Das ging erstaunlich schnell: Die beiden Strafanzeigen im Baselbieter GAV-Skandal wurden am 20. und am 21. Juni 2018 eingereicht. «Im Rahmen der geführten Strafuntersuchung kam die Staatsanwaltschaft zum Schluss, dass die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen der fraglichen GAV Bestand hatten und die beanzeigten Vorgänge keine Straftatbestände erfüllten», meldet die Baselbieter Staatsanwaltschaft nun am 16. August.
Erstaunlich schnell, da der Sachverhalt komplex, die Anzeigen brisant waren. Im Fokus stand auch Regierungsrat Thomas Weber höchstpersönlich, wie die TagesWoche berichtete.
Dazu die Baselbieter Staatsanwaltschaft: «Mit Blick auf die öffentlichen Spekulationen, ob sich Regierungsrat Weber der Begünstigung schuldig gemacht haben könnte, kommt die Staatsanwaltschaft zum Schluss, dass kein hinreichender Tatverdacht hierfür vorliegt. Sie eröffnet kein Strafverfahren gegen Regierungsrat Weber.»
Knappe Begründung
In beiden Anzeigen ging es um Vorwürfe des «Betrugs, der Veruntreuung, der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie der Urkundenfälschung», so die Staatsanwaltschaft. Die Begründung für die Einstellung der Verfahren fällt formaljuristisch aus, sie gleicht den Argumenten der Baselbieter Wirtschaftskammer.
Letzlich entscheidend ist die Frage, ob nur der neue GAV gilt – der die alten GAV eigentlich ersetzt – oder ob die alten GAV (des Gipsergewerbes (2002), des Dach- und Wandgewerbes (2004) und des Malergewerbes (2004)) nach wie vor Gültigkeit haben.
Die Staatsanwaltschaft folgt mit ihrer Interpretation der Argumentation, die unter anderem die Baselbieter Wirtschaftskammer vertrat: Es sei laut geltender Rechtssprechung so, dass
«allgemeinverbindlich erklärte Bestimmungen eines GAV in Kraft bleiben, auch wenn der zugrunde liegende GAV selbst nicht mehr gültig ist. Diese der Rechtssicherheit dienende Regelung sieht vor, dass die allgemeinverbindlichen Bestimmungen solange gelten, bis sie formell ausser Kraft gesetzt werden.»
Die Staatsanwaltschaft widerspricht damit unter anderem der Einschätzung von Thomas Geiser, emeritierter Professor für Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen und Ehrendoktor der Universität Basel. Gegenüber dem SRF-«Regionaljournal» hatte Geiser gesagt, es habe nur der neueste Gesamtarbeitsvertrag Gültigkeit, da dieser eben eine Klausel enthalte, die die früheren explizit aufhebe.
Da «kein hinreichender Tatverdacht erkennbar» sei, dass Regierungsrat Weber «im strafrechtlichen Sinne begünstigend gehandelt haben könnte», eröffne die Staatsanwaltschaft von Amtes wegen keine Strafuntersuchung gegen den Regierungsrat.
Die Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VDG) nimmt die Mitteilung «erleichtert» zur Kenntnis, wie sie mitteilt. Die Sozialpartner würden sich nun bemühen, die Allgemeinverbindlichkeit der GAV «möglichst rasch wieder herzustellen».
ZAK-Verfahren noch möglich
Noch kann der VDG-Vorsteher nicht ganz aufatmen. Denn es gibt noch ein weiteres Verfahren, mit dem die Staatsanwaltschaft weiterhin beschäftigt ist.
Denn nach wie vor steht der Entscheid der Baselbieter Staatsanwaltschaft in Sachen Zentraler Arbeitsmarktkontrolle (ZAK) aus. Hier geht es um den Vorwurf an leitende Angestellte des Kantonalen Amtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga), den Leistungsauftrag mit der Schwarzarbeitskontrolle ZAK mit der Wirtschaftskammer abgesprochen zu haben.
Auch bei diesem Fall stiess die Staatswanwaltschaft auf Aussagen, die Regierungsrat Thomas Weber belasten. Eine Strafuntersuchung ist nicht ausgeschlossen. Deswegen hatte die Baselbieter Staatsanwaltschaft ein Ausstandsbegehren beantragt wegen Befangenheit.
Dieses wurde nun abgelehnt, wie vor zwei Tagen bekannt wurde. Die Staatsanwaltschaft muss nun weiterhin selber entscheiden, ob sie in der ZAK-Affäre gegen «ihren» Regierungsrat Anklage erheben wird.