Der Rücktritt von Conti erhöht den Druck auf andere Kantone

Schärfere Gesetze, genauere Kontrollen: Die Honorar-Affären in den beiden Basel haben auch in anderen Kantonen Konsequenzen. Ein Überblick.

Nun werden die Bezüge der Regierungsräte und Chefbeamten auch in anderen Kantonen ganz genau untersucht. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Schärfere Gesetze, genauere Kontrollen: Die Honorar-Affären in den beiden Basel haben auch in anderen Kantonen Konsequenzen. Ein Überblick.

Typisch Baselbiet! Bei uns würde so etwas nie vorkommen!

So lauteten im alten Jahr die ersten Reaktionen auf die Honoraraffäre auf dem Land.

Dann kam der Dienstag, 7. Januar, an dem der Basler Gesundheitsdirektor Carlo Conti (CVP) seinen Rücktritt erklären musste. Der Grund sind 110 000 Franken, die er seit 2000 nicht ordnungsgemäss abrechnete. Seit dieser Beichte befindet sich auch die Basler Politik im Schockzustand. Und spätestens seitdem drängt sich die Frage auf, ob gierige Staatsvertreter, unklare Regelungen und fehlende Kontrollen tatsächlich nur ein Baselbieter Phänomen sind (und allenfalls noch ein Basler).

Die Antwort ist eindeutig und sie lautet: nein. Das zeigt eine Umfrage der TagesWoche bei Finanzkontrollen in der Deutschschweiz.

Die drei Kategorien

Eine Stellungnahme haben wir bis jetzt von 13 kantonalen Finanzkontrollen erhalten (direkt zur Übersicht). Sie zeigen, dass sich die Kantone in drei Kategorien einteilen lassen:

  • Jene, die nun handeln.
  • Jene, die ihre Bestimmungen bereits seit einigen Monaten am Überarbeiten und ihre Kontrollen am Verbessern sind.
  • Und jene, die bereits seit Jahren eine klare Regelung haben und periodische Kontrollen durchführen.

Zürich hat keine Ahnung

Zur ersten Kategorie gehören Baselland und Basel-Stadt. Auf dem Land haben die fünf Regierungsräte nach der Honoraraffäre angekündigt, dass sie künftig alle Entschädigungen abliefern werden. Die gleiche Regelung soll auch in der Stadt eingeführt werden. Das zumindest verlangt die SVP – und die Aussicht auf einen Erfolg könnte kaum besser sein als nach der Aufregung um Conti. Unabhängig davon untersucht die Basler Finanzkontrolle nun auch die Nebeneinkünfte der anderen sechs Regierungsräte.

An die gleiche Arbeit werden sich auch die Kontrollorgane von Obwalden und Appenzell-Ausserrhoden machen – und jene von Zürich. Dort hat der Chef der Finanzkontrolle nicht einmal gewusst, dass der Umgang mit den Nebeneinküften der Regierungsräte und Chefbeamten gesetzlich geregelt ist. Jetzt sagt der Chefbeamte Martin Billeter: «Wir werden die Situation neu abklären und wenn nötig eine Prüfung veranlassen.»

Gefahr der Befangenheit

Zur zweiten Kategorie gehören Luzern und Solothurn, wo es bereits im vergangenen Jahr Diskussionen um Honorare gab. In Solothurn um die 100’000 Franken Sitzungs- und Spesengelder, die der abgetretene Finanzdirektor Christian Wanner (FDP) alleine im 2012 für sein Verwaltungsratsmandat bei der Alpiq AG einstrich. In Luzern um die 350 000 Franken, die Verena Briner, Chefärztin im Kantonsspital Luzern und Professorin für Innere Medizin in Basel, nebenbei für ihr Mandat im Novartis-Verwaltungsrat erhält. Von Masslosigkeit war in beiden Fällen die Rede – und von einer möglichen Befangenheit. Mit solchen Zahlungen könnten sich Unternehmen Politiker gefügig machen, mahnte in Luzern die SVP.

Diese Gefahr soll nun in beiden Kantonen gebannt werden: In Solothurn sollen die Regierungsräte künftig alle Nebeneinkünfte abliefern, in Luzern alle ab einem bestimmten Limit.

Als Vorbild für Luzern gilt Basel, wo Regierungsräte und Chefbeamte 20 000 Franken behalten dürfen. Bis jetzt zumindest. Gut möglich, dass die Limite auch hier bald bei Null liegen wird. Spätestens zu diesem Zeitpunkt müsste wohl auch der Luzerner Regierungsrat nochmals über die Bücher, wenn das Vorbild weiterhin Basel heissen soll.

Alles unter Kontrolle?

Die Kantone der dritten Kategorie haben diese Probleme nicht mehr, weil sie seit Längerem schon eine klare Regelung haben und regelmässig Kontrollen durchführen. Das sei eigentlich gar nicht so eine grosse Sache, heisst es dazu im Aargau.

Und auch im Kanton Zug ist man überzeugt von der bisherigen Praxis. «Ein Fall wie in Baselland ist bei uns nicht denkbar» sagt Walter Hunziker, der Leiter der Finanzkontrolle. Er spricht von klaren Regelungen und periodischen Überprüfungen. Ganz ähnlich klang es vor wenigen Wochen auch noch in Basel-Stadt.

Diese Kantone wollen handeln:

Baselland: Nachdem die Finanzkontrolle die Honoraraffäre aufgedeckt hatte, kündigten die fünf Regierungsräte an, künftig neben den Honoraren auch die Sitzungsgelder für ihre Tätigkeiten in den Verwaltungsräten der staatsnahen Betriebe dem Kanton abzuliefern. Ein entsprechender Passus soll nun ins Gesetz aufgenommen werden.

Basel-Stadt: In Basel-Stadt fordert die SVP, dass die Regierungsräte und Spitzenbeamten in der Stadt künftig gleich wie jene auf dem Land ganz auf die Nebeneinkünfte verzichten. Bis jetzt durften sie gemäss Gesetz 20 000 Franken an Honoraren und Sitzungsgeldern für sich behalten.

Zürich: Im Kanton Zürich sind die Honorare der Regierungsräte offenbar ein blinder Fleck. Der Leiter der Finanzkontrolle kann auf Anfrage der TagesWoche zuerst nicht sagen, ob dazu eine Verordnung oder ein Gesetz besteht. Tatsächlich regelt ein Beschluss des Kantonsrats die Honorarfrage: Entschädigungen welche die Regierungsräte in ihrer Funktion als Verwaltungsräte erzielen, gehen in die Staatskasse. «Wir wissen nicht mit Sicherheit, wie die Situation bei uns aussieht», sagt der Leiter der Finanzkontrolle Martin Billeter. Er wolle nun die Lage beurteilen und wenn nötig eine Prüfung durchführen.

Obwalden: Die Obwaldner verfolgten die Baselbieter Honorar-Affäre aufmerksam. Ende Dezember hat ein einzelner Regierungsrat angeregt, eine detaillierte Überprüfung vorzunehmen. Diese will die Finanzkontrolle in den kommenden Monaten durchführen. «Wir können einen ähnlichen Fall wie in Baselland nicht ausschliessen», sagt Peter Berchtold, der Leiter der Finanzkontrolle.

Appenzell Ausserrhoden: Im Geschäftsbericht 2013 will die Regierung erstmals sämtliche Entschädigungen aus Mandaten öffentlich machen, wie sie Ende Dezember beschlossen hat. Zudem ist seit dem 1. Januar 2014 die Entschädigungsregelung für Regierungsräte im Gesetz verankert. Spesen und Sitzungsgelder können im Halbkanton behalten werden, Pauschalentschädigungen müssen die Regierungsmitglieder an den Kanton abgeben.

Diese Kantone sind bereits am Handeln:

Luzern: In der Innerschweiz sind die Honorare seit anfangs 2013 ein Thema. Damals wurde Verena Briner, Chefärztin im Kantonsspital Luzern und Professorin für Innere Medizin in Basel, in den Novartis-Verwaltungsrat gewählt. Das bringt ihr ein zusätzliches Honorar von 350 000 Franken pro Jahr ein. Auf Kritik reagierte Briner mit dem Versprechen, einen Teil des Honorars bis zu ihrer Pensionierung in drei Jahren dem Kanton abzuliefern. Gesetzlich wäre sie dazu nicht verpflichtet gewesen. Das Luzerner Personalgesetz ist vage und lässt entsprechend Vieles zu. Das soll sich nun aber ändern. Nach entsprechenden Vorstössen im Parlament kündigte die Regierung für 2015 eine Gesetzesrevision an. Neu sollen die Regierungsräte und Chefbeamten verpflichtet werden, einen Teil der Nebeneinkünfte abzugeben.

Solothurn: Der Kantonsrat wird in den nächsten Monaten ein neues Gesetz beschliessen. Künftig sollen Staatsvertreter nebst Honoraren auch alle Sitzungsgelder an den Kanton abliefern. Das Finanzdepartement hat dem Regierungsrat diese Woche die Gesetzesänderung unterbreitet. Im vergangenen Sommer wurde bekannt, dass der ehemalige Finanzdirektor Christian Wanner für sein Verwaltungsratsmandat bei der Alpiq AG über 100 000 Franken Sitzungsgelder und Spesen bezogen hatte.

Bern:
Folgen könnte die Debatte um die Bezüge von Christian Wanner auch im Nachbarkanton Bern haben. Dort fordert BDP-Grossrat Peter Studer, dass Regierungsräte und Chefbeamte nicht länger von ihren Mandaten «profitieren». Will heissen: dass sie künftig auch auf die Sitzungsgelder verzichten (wie bis anhin schon auf die Honorare). Die Einhaltung der bisherigen Bestimmungen ist von der Finanzkontrolle nach eigener Angabe zwar regelmässig kontrolliert worden. Ihre Berichte sind aber nur für die betroffenen Verwaltungseinheiten und allenfalls die parlamentarischen Kommissionen einsehbar, nicht aber für die Öffentlichkeit. Insofern hätte Bern auch in Sachen Transparenz noch etwas Verbesserungspotenzial.

Diese Kantone vertrauen ihrem Kontrollsystem:

Aargau: Der Aargau hat seit 2000 ein ähnliches Gesetz wie Baselland bisher. Demnach dürfen die Regierungsräte und Chefbeamten die Sitzungsgelder behalten, die Honorare müssen sie abliefern. Anders als im Baselbiet hat die Finanzkontrolle im Aargau aber schon früher alle zwei bis drei Jahre kontrolliert, ob diese Bestimmung von den Regierungsräten und Chefbeamten auch eingehalten wird. Und anders als schliesslich auch im Baselbiet war das Ergebnis der Stichproben jeweils negativ.

St. Gallen: Die St. Galler Regierungsräte dürfen 10 Prozent ihrer Nebeneinkünfte behalten. Jeweils Ende Jahr müssen sie darüber eine Abrechnung machen. Die Finanzkontrolle führt periodisch Kontrollen durch.

Schaffhausen: Der Kanton Schaffhausen setzt erstens auf eine klare Regelung, wie es auf der Staatskanzlei heisst: Die Sitzungsgelder und Honorare müssen vollumfänglich der Staatskasse abgeliefert werden. Und zweitens wird in Schaffhausen auf Transparenz gesetzt. In der Staatsrechnung werden die entsprechenden Einnahmen ausgewiesen.

Schwyz: Hier sieht man keinen Grund, um aktiv zu werden, da es nur «wenige Schnittstellen» zwischen der Wirtschaft und dem Kanton gebe, wie es bei der Finanzkontrolle heisst.

Zug:: Im Kanton Zug nimmt man die Vorfälle in der Nordwestschweiz gelassen zur Kenntnis. Die Finanzkontrolle vertraut auf das bisherige Kontrollsystem. Die Honorarbezüge der Regierungsräte würden periodisch überprüft. Über Sitzungsgelder hinaus müssen sämtliche Bezüge an den Kanton abgegeben werden.

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