprojekten vom Gundelitunnel bis zum Verkehrskonzept Innenstadt überfordert. Wessels muss endlich etwas davon abhaken.»
Weshalb liegt der Ball in Basel? Das sagt das Astra
Das Astra hat die Argumente aus Basel-Stadt – oder Varianten – stets entgegengenommen und ernsthaft und vertieft geprüft. Nicht vergessen dürfen wir dabei: Dem Bund stehen 5,5 Milliarden Franken für die Engpassbeseitigung zur Verfügung, der ermittelte Bedarf für die Eliminierung aller wichtigen Engpässe liegt aber bei rund 18 Milliarden. Das Parlament erwartet, dass mit den gesprochenen Mitteln möglichst viele Engpässe aufgelöst werden… Der Bund wird nicht alle Wünsche der Kantone erfüllen können.
Artikelgeschichte
Artikel am 8. Mai, 10:30 Uhr um die Stellungnahme des Bundesamts für Strassen (Astra) erweitert. Die Frage an das Astra lautete: Weshalb geht Doris Leuthard davon aus, dass bei der Planung des Osttangentenausbaus «der Ball in Basel liegt»?