«So nicht, lieber Bundesrat!», schrieb der Basler Gewerbeverband nach Bekanntgabe der überarbeiteten Fassung der USR III, genannt Steuervorlage 17, auf Facebook. Die Botschaft liess sich der Verband etwas kosten: Er sponserte den Post, um die Aussage bei mehr Facebook-Usern sichtbar zu machen als üblich. Der Verband fügte an: «Das Gewerbe kann diesem Deal zwischen den Grossunternehmen und der Linken nicht zustimmen.»
Diese Formulierung hat man nicht in Basel erfunden – sie stammt vom Präsidenten des Schweizerischen Gewerbeverbands, Hans-Ulrich Bigler. Er hat diese Worte per Medienmitteilung verbreitet. Gleich nach Bekanntgabe der Vernehmlassungsvorlage war klar: Die neue USR III sorgt schon wieder für rote Köpfe. Bigler fabulierte von einem «Deal zwischen den Grosskonzernen und der Linken». Diese Worte Biglers plapperten die Basler Gewerbler nach wie ein Papagei.
Steilpass für Kaspar Sutter
«So nicht, lieber Basler Gewerbeverband», muss sich der Basler SP-Grossrat und KMU-Inhaber Kaspar Sutter gedacht haben, als er den Post des Basler Gewerbeverbands gesehen hat. Jedenfalls nahm er die Flanke von rechts dankbar an und holte zum Gegenangriff aus, indem er in die Tasten griff und auf Facebook an die Adresse des Verbands schrieb:
«Der Gewerbeverband Basel-Stadt ist ein schlechter Abstimmungs-Verlierer und gefährdet mit seiner Fundamentalopposition die Steuervorlage 17 und damit den Wirtschaftsstandort Basel. Was schlussendlich auch ganz direkt seinen Mitgliedern schadet. Ein bisschen mehr baslerische Emanzipation vom nationalen Gewerbeverband wäre höchst wünschenswert.»
Deutliche Worte. Wie reagiert der Basler Gewerbeverband auf den Vorwurf, er gefährde mit seiner Position den Wirtschaftsstandort Basel und schade «ganz direkt seinen Mitgliedern»?
«Es geht nicht um Totalopposition»
«Das ist doch arg dramatisierend», sagt David Weber, Leiter Kommunikation des Gewerbeverbands Basel-Stadt dazu: «Es geht nicht um Totalopposition.» Es gehe nun darum zu schauen, was in der Vernehmlassung und anschliessend in der parlamentarischen Debatte herauskomme. Allerdings sei es «unsere Aufgabe als KMU-Verband, uns gegen einseitige Belastungen der kleinen und mittleren Unternehmen zu wehren».
Der Gewerbeverband Basel-Stadt sei sich «der Wichtigkeit und der Notwendigkeit dieser Steuervorlage bewusst», so Weber, doch die «angespannte Situation, in der sich viele Unternehmen in unserer Grenzregion aufgrund der Währungssituation befinden», die sei ebenfalls bekannt – da sei eine «zusätzliche finanzielle Mehrbelastung» kaum sinnvoll.
Weber fragt: «Warum sollen die KMU für eine Steuersenkung, welche in erster Linie mittelgrossen und grossen Unternehmen zugute kommt, mit einer erst noch völlig sachfremden Massnahme weit überproportional belastet werden?» Mit der «sachfremden Massnahme» meint er die in der Steuerreform 17 vorgesehene Erhöhung der Familienzulagen um 30 Franken, eine Massnahme, die fast die Hälfte der Kantone längst eingeführt hat.
Doch der Gewerbeverband-Sprecher findet: «Zusätzliche 30 Franken pro Kind und Monat machen je nach Branche sowie Lohn- und Teilzeitstruktur schnell mal einige tausend Franken pro Betrieb und Jahr aus.» Die jährliche Mehrbelastung könne «auch fünfstellig werden», wenn «die Zulagen, wie von Regierungsrätin Eva Herzog in der kantonalen Umsetzungsvorlage zur USR III beabsichtigt, sogar um 100 Franken erhöht» würden, so Weber.
«Familienfeindliche Position befremdet mich»
«Die Hälfte der Basler Wertschöpfung stammt heute von privilegiert besteuerten Firmen. Diese Privilegien müssen abgeschafft werden», kontert Kaspar Sutter. Und weiter: «Der Gewerbeverband war bei der Abstimmung zur USR III der grosse Verlierer, 59 Prozent waren dagegen. Gewinnerin war die Linke. Jeder Demokrat weiss, dass sich die neue Reform in Richtung der Ideen der SP bewegen muss.» Im Gegensatz zum Gewerbeverband geht die Vorlage des Bundesrats für ihn «noch lange nicht weit genug».
Eigentlich müsste der Gewerbeverband die neue Reform unterstützen, findet Sutter: «Die Privilegien werden abgeschafft und dafür die Gewinn- und Kapitalsteuern gesenkt. Dies führt zu grossen steuerlichen Entlastungen bei den binnenorientierten Unternehmen.» Stattdessen, so Sutter, «folgt der Gewerbeverband bedingungslos der Parole des nationalen Gewerbeverbands».
Sutter rechnet für Basel-Stadt vor: «Der baselstädtische Vorschlag hat diese Steuersenkungen mit jährlich 200 Millionen Franken beziffert. In Basel-Stadt will man die Hälfte dieser Steuerentlastung gegenfinanzieren. Dies, indem man den Dividendenrabatt von 50 auf 20 Prozent verringert. Und indem die Kinder- und Ausbildungszulagen erhöht werden.»
Kein Verständnis hat Sutter dafür, dass sich der Gewerbeverband «mit Händen und Füssen» gegen höhere Kinderzulagen wehrt: «Diese familienfeindliche Position befremdet mich.»
Harte Fronten
Der Gewerbeverband Basel-Stadt bleibt hart. Zu den Familienzulagen sagt Sprecher David Weber: «Auch wenn ein Unternehmen nicht oder kaum von den steuerpolitischen Massnahmen betroffen ist, schlägt die Erhöhung der Familienzulagen voll durch.» Das sei eine «signifikante finanzielle Mehrbelastung» für kleine und mittlere Basler Firmen. Es treffe «alle KMU», so Weber, «die mehrheitlich ertragsschwächeren Kleinst- und die Kleinunternehmen durch die Erhöhung der Familienzulagen; die mehrheitlich ertragsstärkeren mittelgrossen Betriebe durch die Erhöhung der Dividendenbesteuerung».
Sutter rechnet hingegen vor, den Firmen bliebe immer noch «eine finanzielle Entlastung von jährlich 100 Millionen Franken» – und dies, anders als «das aggressive Wording» des Gewerbeverbands vermuten liesse, kaum für Grosskonzerne. Der SP-Grossrat und Unternehmer: «Internationale Firmen profitieren von den Senkungen nicht, sie bezahlen gleich viel wie heute, zum Teil sogar mehr.»
Von der steuerlichen Mehrbelastung bei den Dividenden seien, betont Sutter, ausserdem nur diejenigen Firmen betroffen, die gleichzeitig durch die Gewinnsteuersenkung profitieren.
Der Basler Schlagabtausch um die Steuerreform 17 zeigt, was erste Voten auf nationaler Ebene erahnen liessen: Die Positionen sind festgefahren. Bleiben die Verlierer der USR-III-Abstimmung unnachgiebig, droht auch der Steuerreform 17 Ungemach.