Fehler sind menschlich. Insofern geht es im Baselbiet wohl menschlicher zu und her als anderswo, ist es doch schon fast die Regel, dass die Regierung kreativ mit Gesetzen umgeht oder Gelder speziell verrechnet. Wir haben die grössten Patzer gesammelt und mehr oder weniger chronologisch aufgelistet.
Es gibt Fettnäpfchen, in die man treten kann. Und das passiert der Baselbieter Regierung gelegentlich. Spontan kommen einem da zum Beispiel Kommunikations-Fauxpas bei Sparübungen in der Bildung, beim Personal und/oder beim U-Abo in den Sinn. Fettnäpfchen, aber eben nur das.
Und dann gibt es noch Löcher, bei denen man sich wirklich fragt, wie man da reinfallen kann. Liegt es an fehlendem Fachwissen, an Führung, an demokratischem Willen? Eine kleine Auswahl.
Die Regierung weiss nicht, wie man Strassen richtig abschreibt
Die Geschichte begann mit einem wütenden Finanzdirektor Anton Lauber. Er war wütend auf Verkehrsdirektorin Sabine Pegoraro und zeigte das ganz öffentlich in einer Medienmitteilung. Endlich, endlich wollte er wieder einmal eine schwarze Jahresrechnung präsentieren, doch Pegoraro schien ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Das war Mitte Mai. Jetzt kam heraus: Auch der Finanzdirektor scheint die Lage nicht ganz im Griff zu haben.
Es geht um die Abschreibung zweier Nationalstrassen. Die Verkehrsdirektion gab am 10. Mai kund, die Finanzdirektion müsse mit Abschreibungen in der Höhe von 100 Millionen Franken rechnen, ein Drittel davon belaste das laufende Budget 2017. Der Grund: Das Baselbiet übergibt im Januar 2020 zwei Nationalstrassen – die A 22 (Pratteln-Sissach) und die A 18 (Schänzli-Liesberg) – dem Bund. Dieser übernimmt den Betrieb der Strassen, zahlt dafür aber nichts an den Kanton. Dadurch gehen dem Baselbiet 100 Millionen Franken verloren, die er bis 2019 abschreiben muss.
Lauber zeigte sich ziemlich erstaunt über den plötzlich auftauchenden Kostenfaktor im Budget, und auch die Baselbieter Politik fragte sich: Wie konnte es passieren, dass Pegoraro diese Kosten erst jetzt anbringt? Der Kanton weiss schon seit Jahren davon. Landrat Klaus Kirchmayr (Grüne) kritisierte gegenüber dem SRF-Regionaljournal: «Bei der Bau- und Umweltschutzdirektion hat man das offenbar einfach vergessen.» Und Finanzdirektor Lauber richtete deutliche Worte an Kollegin Pegoraro und beauftragte ihre Direktion, das «so schnell wie möglich zu klären».
So viel zur Budgetplanung und der internen Kommunikation in der Regierung. Doch es kommt noch besser, mittlerweile ist nämlich klar: Alles nicht so schlimm. Es gibt zwei einfache Lösungen, um die laufende Rechnung zu schonen, wie die «bz Basel« schreibt. Eine davon schlägt der Bund selber vor: Der Kanton kann die 100 Millionen Franken als Investitionsbeitrag an den Bund abrechnen, so kriegt er 20 bis 30 Jahre Zeit, den Betrag abzuschreiben. Und wieder stellt sich die Frage: Wie kann es sein, dass die Behörden von dieser Möglichkeit nichts wussten?
Die Regierung weiss nicht, wie man einen Jagdstreit korrekt entscheidet
Was als Dorfposse in Nusshof begann, endete – vorläufig – mit einer gerichtlichen Rüge des Regierungsrats. Die Präsidentin des Kantonsgerichts, Franziska Preiswerk, sprach von einem «gravierenden Verfahrensfehler», berichtete das SRF-Regionaljournal.
Es geht um die Jagdpacht im Oberbaselbieter Dorf Nusshof. Vor eineinhalb Jahren beschloss der Gemeinderat, die Jagdpacht der «neuen Jagdgesellschaft Nusshof» zu geben. Darüber regte sich die «Jagdgesellschaft Nusshof» auf, sie hat in den letzten 48 Jahren auf dem Gemeindegebiet jagen dürfen. Sie reichte Beschwerde bei der Regierung ein und erhielt Recht. Die Begründung: In der alten Jagdgesellschaft habe es mehr Mitglieder mit einem Schweizer Pass (drei), während in der neuen Gesellschaft eines der drei Mitglieder Österreicher sei.
Das wiederum passte dem Dorf nicht, es zog den Fall weiter ans Kantonsgericht. Dieses hiess die Beschwerde gut. Nicht wegen des Streitpunktes per se, sondern wegen gravierender Verfahrensfehler, wie das Gericht begründete. Die Regierung habe die neue Jagdgesellschaft nie angehört, ihr also das rechtliche Gehör verweigert. Der Regierungsrat muss nun neu entscheiden.
Die Regierung weiss nicht, wie man Gesetze bundesrechtskonform umsetzt (1)
Die Psychiatrie Baselland hatte alles richtig gemacht, als sie vor zwei Jahren ein Baugesuch für einen Neubau für psychisch kranke Kinder und Jugendliche in Liestal stellte. Die Geschäftsleitung der Psychiatrie war deshalb ziemlich erstaunt, als das Kantonsgericht die Baupläne auf Beschwerde von Anwohnern im März dennoch stoppte. Dies mit der Begründung, der Abstand des geplanten Baus zum Rösernbach sei zu klein. Es sollte sich herausstellen, dass die Regierung einiges falsch gemacht hatte. Und zwar bei der Anpassung des kantonalen Raumplanungs- und Baugesetzes an Bundesrecht. So entsprach das Baugesuch zwar kantonalem Recht, das aber widersprach Bundesrecht.
Der Hintergrund: Bis 2018 muss der Kanton so genannte Gewässerschutzräume festlegen. Das tat die Regierung auch, aber nicht bundesrechtskonform, wie die Kantonsrichter und die Gerichtspräsidentin in der Verhandlung befanden. Das Gesetz missachte das Mitwirkungsrecht Betroffener (wie etwa der Grundeigentümer) und sei daher nicht anwendbar. Das bedeutet: Neue Gebäude müssen acht Meter Abstand vom Bach haben. Diesen Abstand hält der Neubau gemäss den Plänen nicht ein. Jetzt liegt das Projekt wieder beim Baselbieter Bauinspektorat, das die Pläne vielleicht mit einer Ausnahmeregelung retten kann. Vielleicht.
Die Regierung weiss nicht, wie man Gesetze bundesrechtskonform umsetzt (2)
Es ist nicht das erste Mal, dass die Regierung Bundesrecht ignoriert – und andere darunter leiden. Der Fall Kinderpsychiatrie erinnert an den Baustopp von Windkraftwerken im Jahr 2014. Die Elektra Baselland wollte damals Windräder in Zwingen aufstellen, ausserhalb der Bauzone. Doch das Kantonsgericht stoppte das Begehren und stellte fest: Die Regierung hatte jahrelang widerrechtlich Bewilligungen für Begehren ausserhalb der Bauzone ausgestellt. Widerrechtlich, weil das Bundesrecht nebst Baubewilligung auch eine Konzession und eine Koordination des Verfahrens verlangt. Im Baselbiet hatten verschiedene Instanzen Beschwerden und Rekurse behandelt.
Ausserdem hatte der Regierungsrat es zehn Jahre lang unterlassen, eine Verordnung für das Wasserbaugesetz für Bauten an Flüssen – wie zum Beispiele für Wasserkraftwerke – zu erlassen. Eine solche Verordnung regelt, wie das Verfahren abläuft. Baudirektorin Sabine Pegoraro allerdings war sich keiner Fehler bewusst, wie sie gegenüber dem SRF-Regionaljournal erklärte. Sie sagte, das Kantonsgesetz sei Sache der Legislative, also des Landrats, eine Verordnung hätte die Situation nicht vollständig geregelt.
Die Regierung berechnete den Eigenmietwert falsch
Das Bundesgericht entschied Anfangs 2017: Die Baselbieter Regierung berechnet den Eigenmietwert falsch, weil sie Hauseigentümern, die in ihrer Immobilie wohnen, zu hohe Abzüge gewährt. Das Bundesrecht schreibt vor, dass die Eigenmietwerte nicht unter 60 Prozent des Marktwertes fallen dürfen. Das war aber in Baselland der Fall. Seit 2016 ist ein Gesetz in Kraft, das dafür sorgt, dass der Durchschnitt der Eigenmietwerte bei 60 Prozent liegt.
Bei einem Durchschnitt liegen aber eben nicht alle Werte über 60 Prozent. «Ein Durchschnitt ist kein Minimum», hatte der Mieterverband deswegen moniert und den Kanton vor Bundesgericht verklagt – und Recht bekommen.
Und nochmals Hüslibsitzer: Die Regierung erliess Bausparern Steuern
Sieben Jahre lang mussten Bausparer im Kanton Baselland keine Steuern zahlen, obwohl das Bundesrecht ebendies verlangte. Das kam so: Seit 1991 durften Baselbieter Geld von den Steuern abziehen, das sie für Wohneigentum auf die Seite legten. Das war bis zum Jahr 2000 in Ordnung. Dann aber trat das Gesetz zur Harmonisierung der Steuern in Kraft. Es schreibt vor, welche Abzüge die Kantone den Steuerpflichtigen gewähren können. Das Bausparen gehört nicht dazu.
Die Baselbieter Regierung wusste das natürlich, schob eine Anpassung ans Bundesrecht aber immer wieder hinaus. Die Begründung: Es gab mehrere Vorstösse auf nationaler Ebene, die das Baselbieter Sparmodell national einführen wollten, unter anderem von Bausparkönig Hans Rudolf Gysin. Als dann aber die Schweizer Stimmbevölkerung im Jahr 2012 eine Bausparinitiative des Hauseigentümerverbands ablehnte, sah sich die Regierung endgültig gezwungen, ihre Praxis dem Bundesrecht anzupassen.
Bisher musste jedoch noch kein Baselbieter Bausparer Steuern dafür zahlen, bis Ende 2017 kommen die Bewohner des Baselbiets noch in den Genuss einer Übergangsfrist.