«Basler Zeitung» schreibt Medienmitteilung für Bürgerliche gleich selbst

Damit die Bürgerlichen sagen, was man bei der «Basler Zeitung» denkt, setzt man dort auf der Redaktion die gewünschte Medienmitteilung für Parteien schon mal selbst auf. Doch Basels Politiker spielten nicht mit.

Die «Basler Zeitung» hat eine Medienmitteilung für Basels Bürgerliche verfasst. Aber die Politik tat nicht so wie im Presse-Büro geplant.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Damit die Bürgerlichen sagen, was man bei der «Basler Zeitung» denkt, setzt man dort auf der Redaktion die gewünschte Medienmitteilung für Parteien schon mal selbst auf. Doch Basels Politiker spielten nicht mit.

In der zweiten Januarwoche hat die «Basler Zeitung» versucht, einer folgenlosen Medien-Kampagne auf die Sprünge zu helfen. Dies, indem sie eine Medienmitteilung verfasste und Basels vier grosse bürgerliche Parteien dazu bringen wollte, das Schreiben als unabhängige politische Botschaft der Bürgerlichen zu verbreiten.

Das Vorhaben, das zeigen Recherchen der TagesWoche, schlug fehl.

Von Anfang an

Als die «Basler Zeitung» am 15. Dezember vergangenen Jahres über den neu besetzten Bankrat der Basler Kantonalbank BKB berichtete («Regierung krempelt BKB-Bankrat um»), erschien ihr Name im 4000-Zeichen-Text nur ein Mal und ohne weitere Beschreibung: Priscilla Leimgruber. Leimgruber war früher Mitglied der Geschäftsleitung der Glarner Kantonalbank.

Danach blieb es fast drei Wochen lang still.

Das sollte sich im neuen Jahr ändern. Mit einer BaZ-Artikelserie gegen Priscilla Leimgruber. Eine Chronologie: «Bankrätin in Fiasko bei Glarner KB involviert» / «Der lange Schatten einer neuen Bankrätin» (3. Januar 2017), «Sie war selber Teil von Banken-Fiasko» / «Falsch beraten» (4. Januar), «Herzog stellt sich vor Bankrätin» (6. Januar) / «Sie gaukeln der Öffentlichkeit etwas vor» (9. Januar), «Unhaltbare Argumentation» / «Man kann nicht sagen, man hätte nichts gewusst» (11. Januar) und zum bisher krönenden Abschluss der Kampagne: «Unstimmigkeiten rund um eine neue Bankrätin schaden den Frauen: Der Stempel auf der Stirn» (12. Januar).

Das Medium und die Botschaft

Die Botschaft war schon nach dem ersten Artikel angekommen: Priscilla Leimgruber, neu im BKB-Bankrat, hätte man laut BaZ da nie hereinlassen sollen, weil sie in den Skandal um die Glarner Kantonalbank im Jahr 2008 verwickelt gewesen sein soll. Auch die TagesWoche hat auf den ersten BaZ-Artikel reagiert und bei Regierungsrätin Eva Herzog nachgefragt, was dran ist an den Vorwürfen. 

Um es kurz zu machen: Gegen Leimgruber liegt nichts vor. Sie wurde – das zitiert auch die BaZ im ersten Kampagnen-Artikel – «weder angeklagt noch verurteilt». Immerhin: FDP-Grossrat Stephan Mumenthaler hat im Zuge der Berichterstattung eine Interpellation* eingereicht. Mumenthaler hat die «Basler Zeitung» gut gelesen: «Wurden angesichts früherer Skandale bei der BKB und deren negativen Auswirkungen auf die Reputation der BKB Reputationsrisiken explizit mitberücksichtigt?», fragt er unter anderem, und weiter: «Befürchtet die Regierung keine Reputationsrisiken für die BKB durch die Wahl von Frau Leimgruber?»

Die Botschaft und die Politik

Das änderte aber in der zweiten Januarwoche nichts daran, dass der BaZ langsam die Munition ausging, ohne etwas an der Tatsache ändern zu können, dass ein neues Mitglied des neuen BKB-Bankrats Priscilla Leimgruber ist. Es fehlte die ganz grosse Aufregung, der politische Skandal.

Im Film «Good Night, and Good Luck» (2005) über die CBS-News-Show «See It Now» aus den 1950er-Jahren sagt Produzent Fred Friendly (George Clooney) einmal zu seinem Reporter-Team: «Jungs, wir haben keine News, also los, geht raus und macht News. Raubt eine Bank aus, eine alte Lady, egal – tut einfach was!»

Ähnliches muss sich beim Regio-Ressort der BaZ abgespielt haben. Nur: Der korrekte Friendly sagte seinen Satz im Scherz. Die BaZ hingegen machte Ernst, setzte sich an das Schreibgerät – und versuchte, selber News zu machen. Sie verfasste eine Medienmitteilung.

Medienmitteilung für Basels Bürgerliche – geschrieben von der BaZ

Die Medienmitteilung trug nicht das Logo und den Briefkopf der «Basler Zeitung» – es handelte sich um einen Text, der von den grossen bürgerlichen Parteien abgesegnet werden sollte: CVP, FDP, LDP, SVP. Sie sollten mit ihren Namen letztlich gemeinsam für den Inhalt stehen, die BaZ als erstes Medium gross darüber berichten, das war der Plan. Inhalt: Kritik, grundlegende Zweifel an der Personalie Leimgruber und am Auswahlverfahren und an der Rolle Eva Herzogs. Abgesegnet von allen Partei-Oberen von Basels Bürgerlichen.

Die BaZ hausierte mit ihrem Schreiben. «Richtig, es gab eine vorformulierte Medienmitteilung der ‹Basler Zeitung›. Das Thema: Die Personalie Frau Leimgruber», bestätigt Luca Urgese, Präsident der Basler FDP. «Den Entwurf habe ich gesehen, er wurde an mich herangetragen», so Urgese weiter.

Basels Bürgerliche formulieren selber

Was dann geschah, war kaum im Sinne der Verfasser. Der Basler FDP-Präsident: «Das wurde unter den Parteien kurz diskutiert, und wir waren uns einig: Das kommt sicher nicht in Frage.»

Auch Patricia von Falkenstein bestätigt die Existenz der Medienmitteilung: «Wir haben diese dann kurz gesehen», sagt die LDP-Präsidentin. Sie fügt an: «Wir waren doch ein wenig erstaunt, so direkt aufgefordert zu werden», und: «Wenn wir ein Thema wichtig finden, besprechen wir erst intern, dann eventuell mit anderen Parteien, ob und wann wir eine Mitteilung machen. Falls wir dann zum Schluss kommen, dass es eine solche geben soll, formulieren wir sie immer noch selber.» Die LDP werde «immer selbstständig agieren und sich nicht von irgendwelchen Medien beeinflussen lassen», sagt Patricia von Falkenstein.

Auf die Thematik angesprochen, sagt auch Lorenz Nägelin, Fraktionspräsident der SVP Basel-Stadt, er habe Kenntnis von dem «vorbereiteten Schreiben». Klar, es könne durchaus vorkommen, dass ein Medien-Thema aufgegriffen werde – auch von allen bürgerlichen Parteien gemeinsam –, aber doch nicht so. «Wenn es ein Thema gewesen wäre, hätten wir eine Medienmitteilung dazu gemacht. Aber die schreiben wir selber.»

«Wenn wir etwas machen – entweder zusammen oder einzeln, oder auch nicht –, dann sicher unabhängig und nicht, indem irgendjemand diese Texte für uns schreibt», sagt auch FDP-Präsident Luca Urgese. Nur die CVP wollte sich trotz mehrerer übereinstimmender Informationen nicht mehr an eine entsprechende Meldung erinnern. Parteipräsidentin Andrea Strahm bekräftigt auf wiederholte Anfrage: Sie habe nie eine von irgendwem vorformulierte Medienmitteilung zum Thema gesehen – «noch haben wir Bürgerlichen eine solche erwogen».

Das sagt die BaZ

Die TagesWoche hat am Mittwoch den federführenden BaZ-Journalisten und den verantwortlichen Ressortleiter mit der Recherche konfrontiert. Die BaZ antwortete nicht auf die Anfrage. 

«Wir sind Anwälte der Wahrheit und keiner Partei», schrieb Markus Somm diese Woche in seiner Zeitung zum Jubiläum: Die BaZ feierte ihr 40-jähriges Bestehen. Der Kommentar des Chefredaktors, seit über sechs Jahren verantwortlich für Inhalt und Ausrichtung des Blatts, heisst «Unser liebster Staatsfeind». Darin schrieb er unter dem Zwischentitel «Die Mission der Basler Zeitung»:

«Warum brauchen Basel-Stadt und Baselland die Basler Zeitung wie der Fisch das Wasser und der Körper das Blut? Regierungen müssen kontrolliert werden – ganz gleich, ob sie bürgerlich oder links handeln, weil eine Regierung durch Wahlen nur ungenügend diszipliniert wird, solange der Bürger nicht ahnt, was diese Politiker ihm alles verschweigen.»

Wie der – missglückte – BaZ-Plot mit der Medienmitteilung für Basels Bürgerliche zeigt, gilt eher: Solange das, was die Politiker verschweigen, nur das ist, was die BaZ ihnen im Geheimen gerne in den Mund legen würde, kann man sich diese Form der Kontrolle in einer Demokratie auch sparen.

Redaktor entlassen

Mittlerweile hat die BaZ übrigens reagiert: Wenige Stunden nach der Publikation dieses Artikels hat sie den verantwortlichen Redaktor entlassen und das Fehlverhalten in einer Medienmitteilung eingeräumt.

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*Mumenthalers Interpellation und die mittlerweile erfolgte Antwort der Regierung finden Sie hier.

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