Die SRF-Angestellten sind von ihren Chefs enttäuscht

Nach dem hauchdünnen Ja zur RTVG-Vorlage üben Angestellte des Schweizer Radios und Fernsehens Kritik an der SRG-Führungsspitze. Sie hätten sich mehr Engagement und deutlichere Worte von ihren Chefs gewünscht.

Einige SRF-Angestellte hätten das TV-Gerät gerne abgestellt, als SRG-Generaldirektor Roger de Weck bei «Schawinski» auftrat.

(Bild: JEAN-CHRISTOPHE BOTT)

Nach dem hauchdünnen Ja zur RTVG-Vorlage üben Angestellte des Schweizer Radios und Fernsehens Kritik an der SRG-Führungsspitze. Manche hätten sich mehr Engagement und deutlichere Worte von ihren Chefs gewünscht.

Nachdem das Stimmvolk das neue Gebührenmodell mit einer hauchdünnen Mehrheit angenommen hat, herrscht beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) eine Mischung aus Courant normal und Resignation.

Courant normal, weil die Abstimmung keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Arbeit der Fernseh- und Radiomacher haben wird; die eigentliche Service-Public-Debatte um Auftrag und Inhalte von SRF beginnt erst.

Resignation, weil aus der technischen RTVG-Vorlage, welche die Billag-Abgabe durch eine Art Mediensteuer ersetzt, eine emotionale Debatte darüber entstand, ob das Schweizer Fernsehen ein schlanker Informationssender oder eine Unterhaltungsmaschine sein soll.

Plötzlich nicht mehr Berichtende, sondern Objekt der Berichte

Eine Person wurde dabei zur Reizfigur bei SRF: Hans-Ulrich Bigler, der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands. Bigler verbreitete auf allen Kanälen Angst vor steigenden Gebühren und drosch verbal auf das Schweizer Radio und Fernsehen ein. Ohnmächtig sah die SRF-Belegschaft zu, wie Bigler mit seiner Kampagne Terrain gewann, bis sich in den Abstimmungsprognosen eine Niederlage des RTVG abzeichnete. Für einmal waren die SRF-Journalisten nicht die Berichtenden, sondern Objekt der Berichterstattung.

Im Gespräch betonen sie, wie penibel sie sich an die Regel gehalten hätten, neutral und distanziert über den Abstimmungskampf zu berichten. Auch SRF-Sprecherin Andrea Wenger betont, dass intern thematisiert worden sei, diese Vorlage wie jede andere zu behandeln. «Im Gesamtangebot hatten Pro- und Contra-Seite ausgewogen zu Wort zu kommen.»

Und die Angestellten erhielten auch prompt Lob vom SRF-Direktor Ruedi Matter an der Mitarbeiterinfo im grossen Studio 2 in Leutschenbach am Montagmorgen nach der Abstimmung. Matter lobte die Belegschaft dafür, wie zurückhaltend sie sich im Abstimmungskampf verhalten habe. Abends sass er dann im «10 vor 10» bei Stephan Klapproth und verkündete grinsend, dass SRF einen guten Job mache und er sich auf die Debatte über den Service Public freue.

 

Nicht alle SRF-Redaktoren hatten an dem Auftritt Freude. «Selbstzufrieden» und «arrogant» sind Beschreibungen, die in Gesprächen mit SRF-Mitarbeitern nicht nur einmal fallen. «Angesichts davon, dass das RTVG nur durch Zufall befürwortet wurde, hätte ein bisschen Demut vermutlich nicht geschadet», sagt ein Redaktor*.

Lieber ein de Weck als ein Polteri

Aber als Abstimmungskämpfer, so der Tenor in der SRG-Belegschaft, hatten die SRG-Kaderleute bereits vor diesem Auftritt keine grossartige Falle gemacht. «Man sah, wie die Umfragen immer schlechter werden und fragte sich schon: ‹Jungs, nehmt ihr das ernst?›», sagt ein Redaktor. Die SRG habe sich im Abstimmungskampf «defensiv» verhalten, findet ein zweiter. «Wir fühlen uns von allen Seiten im Stich gelassen», sagt ein anderer. Roger de Weck, der intellektuelle SRG-Generaldirektor, warf sich zwar mit zahlreichen Interviews für die Vorlage ins Feuer. Doch nach seinen Auftritten zweifelten nicht wenige, ob de Weck der richtige Mann war, um dem reisserischen Gewerbechef Hans-Ulrich Bigler entgegenzutreten.

Für Zweifel sorgte insbesondere sein Auftritt in der in der hauseigenen Sendung «Schawinski». «Ich rollte die Augen», meint ein leitender Redaktor, der gerade Dienst hatte und sich de Wecks Auftritt anschaute. «Ich habe ja selbst auch studiert, aber deswegen muss ich mich nicht so gespreizt ausdrücken.» Zwar seien de Wecks Argumente richtig. «Aber er sagt es auf eine derart abgehobene Art, dass es jeden SVP-Büezer juckt, ihm ans Bein zu treten.»

«Wir fühlen uns von allen Seiten im Stich gelassen», sagt ein SRF-Redaktor.

Bei SRF ist Roger de Weck nicht unpopulär. «Langfristig habe ich lieber einen de Weck als einen Polteri als Generaldirektor», meint eine Redaktorin. Ein anderer Kollege sagt aber: «Für solche Sachen braucht das SRF einfach einen guten Kommunikator. Jemand, der Aussagen einfach auf den Punkt bringt und wiederholt, so wie Bigler.» Immerhin, ist in den Gesprächen zu hören, habe es de Weck versucht.

Enttäuscht ist die SRF-Belegschaft über das Ja-Komitee der RTVG-Revision um den CVP-Nationalrat Martin Candinas: Dieses sei kaum je in Erscheinung getreten. Und von den Printkollegen, die teilweise kritisch über SRF berichteten. «Ältere Kollegen war manchmal auch persönlich enttäuscht von Printkollegen, die sie kannten und die nun gegen SRF schossen», erzählt ein junger Redaktor. Auch er habe das Gefühl gehabt, dass die privaten Medien nicht ausgewogen berichteten.

«Insgesamt machen wir es vermutlich ziemlich vielen Leuten recht»

Nach dem knappen Resultat vom 14. Juni nutzen SRF-Kritiker die Gunst der Stunde und fordern tiefere Gebühren. Die SRG solle deshalb Sender wie SRF 4 oder Radio Virus streichen, auch Unterhaltungssendungen wie «Glanz und Gloria» und sogar der populäre «Bestatter» stehen unter Beschuss. Der Diskussion um Inhalte und Auftrag von SRF sehen die Fernseh- und Radiomacher mit gemischten Gefühlen entgegen.

Sie kennen die langfädigen und emotionalen Diskussionen um das Fernsehen, auch im privaten Umfeld. «Die einen mögen keinen Fussball, die anderen kein ‹Glanz und Gloria›», sagt eine Redaktorin. «Man kann es nicht allen recht machen, aber insgesamt machen wir es vermutlich ziemlich vielen Leuten recht.»

In der kommenden Debatte müsse auch die SRG-Spitze klar Position beziehen, fordert Stephan Ruppen, Zentralsekretär der Mediengewerkschaft SSM, bei der die meisten SRF-Angestellten Mitglied sind. «Im RTVG-Abstimmungskampf habe ich die Zurückhaltung der SRG verstanden», sagt Ruppen. «Aber spätestens jetzt erwarten wir, dass sie ihren Leistungsauftrag verteidigt.»

Stellenabbau wird erwartet und berfürchtet

Je nach Ausgang dieser Debatte könnte es gerade im Unterhaltungsbereich zu neuen Sparübungen kommen. Im SRF befürchten manche, dass die SRG Mittel streichen könnte, um den Gegnern Wind aus den Segeln zu nehmen. «SRF überprüft ständig, ob die Mittel effizient und am richtigen Ort eingesetzt werden», meint SRF-Sprecherin Andrea Wenger. Diesen Fragen werde man sich auch in der Debatte um den Service Public stellen.

Doch die nächste Sparrunde könnte schon schneller eingeläutet werden. Im April entschied das Bundesgericht, dass auf Billag-Gebühren keine Mehrwertsteuer erhoben werden darf. Damit fallen die Billag-Gebühren um rund 11 Franken. Derzeit wird in der SRG diskutiert, ob das Auswirkungen auf das SRF-Budget haben werde, sagt Sprecherin Andrea Wenger. Dabei gehe es um Millionen, heisst es intern. Nach den Sparmassnahmen in den vergangenen Jahren wäre ein erneute Kostensenkung kaum ohne Stellenabbau möglich.

Trotzdem sei man weit entfernt von Krisenstimmung, heisst es bei SRF. «Wir sind ja nicht beim griechischen Staatsfernsehen, wo man nicht weiss, ob sie in ein paar Wochen den Job noch haben.» Doch die RTVG-Abstimmung habe wieder gezeigt, wie unberechenbar die Politik und wie emotional das Thema Fernsehen in der Bevölkerung sei. «Viele Leute meinen anscheinend immer noch, dass wir im Leutschenbach auf Liegestühlen sitzen», meint eine Redaktorin. «Dabei arbeiten wir genauso hart wie Journalisten bei den privaten Medien.»

_
*Die Namen der befragten Redaktorinnen und Redaktoren sind dem Autor bekannt. Auf ausdrücklichen Wunsch wurde auf eine Publikation der Namen verzichtet.

Mehr dazu: Ihre Meinung ist gefragt: Was soll die SRG bieten?

Nächster Artikel