Ein Rat für irrlichternde Politiker: Lesen hilft!

Was wäre, wenn die Bücherverteilaktion der BuchBasel Erfolg hätte? Man wird ja wohl noch träumen dürfen.

Lorenz Nägelin hat sich verheddert. Gratistipp: Lesen hilft! (Bild: Hans-Jörg Walter)

Bücher habens nicht leicht dieser Tage. Papier, so geduldig es auch sein mag, bimmelt nicht, lässt sich nicht mit GIFs aufpeppen, hat keine Selfiefunktion. Jugendliche verbringen ihre Freizeit lieber im App-Store als in der Bibliothek.

Dass der Instagramaccount @hotdudesreading knapp doppelt so viele Follower hat wie @hotdudeswithdogs ist da nur ein schwacher Trost. Eine Imagekampagne für das Buch tut not.

Das haben auch die Organisatoren der BuchBasel erkannt. Mit einer Buchverteilungsaktion wollen Sie für ihr Literaturfestival werben. Frech: Mit dem Titel «Lest!» wird auf die umstrittene Koranverteilungsaktion «Lies!» angespielt.

Ein kleines Gedankenspiel: Was wäre, wenn «Lest!» zum Grosserfolg würde? Wenn plötzlich die ganze Stadt mehr lesen würde? Wie hätte sich das auf einige politische und mediale Ereignisse der letzten Tage ausgewirkt?

Voll aufgegangen ist schon mal der Plan der BuchBasel, mit der Anspielung auf «Lies!» zu provozieren. Die Kollegen vom Lokalfernsehen waren sich nicht zu schade, daraus eine Kontroverse stricken zu wollen. Herbstloch halt. Doch fand sich niemand, der sich so richtig daran stören wollte.

Na ja, fast niemand.

Lorenz Nägelin, mehrfach gescheiterter Regierungratskandidat und heute Präsident der SVP Basel-Stadt, stellte sich dann doch empört vor die Kamera. Er fände es bedenklich, dass sich die BuchBasel hier den Methoden einer «Terrororganisation» bediene. Und tatsächlich, Nägelins meist gut gebräunte Stirn legte sich angesichts dieser waghalsigen kommunikativen Überspitzung seitens BuchBasel besorgt in Furchen.

Die Nuance vom bücherverteilenden Salafisten zum sprengstoffgürteltragenden Attentäter ist ihm entgangen.

Hätte Nägelin in den letzten, sagen wir, 15 Jahren einmal eine Zeitung in die Hand genommen, die Nuance vom bücherverteilenden Salafisten zum sprengstoffgürteltragenden Attentäter wäre ihm wohl aufgefallen. Dass die Terrorkeule bei der SVP locker sitzt, hat jedoch bereits der oberste Gagschreiber im Parteisekretariat und Badewannenkapitän Joel Thüring gezeigt, als er vor einem Jahr auf den Wahlplakaten die Terrorgefahr in Basel hochjazzte.

Mit einem Griff zum Buch hätte sich auch eine weitere, blamable Nummer umschiffen lassen. Die Basler Stadtvermarkter sorgten mit ihrem holprigen Schwenglisch für sprachgewaltige Lacher in der ganzen Stadt. Es ist anzunehmen, dass sich in den Büros von Basel Tourismus auch das eine oder andere fremdsprachige Wörterbuch auftreiben liesse. Or not?

Lesefähigkeiten der anderen Art wären schliesslich manchem politischen Kommentator oder Grossrat gut angestanden, der nach der Abstimmungsniederlage zum Margarethenstich davon träumte, den Baselbietern die verschmähte Tramverbindung auf eigene Faust vor den Latz zu knallen. Ein Teil der Strecke befindet sich allerdings auf deren Kantonsgebiet, wie ein Blick in die Karte gezeigt hätte.

Eher enttäuschend dann auch die Reaktion von Nägelin auf diesen «Margarethenstich Reloaded». Er kündigte postwendend an, diese Totgeburt eines politischen Vorstosses, «bekämpfen» zu wollen. Das dürfte darin begründet sein, dass er mit seinem neuem Amt als Bürgergemeinderat in Sachen medialer Präsenz etwas ausgehungert ist.

Denn Kartenlesen, das sollte er also wirklich beherrschen. Es ist davon auszugehen, dass seine Ausbildung zum Oberstleutnant («das ist imfall höher als ein Oberleutnant») einen entsprechenden Kurs beinhaltete.

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